VON OLIVER GRISS

1860 Fanshop Gewinnspiel

Obwohl Jochen Kientz (45) gleich zweimal beim TSV 1860 war, ist er womöglich nicht allen Fans in Erinnerung geblieben - dabei hat der einstige Verteidiger bei der 1:3-Niederlage gegen den FC Bayern am 7. November 1998 sogar das Löwen-Ehrentor vor 69.000 Zuschauern im Olympiastadion erzielt. Außerdem gehörte Kientz zur legendären Aufstiegsmannschaft von 1994. Insgesamt machte er 93 Bundesligaspiele für die Löwen, den HSV, St. Pauli, Hansa Rostock und Eintracht Frankfurt. Seit über zwei Jahren ist Kientz nun Technischer Leiter beim SV Waldhof Mannheim - das exklusive db24-Interview mit dem Ex-Löwen.

db24: Herr Kientz, der SV Waldhof Mannheim kommt vor dem Gastspiel bei den Löwen (heute, 14 Uhr, dieblaue24-Liveticker) mit einer überragenden Serie nach Giesing: Seit Mai 2018 hat Ihre Mannschaft kein Auswärtsspiel mehr verloren. Wie geht das denn?

JOCHEN KIENTZ: Wir haben einfach eine gute Mannschaft beisamen - und vor allem eines: Einen tollen Spirit. Und natürlich ist das alles kein Zufall: Wir haben richtig Qualität. Wir sind froh, dass es so gut läuft.

Haben Sie inzwischen die Ziele nach oben korrigiert?

Wir sind schon so in die Saison reingegangen, dass wir gesagt haben, wir wollen erstmal den Klassenerhalt sichern. Es hört sich wie eine Phrase an, aber es ist so: Wir wollen jedes Spiel erfolgreich bestreiten. Und wir haben bei der Personalplanung ein ordentliches Händchen bewiesen, arbeiten gut, bleiben demütig und bodenständig.

Jetzt geht’s gegen Sechzig - ein Schlüsselspiel um Platz 3?

Dieses Spiel wird richtig schwer, aber wir freuen uns darauf. Es spielen zwei tolle Mannschaften gegeneinander, tolle Kulisse. Für Bernhard Trares und mich ist es ein Heimkommen. Wir waren sehr lange in diesem Verein, hatten bei 1860 erfolgreiche Zeiten. Und man muss ehrlich sein: 1860 macht das unter dem neuen Trainer sehr gut, haben auch eine Serie und spielen guten Fußball. 1860 ist für mich ein gigantischer Verein, ein schlafender Riese. Dieser Verein hat sehr viel Potential.

Was auffällt: Der Waldhof-Kader glänzt nicht unbedingt mit großer Erfahrung aus Bundesliga und Zweiter Liga. Welchen Schwerpunkt setzen Sie bei der Kaderzusammenstellung?

Wenn man dreimal nicht aufsteigt und jedes Jahr mit Minus abschließt, dann muss man schon extrem aufpassen, was finanziell machbar ist und was nicht. Da habe ich meine Vorgaben von der Geschäftsführung und trotzdem haben wir versucht, dass wir uns einen guten Kader ausgucken. Und natürlich haben wir auf junge Spieler geschaut, wo man sagt: Der ein oder andere hat vielleicht eine kleine Delle - wie Valmir Sulejmani, Arianit Ferati oder Marcel Seegert, den wir aus Sandhausen zurückgeholt haben. Wir waren viel unterwegs, fleißig und versucht, unsere Ideen umzusetzen.

Wie beschreiben Sie Ihre Rolle beim SV Waldhof? In der großen Öffentlichkeit tauchen Sie ja kaum auf…

Es ist nicht wichtig, sich selbst darzustellen und auf jede Kamera zuzulaufen, um seinen Senf dazuzugeben. Ich glaube, es ist wichtiger, im Hintergrund die Gespräche zu führen. Ich muss immer auf das Gesamtbild des Vereins und die finanziellen Sachen schauen. Unser Credo in Mannheim ist Fleiß, Fleiß, Fleiß.

Und trotzdem sind Sie ein Spätstarter in der Branche: Mannheim ist ja Ihr erster Job im deutschen Fußball.

Ganz ehrlich: Irgendwann hat mir das Tagesgeschäft Fußball gefehlt - und ich habe mir viele Gedanken gemacht, wo ich mich am besten verwirklichen könnte. Mir war bewusst, dass die Sportdirektoren-Stellen in Deutschland nicht so rar gesät sind. Es war nicht einfach, einen Job zu bekommen - aber dann habe ich die Chance in Mannheim bekommen. Der SV Waldhof ist ein toller Verein - und dann habe ich Bernhard Trares geholt…

Der voll eingeschlagen hat. Haben Sie sich an Ihre gemeinsame Zeit bei 1860 erinnert?

Das hat nichts mit 1860 zu tun, sondern damit, dass ich Bernhard als Trainer und Mensch sehr schätze. Mein Anspruch bei der Trainersuche war: Ich will einen Fußballlehrer, der über eine gewisse Ausstrahlung verfügt, der eine gewisse Dominanz an den Tag legt. Heutzutage ist die Mannschaftsführung das wichtigste - und da macht Bernhard keiner was vor. Und man kann sagen, dass Bernhard ein Glücksgriff für Mannheim ist: Wir haben den Verein auf dem vierten Platz in der Regionalliga übernommen, sind noch in die Relegation gekommen, haben es im ersten Anlauf nicht geschafft, aber dann im nächsten Jahr den Aufstieg gepackt. Ich denke, dass wir das ganz gut hinbekommen haben.

Welche Erinnerungen haben Sie noch genau an 1860?

1860 ist ein toller Verein - wie der SV Waldhof. Die Europapokalspiele mit 1860 werde ich nicht vergessen. Das war schon schön. An das Spiel bei Rapid Wien kann ich mich noch gut erinnern. Ich bin mit Rot vom Platz geschickt worden. Der vierte Schiedsrichter hat mich dann wieder auf den Platz geschickt - und dann hat Marco Walker die rote Karte gesehen. Internationale Spiele sind immer etwas Besonderes, ob mit dem HSV in der Champions League oder mit 1860 im Uefa-Cup.

Sie haben die Champions League mit dem HSV angesprochen. Der damalige Weltstar Zinedine Zidane hatte ihnen beim legendären 4:4 gegen Juventus Turin einen Kopfstoß verpasst.

Zidane? Ja, war schön, ist aber viele Jahre her. Wenn ich in Spanien bin, werde ich oft auf die Szene angesprochen, weil Zidane in diesem Land der Spieler überhaupt ist.

Beim SV Waldhof ist der Unternehmer Bernd Beetz Präsident und Investor in einem. Ohne ihn wäre die Erfolgsgeschichte in Mannheim nicht möglich. Wie beschreiben Sie seine Rolle?

Für uns ist Herr Beetz ein Glücksfall. Die Familie Beetz lässt uns arbeiten. Es gibt Geschäftsführer, es gibt mich. Wir sind die, die sehr viel Kontakt mit der Familie haben. Sie wollen natürlich auch wissen, was mit ihrem Geld und dem Verein passiert - das ist klar. Aber sie reden uns ins Tagesgeschäft nicht rein und lassen uns arbeiten.

Wieviel Geld hat der SV Waldhof wirklich zur Verfügung?

Was hat denn Sechzig?

Etwas mehr als drei Millionen Euro…

Wir liegen darunter. Ohne die großen Fernsehgelder in der Dritten Liga ist es natürlich jedes Jahr ein Kraftakt, zu überleben. Deswegen versuchen wir frühzeitig, unsere Spieler zu binden.