VR-Kandidat Thomas Baudisch im db24-Interview: "Wir brauchen ein Gesamtkonzept und keine Flickschusterei"
- VON OLIVER GRISS
- 15.06.2024 21:43
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VON OLIVER GRISS
Thomas Baudisch ist der Mann der Finanzen im Bündnis Zukunft 1860. Er betreibt am Tegernsee und Schliersee zusammen mit zwei Partnern eine gut florierende Steuerkanzlei. Er wirkt auf den ersten Blick etwas zurückhaltend, wenn er aber über sein Sachgebiet Finanzen und die Erinnerungen an die irre Aufstiegsrelegation 1977 gegen Arminia Bielefeld spricht ("Das hat mich angefixt"), dann taut der 61-Jährige richtig auf. Das db24-Interview:db24: Den Namen Baudisch hat man im Löwen-Kosmos erstmals mit der Gründung des Bündnisses so richtig gehört. Sie sind ja mit Ihren 61 Jahren schon etwas betagter: Was treibt Sie an, Herr Baudisch?
THOMAS BAUDISCH: Ich bin ja Unternehmer und will noch einige Jahre arbeiten. Ich bin noch lange nicht reif für die Rente. Ich bin einer, der manchmal gerne kritisiert. Aber wenn man kritisiert, dann muss man sich dieser Situation auch mal stellen. Und jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen. Ich will Verantwortung bei 1860 übernehmen. Ich hatte 2015 den ersten Kontakt mit einem Amt beim TSV 1860, als ich für die Rolle des Kassenprüfers kandidiert habe. Ich wurde von einem Vertreter des Präsidiums gefragt. Ich bin damals aber nicht gewählt worden. Und seit dem Doppelabstieg 2017 beobachte alles rund um 1860 noch genauer als zuvor. Dann kam ich mit dem Bündnis in Kontakt, habe mir die Leute und das Programm angeschaut - und wurde dann gefragt, ob ich für den Verwaltungsrat kandidieren möchte. Ich habe mir dann gesagt: Jetzt ist die Zeit reif!
db24: Hatten Sie schon einmal ein Amt inne?
Ja, mehrere. Ich war mal 1. Vorstand in einem Squashverein - aber das ist lange her! Ich war 18 Jahre lang Finanzvorstand im Skiverband Oberland e.V. Und ich habe immer in der Vorstandschaft der Vereine mitgeholfen, in denen meine Kinder aktiv sind. Dann bin ich noch im Bund der Steuerzahler dabei, aber das ist eine andere Geschichte. Ich kenne mich also aus mit Ehrenämtern.
db24: Wie können Sie sich als Finanzexperte einbringen?
Man muss ja sagen: Ich kandidiere für den Verwaltungsrat, der Verwaltungsrat berät die Entscheidungsträger, die Präsidenten oder kann auch der kaufmännischen Geschäftsführung Tipps geben. Steuerrechtlich ist der e.V. gut aufgestellt, die Sicherstellung der Gemeinnützigkeit hat der Steuerberater-Kollege Heinz Schmidt und nicht Robert Reisinger gemacht, der sich das an die Fahne heftet. Aber in wirtschaftlichen Belangen kann ich helfen. Ein Teil meiner Expertise ist, dass ich Businesspläne mache. Ich berate auch Unternehmen, einer meiner Kernpunkte ist die Wirtschaftlichkeit fundiert aufzustellen. Nur so kann man langfristigen Erfolg haben - und das ist ja auch bei 1860 gefragt. Das ist bei 1860 nicht gegeben, wir brauchen immer wieder Geld. Es wird offensichtlich zu viel ausgegeben und zu wenig eingenommen. Da kann ich mich einbringen.
db24: Warum ist das Bündnis im Vergleich zum aktuellen Verwaltungsrat die bessere Wahl?
Das Bündnis ist mit Sicherheit eine sehr gute Wahl. Die Leute, die dabei sind, haben wirtschaftliche Kompetenz, die haben ein Netzwerk - ein sehr gutes! Klaus Lutz oder Martin Gräfer, um nur die beiden zu nennen. Und Thomas Hirschberger hat die Systemgastronomie in Deutschland maßgeblich vorangebracht. Diese Leute können Kontakte herstellen, die sind alle tiefblau, wollen mithelfen. Und bei den jetzigen Verwaltungsräten kann ich dieses Netzwerk nicht erkennen.
