VON OLIVER GRISS

Auch wenn Hasan Ismaik tagtäglich mit Millionen jongliert, dürfte es für ihn keine leichte Entscheidung gewesen sein, wieder seinen Geldbeutel zu öffnen und dem TSV 1860 nach dem Drittliga-Aufstieg zwei Millionen Euro in Form von Genussscheinen zur Verfügung zu stellen, nachdem was ihm in den letzten sieben Jahren an der Grünwalder Straße alles widerfahren ist: Einerseits verlor er aus Gutgläubigkeit gegenüber schwindligen Beratern und Möchtegern-Sportdirektoren unzählige Millionen; andererseits sah sich Ismaik seit dem Zwangsabstieg immer stärker politischen Spielchen der Nadelstecher-Fraktion ausgesetzt. Das 3,8 Millionen Euro-Darlehen für Stefan Aigner von 2016, das Präsident Robert Reisinger bei Geschäftsführer Michael Scharold anweisen wollte, war die vorerst letzte Provokation von Vereinsseite. Ismaik machte das einzig richtige: Er blieb cool. Ismaiks neue Stärke. Das zeugt von einem ausgeprägten Charakter, aber auch von seiner Überzeugung, Sechzig nicht loszulassen.

Die schlimmste Zeit scheint der 40-Jährige nun hinter sich gebracht zu haben. Was sich in den letzten Monaten positiv ausgewirkt hat: Der Jordanier hatte sich 2017 zurückgezogen und eine Reihe von neuen Vertrauensleuten gefunden. Allen voran Daniel Bierofka. Der Löwen-Liebling war es, der mit dem Drittliga-Aufstieg dem Verein ein Facelifting verpasst hat. Daran hat auch Ismaik keinen unwesentlichen Anteil: Ohne ihn wäre Bierofka vermutlich nie Cheftrainer des TSV 1860 geworden, schließlich war es der Investor höchstpersönlich, der sich vor drei Jahren gegen eine von Vereinsseite geplante Degradierung von Bierofka als U21-Trainer aussprach. Wohl auch ein Grund, dass der Löwen-Trainer in der Vergangenheit nie ein böses Wort über Ismaik verloren hat. Das hat der Geschäftsmann aus Abu Dhabi Bierofka nicht vergessen. Die logische Konsequenz ist die Freigabe von zwei Millionen Euro als Dankeschön. Ismaik spürt: Bei Bierofka ist sein Geld in guten Händen. Bierofka sieht immer den TSV 1860 an erster Stelle und nicht irgendwelche Geschäfte.

Doch Bierofka ist nicht der einzige Mensch an der Grünwalder Straße, an den Ismaik Gefallen gefunden hat: Auch die pflichtbewusste Arbeit von Sportchef Günther Gorenzel soll es dem Investor inzwischen angetan haben. Gorenzel gehört zweifelsohne zu den großen Gewinnern im abgelaufenen Halbjahr beim TSV 1860. Er wartet nicht mit großen Worten auf, sondern mit Sachlichkeit, Fleiß und finanzieller Vernunft. Das kommt in Abu Dhabi an.

Dass die Löwen wieder eine Zukunft haben, liegt aber auch an Ismaiks wohl cleverstem Schachzug: Er setzte im Januar Ex-Präsident Peter Cassalette und Ex-Verwaltungsrat Saki Stimonaris als Aufsichtsräte ein. Vor allem Stimoniaris, so hört man sogar aus dem e.V.-Lager, hat in den vergangenen Wochen mit großem Einsatz für eine positive Zukunft des TSV 1860 gekämpft. Der VW-Aufsichtsrat soll es auch gewesen sein, der letztlich mit Karl-Christian Bay von der Vereinsseite einen Kompromiss zum Wohle der Löwen gefunden hat. Lässt man diese Personen nun nachhaltig und zusammen arbeiten, steht der Traditionsverein aus München-Giesing vor seiner sportlichen Wiederauferstehung.