VON OLIVER GRISS

Dass man beim TSV 1860 nicht immer den rationellen Weg bestreitet, ist hinlänglich bekannt. Abzulesen auch an den vielen Fehlentscheidungen in den letzten Jahren an der Grünwalder Straße, insbesondere die Posse um Sportchef Gerhard Poschner im vergangenen Sommer war für alle Beteiligten eine einzige Farce. Auch dieses Missgeschick sorgte dafür, dass den Löwen jetzt das Wasser bis zum Hals steht, weil man sich mehr aufs Zanken und Tricksen konzentrierte anstatt den Kader sinnvoll zu verstärken.

Auch die Inthronisierung von  Oliver Kreuzer am Mittwochnachmittag als neuer 1860-Sportchef ist zumindest vom Zeitpunkt und der Chronologie her durchaus diskussionswürdig. Nicht, dass Kreuzer kein ausgewiesener Fachmann ist, sondern vielmehr die Personalsuche bei den Löwen ist zu hinterfragen.

Während bei anderen Profi-Klubs erst den Sportdirektor gesucht wird - und der dann gemeinsam mit der Geschäftsführung den Trainer castet, ist man bei den Sechziger (wieder einmal) den umgekehrten Weg gegangen. Aber was will man von einem Klub erwarten, bei dem nicht die Basis den Präsidenten auswählt, sondern der Verwaltungsrat?

Möglicherweise ist die Kreuzer-Verpflichtung aber auch ein verspätetes Eingeständnis der beiden Geschäftsführer Markus Rejek und Noor Basha, dass es ohne Sportkompetenz bei Münchens großer Liebe doch nicht funktioniert. Ist Kreuzer also vor der mit Spannung erwarteten Außerordentlichen Mitgliederversammlung am 15. November ein Blitzableiter für die Führungsriege der Fußball-Firma? PS: Der designierte Löwen-Boss Peter Cassalette soll angeblich in die Sportdirektoren-Suche noch nicht eingebunden gewesen sein. Alles klar?

Immerhin: Auch wenn der strenge Felix Magath der Lieblingskandidat vieler Löwen-Fans als neuer starker Mann war, ist dem aktuellen 1860-Beirat (Ulrich Bez, Karl-Christian Bay, Abdelrahman Ismaik, Sigi Schneider) mit Oliver Kreuzer ein guten Transfer auf der sportlichen Kommandobrücke gelungen. Somit ist der 4. November 2015 ein durchaus guter Tag für die Blauen. Der Ex-Bayern-Profi ist nicht nur ein sehr sympathischer und eloquenter Mensch, der immer einen lockeren Spruch auf den Lippen hat, sondern auch ein absoluter Fachmann auf seinem Gebiet. Bis auf seine letzte Station Hamburg hat Kreuzer immer einen positiven Eindruck hinterlassen. Egal ob in Basel, Salzburg, Graz oder Karlsruhe. Es scheint fast so, dass der Süden Kreuzer mehr liege als der Norden. Beste Voraussetzungen für Kreuzer auch in München-Giesing einzuschlagen. Wenn Kreuzer die Augen aufmacht und das ist ihm zu wünschen, wird er schnell erkennen, warum aus dem einst so stolzen 1860 mittlerweile ein bemitleidenswerter Patient geworden ist.

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