VON OLIVER GRISS

Egal wie der TSV 1860 diese Saison abschließt: Klassenerhalt oder “Dritte Liga, wir kommen!” - sie wird das “Sahnehäubchen” auf jahrzehnte-lange Misswirtschaft an der Grünwalder Straße 114 sein. Rock’n Roll wurde von Präsident Gerhard Mayrhofer versprochen - heraus kam nicht mehr als unmusikalisches Katzengejammer. Der letzte negative Höhepunkt war das 0:2 in Braunschweig - ein sportlicher Offenbarungseid.
Die Hauptschuldigen allein in der aktuellen Führungsebene zu suchen, greift allerdings zu kurz, denn die Fehlersuche beim TSV 1860 liegt Jahre zurück. Immer wieder mussten die besten Talente (Bender-Twins, Kevin Volland) unter Preis verkauft werden, um überhaupt den Spielbetrieb aufrecht erhalten zu können - und dann wurden auch Spieler völlig falsch eingeschätzt. Drei Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit: 2009 wurde der bei 1860 ausgebildete Österreicher Julian Baumgartlinger vertrieben, der Mittelfeldantreiber wechselte ablösefrei zu Austria Wien. Heute ist der Mainzer Millionen wert. Fall zwei: Im Auftrag von Ex-Geschäftsführer Robert Schäfer musste der ehemalige Manager Florian Hinterberger Daniel Halfar verkaufen und bot ihn im Sommer 2013 wie “Sauerbier” (Werner Lorant) in der Bundesliga an. Für läppische 250.000 Euro ging Halfar schließlich nach Köln und stieg mit dem Rhein-Klub sofort ins Oberhaus auf. Es gab zwar dann noch einen Aufstiegs-Zuschlag in Höhe von 250.000 Euro, doch unterm Strich steht: 1860 hat seinen besten Techniker ohne Not abgegeben.

Beispiel Nummer 3: Stefan Aigner, der Muster-Löwe aus Holzkirchen (er hat das Wappentier sogar auf der Schulter tätowiert), brach mit dem TSV 1860 - weil man ihm nicht 5000 Euro im Monat mehr gönnte. Aigner verließ ablösefrei den Giesinger Traditionsklub Richtung Eintracht Frankfurt, bei dem Aigner zu den besten Rechtsaußen der Liga gehört.
Die Fehleinschätzungen der Verantwortlichen ziehen sich seit dem Abgang von Wildmoser & Lorant wie ein blauer Faden durch den Klub, auch Sportchef Gerhard Poschner hat mit seinem XXL-Umbruch im Sommer 2014 nicht dafür gesorgt, dass der Verein seine Ziele wieder in ein positiveres Licht gerückt wird. Leistungsträger wie Gabor Kiraly und Moritz Stoppelkamp sowie Identifikationsfigur Benny Lauth wurden ohne Not abgegeben - im Gegenzug kamen Spielertypen, die zwar größtenteils einen feinen Ball spielen können, aber das System Zweite Liga bis heute nicht verinnerlicht haben. Eine Mannschaft mit einer Hierarchie gibt es bis heute nicht.
Gravierend verschlechtert hat die Situation auch die “falsche Nase” bei der Trainer-Wahl: Erst floppte Ricardo Moniz, dann der restlos überforderte Markus von Ahlen. Der einstige U21-Trainer Torsten Fröhling versucht nun mit seiner Leidenschaft und seinem Herzblut noch zu kitten, was zu kitten ist.

Noch steht 1860 zwar auf einem Nichtabstiegsplatz, doch die Angst ist groß, dass es die Löwen elf Jahre nach dem Bundesliga-Aus wieder erwischt. Sollte es am 24. Mai tatsächlich zum Supergau in München-Giesing kommen, wäre der TSV 1860 mit seinem spendablen Jordanier Hasan Ismaik der erste deutsche Klub, der trotz Millionen-Investitionen eines Investors absteigen muss.

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