VON OLIVER GRISS

Für mich war die Regionalliga Bayern bis zum Zwangsabstieg des TSV 1860 eigentlich ein unbeschriebenes Blatt - mehr als sieben, acht oder neun U21-Spiele habe ich in der vergangenen Saison nicht gesehen. Und nun? Nachdem ich alle sogenannten Favoriten wie Bayern II, Bayreuth oder Schweinfurt live in den letzten Wochen beobachtet habe, kann ich nur eines sagen: Der Titel führt bei aller Tiefstapelei aus der Grünwalder Straße einzig und allein über die Löwen.

Nein, ich lasse mich nicht vom Momentum der Tabellenführung blenden, sondern sehe viele Faktoren, die neben dem Profitum mittlerweile für die Meisterschaft des TSV 1860 sprechen. Zum einen mit Sicherheit den Heimvorteil: Auch wenn nur noch 12.500 Besucher reinpassen, verwandelt sich das altehrwürdige Grünwalder Stadion mit seinem leidenschaftlich-verrückten Publikum nicht nur in eine Festung, sondern auch in Münchens größte Party-Area. Diesen Rückhalt hat kein anderer Verein in der Regionalliga Bayern. Dann stehen auf dem Platz wieder willige Kerle, die 1860 würdig vertreten und alles raushauen, um hinterher mit den Fans feiern zu dürfen. Ganz bewusst hat Trainer Daniel Bierofka in den letzten Wochen nur Spieler verpflichtet, die er kennt bzw. ihm aus seinem Umfeld empfohlen worden sind. Wenn vielversprechende Talente wie Kilian Jakob oder Lino Tempelmann gehalten werden können, Timo Gebhart verletzungsfrei bleibt, Sascha Mölders an seiner Fitness arbeitet und der Verein noch die ein oder andere kleine Korrektur am Kader vornimmt, dann wird 1860 einen ähnlichen Weg wie die SpVgg Unterhaching in der Vorsaison gehen.

Klar, noch ist nichts erreicht, doch dass die Löwen auf einer Welle der Begeisterung schwimmen, ist ganz eng mit Daniel Bierofka verbunden. Der Trainer, der niemals schläft, hat es geschafft, die Marke 1860 in der Regionalliga wiederzubeleben. Für seinen Herzensklub hat der 38-jährige Ur-Löwe nach dem schwarzen Freitag seinen Urlaub sausen lassen, obwohl er selbst schwer gezeichnet war vom Abstieg. Andere wären wahrscheinlich in diesen zweifelsohne turbulenten Tagen vor dieser Herkulesaufgabe geflüchtet, doch Bierofka hat sich des Projekts angenommen. Bierofka ist das Herz des TSV 1860. Er macht an der Grünwalder Straße eigentlich alles: Trainer, Sportchef, Scout, Pressesprecher und obendrein bester Repräsentant des 20.000-Mitglieder-Klubs. Seine Familie muss dafür zurückstecken. Wer Bierofka besser kennt, weiß: Dies würde er für keinen anderen Verein tun. Und genau dies macht die Zusammenarbeit so wertvoll.