VON OLIVER GRISS

Natürlich, so eine Derby-Pleite - und die auch noch gegen hochüberlegene Bayern-Amateure, die schmerzt im Lager des TSV 1860 so richtig. Sie fühlt sich wie eine schallende Ohrfeige an. Doch viel wichtiger für die Löwen-Zukunft ist heute ab 12 Uhr die Aufsichtsratssitzung der Fußball-Firma, in der möglicherweise die Weichen für einen erfolgreichen Weg von Münchens kompliziertestem Verein gestellt werden. Es ist der Tag der Entscheidung. Zuletzt hat Präsident Robert Reisinger die Zusammenarbeit mit Ismaiks Vertrauensleuten Saki Stimoniaris und Peter Cassalette ausdrücklich gelobt - jetzt kann der Ober-Löwe beweisen, dass das keine Floskeln waren, sondern es ihm - anders als Verwaltungsratsboss Dr. Markus Drees (“Nadelstichpolitik gegen H.I.”) - durchaus um ein faires Miteinander geht und ihm die ausgegliederte Profiabteilung der Löwen wichtig ist.

Viele Themen werden heute bei der Aufsichtsratssitzung der KGaA auf den Tisch kommen, u.a. die Vertragsverlängerung von Trainer Daniel Bierofka, der es innerhalb weniger Monate geschafft hat, nach dem Jahrhundertabstieg im Sommer 2017 eine konkurrenzfähige Mannschaft aufzustellen, die trotz der Derby-Pleite zu 99,9 prozentiger Sicherheit an der Aufstiegsrelegation zur Dritten Liga teilnehmen wird. Bierofka braucht eine Perspektive. Es soll aber auch um Nachhaltigkeit gehen - und dazu gehört auch, den Nachwuchsbereich zumindest auf dem Niveau zu halten, das man von den Löwen gewohnt ist. Und das wird schwer genug, schließlich hat die U19 des TSV 1860 die angestrebte Bundesliga-Rückkehr verpasst. Dass die Vereinsseite nun überlegt, die U21 aus Kostengründen (rund 300.000 Euro pro Saison) aus dem Verkehr zu ziehen, ist kontraproduktiv. Diese Bayernliga-Mannschaft ist nicht nur eine Plattform für die vielen Löwen-Talente, sondern auch ein guter Werbeträger in der Region. Man würde definitiv an falscher Stelle sparen.

Die Löwen und ihre Finanzen - ein besonderes Kapitel. Auf der einen Seite hatte man sich über sieben Monate im Jahr 2017 Markus Fauser als Geschäftsführer geleistet und ihm ein fürstliches Salär (eine hohe sechsstellige Summe) bezahlt, auf der anderen Seite wird kräftig gespart: Der Ticketschalter hat nur noch an drei Tagen die Woche geöffnet, in der Pressestelle arbeiten nur Freiberufler und im Winter wurde Daniel Bierofka sein Wunschspieler Fanol Perdedaj (jetzt Saarbrücken) wegen 8500 Euro nicht ermöglicht. Bei 1860 fehlt das gesunde Mittelmaß. Für die Dritte Liga plant der Löwe mit einem Etat von drei Millionen Euro. Saarbrücken, der Löwen-Gegner in der Aufstiegsrelegation, hatte in dieser Saison fünf Millionen Euro zur Verfügung. Jeder kann sich seine Meinung selbst dazu bilden.

Die Verantwortung, die der Aufsichtsrat des TSV 1860 hat, ist immens. Deswegen können Robert Reisinger, Karl-Christian Bay und Thomas Heigl (von Hauptsponsor Die Bayerische) sowie für die Investorenseite Saki Stimoniaris, Peter Cassalette und Ismaik-Bruder Yahya heute viel bewirken - im Sinne des Profifußballs der Löwen. Packt endlich alle gemeinsam für Sechzig an und lasst Euch nicht blenden von der Giesinger Scheinwelt, denn die Euphorie um die Rückkehr ins Grünwalder Stadion könnte schneller vorbei sein, als manchem lieb ist. Im Fußball sollte man vorwärts denken und nicht rückwärtsgewandt - und das funktioniert im Jahr 2018 leider nicht mit einem alten, kleinen Stadion inklusive Party in Giesing, sondern nur mit Kompetenz, Geld und 100prozentiger Leidenschaft.