VON OLIVER GRISS

Ich schaeme mich, ins Stadion zu gehen: Petar Radenkovic, derzeit auf Reha nach seiner Hueft-OP in Garmisch. Foto: GRISSDie Löwen-Legende (78) im Exklusiv-Interview mit dieblaue24: "Wenn’s für die jeweilige Führung eng wird, dann wird getrickst was das Zeug hält" - Verständnis für Ismaik

dieblaue24: Herr Radenkovic, die Bundesliga feiert ihr 50-jähriges Jubiläum: Sie waren nicht nur ein großer Torwart, sondern auch der erste Entertainer im deutschen Fußball, Ihr Song "Bin i Radi, bin i König" stürmte mit 400.000 verkauften Platten die Hitparade. Was fällt Ihnen zu 50 Jahren Bundesliga ein?

PETAR RADENKOVIC (78):  Der TSV 1860 war anders als der FC Bayern Gründungsmitglied - und ich finde es schade, dass das so unter den Teppich gekehrt wird. Wir waren von 1962 bis 1968 die beste deutsche Mannschaft - da hat von Bayern noch gar keiner gesprochen. Wir waren im Europapokalfinale in Wembley, Pokalsieger, Meister. München war blau. Der Neudecker (ehemaliger Bayern-Präsident, d. Red.) hat bei uns früher im Training immer zugeschaut, um uns zu kopieren.

Heute wird 1860 dagegen sportlich kaum mehr wahr genommen…

…und wenn der Verein nicht seine sagenhaften Fans hätte, wäre der Klub schon längst von der Fußball-Landkarte verschwunden und würde in der A-Klasse herumdümpeln. Was ich hier auf Reha in Garmisch in der Süddeutschen Zeitung lesen muss, ist einfach nur noch peinlich: Der Verein bekämpft mit Hasan Ismaik denjenigen, der die Löwen gerettet hat. Das ist schizophren…

Sie sind also eher auf der Seite des Investors?

Jetzt hören Sie mal gut zu: 1860 hat vor zwei Jahren von keiner Münchner Bank noch 500 Euro bekommen - und dann kommt ein reicher Mensch aus Abu Dhabi und schenkt dem Verein ein zweites Leben. Normalerweise müssten die Vereinsleute jeden Sonntag in die Kirche gehen und eine Kerze für Ismaik stiften. Wenn er nicht gewesen wäre, wäre mit 1860 eine der größten deutschen Fußball-Marken gestorben. Jetzt versteckt sich der Verein hinter der 50+1-Regel. Aber das ist 1860: Dieser Verein zieht die schlechten Leute an - und diese Menschen haben kein Interesse, gute Leute zu installieren. Klar, sonst werden sie alle entlarvt.

Sprechen Sie aus Erfahrung?

Ich erinnere mich noch gut an 1980: Ich wollte als Abteilungsleiter bei 1860 kandidieren - und der damalige Präsident Erich Riedl nahm das zum Anlass gegen mich und meine Mannschaft zu arbeiten, indem er CSU-Mitglieder einen Aufnahmenantrag bei 1860 unterschreiben hat lassen. Wir sind damals durchgefallen. Das ist aber typisch für 1860. Wenn’s für die jeweilige Führung eng wird, dann wird getrickst was das Zeug hält. Es wird seit 50 Jahren  kein Verein in Deutschland so schlecht geführt wie die Löwen. Mittlerweile schreckt 1860 nur noch ab, ich schäme mich auch ins Stadion zu gehen. 

Zurück zu Ismaik: Was würden Sie an seiner Stelle machen?

(überlegt): Das ist nicht leicht. Normalerweise müsste er hinwerfen, aber das ist genau das, worauf die Führung bei 1860 wartet, um sich von ihrem lästigen Gegenspieler zu befreien. Natürlich hat auch Ismaik Fehler gemacht, indem er dem Verein blind vertraut hat, zu gutmütig war und offenbar schlecht beraten ist. Er hatte halt gedacht, dass sie bei 1860 Erfolg wollen, aber imgrunde wollen sie nur sein Geld. Der Mann ist von 1860 betrogen worden. Ich denke, dass die Zeit für Ismaik spielen wird. Er sitzt am längeren Hebel.

Am Sonntag steigt das Saisonfinale gegen Aalen: Wieder hat der Verein ein verlorenes Jahr in der Zweiten Liga hinter sich, mehr als Platz 6 ist nicht drin…

Bei 1860 sind in den letzten Jahrzehnten die wildesten Typen als Trainer engagiert worden - Werner Lorant war der einzige, der Kontinuität und die Siegermentalität hatte. Er hat sich so stark gefühlt, dass er gemeint hat, selbst den Präsidenten entlassen zu können. Wahrscheinlich wird der Verein so eine Zeit wie unter Lorant nie wieder erleben. Und den neuen Trainer  kenne ich nicht…

Das klingt alles nicht sehr aufbauend…

Die Lage bei 1860 ist aussichtslos. Vom Aufstieg in die Bundesliga rede ich schon lange nicht mehr. Ich glaube nicht, dass ich so alt werde. Außerdem muss ich Ihnen sagen: Natürlich wird mein Herz immer 1860 gehören, doch in den letzten Jahren bin ich immer mehr zum Bayern-Fan geworden: Wie die Fußball spielen, das ist das beste, was der Weltfußball zu bieten hat. Und der FC Bayern ist im Gegensatz zu Real Madrid flüssig. Das verdient meinen höchsten Respekt.

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