db24: Aber geredet ist schnell mal…
Ich kann das beurteilen. Ich bin bei vielen Telefonaten dabei. Es gibt viele Leute, die sagen, wir investieren. Aber nicht unter den aktuellen Umständen. Es gibt viele in und um München, die was machen wollen, weil die Marke 1860 immer noch eine unglaubliche Kraft hat. Wir können jetzt keine Geschenke verteilen, was wir aber können, dass wir zusagen, dass wir - wenn wir als Bündnis gewählt werden - ganz schnell aktiv werden. Wir müssen dann schnell beweisen, ob wir es besser können. Was nicht zu unterschätzen ist: Wir haben mit Mitgesellschafter Hasan Ismaik eine Basis gefunden.
db24: Der TSV 1860 hat eine Menge Baustellen: Kein zweitliga-taugliches Stadion, keine Turnhalle und ein in die Jahre gekommenes Trainingsgelände…
Genau so ist es! Wir brauchen ein Gesamtkonzept und keine Flickschusterei! Das ging ja schon in den 80er Jahren los, als die Turnhalle in der Auenstraße aus Geldmangel verkauft werden musste. Wenn das mit dem Ausbau im Stadion an der Grünwalder Straße nicht klappt, dann könnte man aus der Stadt rausgehen und ein All-in-one-Projekt inklusive neuer Turnhalle und Nachwuchsleistungszentrum anstreben. Dann ist alles zusammen. Und genau das habe ich in den letzten Jahren vermisst. Es waren keine ernsthaften Bestrebungen, mit der Stadt das alles anzugehen. Wo ist der Plan für die Zukunft?
db24: Und trotzdem muss man als 1860 auch mal gegenüber der Stadt in Vorleistung gehen, zumindest sollten die Entscheider miteinander reden…
Natürlich! Das hört man immer wieder, dass der schwarze Peter immer wieder zur Stadt geschoben wurde. Dabei sollte man sich als 1860 erst einmal einig sein, was man will. Es gab wohl von 1860 nie ein richtiges Konzept - auch aus der fehlenden Wirtschaftlichkeit heraus. Die Miete für das Grünwalder Stadion ist mit rund 1,5 Millionen Euro sehr hoch, aber die Stadt darf natürlich auch keine Geschenke verteilen.
db24: Wie weh tut 1860 eigentlich? Der frühere Stadionsprecher Stefan Schneider hat einmal gesagt: “Ich gehe nicht zur Domina, ich gehe zu Sechzig München.”
Ich bin älter geworden und steigere mich nicht mehr so emotional rein wie noch vor 30 Jahren. Aber bei mir gilt auch der Spruch “Einmal Löwe, immer Löwe” - aber natürlich tut das weh, was aus unserem Verein geworden ist. Die Emotionen werden für Sechzig aber immer bleiben. Die letzte sehr große Emotion war der Drittliga-Aufstieg 2018. Theo Waigel, der frühere Finanzminister, saß hinter mir. Nach dem Schlusspfiff sind wir uns in den Armen gelegen. Das war ganz großes Kino. Da waren 15.000 bis 20.000 Leute auf der Straße. Die Bayern sind zwar in diesem Jahr Meister geworden, aber bei 1860 war mehr los im Vergleich.
db24: Warum ist 1860 so tief gespalten?
Das ist eine interessante Frage: Am Anfang gab es die ARGE, dann die Stadioninitiative, dann hatte sich über das Löwenforum der Widerstand formiert. Gegen Karl-Heinz Wildmoser wurde gezündelt, aber ihn konnte man als Patron des Klubs nicht stürzen. Wir waren kurz vor der Champions League, wir waren mit dem FC Bayern auf Augenhöhe. Die Stadion-Affäre hat Wildmosers Gegner dann in die Karten gespielt. Und 2006 kam Pro1860, fast mit den selben Leuten wie im Netz.
db24: Warum konnte keiner den Absturz stoppen?
Das kann ich nicht abschließend beurteilen. Nachweislich war das Missmanagement mit schuld, und der Sport war jetzt auch nicht die Offenbarung. Die Reihe der Fehlentscheidungen waren einfach zu groß. Und wenn es im Verein kriselt, wirkt sich das auch negativ auf die Mannschaft aus.
db24: Wie sehen Sie die Bilanz von Präsident Robert Reisinger?
Der Präsident vertritt den Verein, den e.V. - und ich sehe bei Reisinger nicht, dass er sich selbstkritisch hinterfragt. Ich sehe das nicht - tut mir leid. Ein Präsident muss der unangefochtene Chef sein. Dafür braucht man Ausstrahlung. Einem Präsidenten ist es auch nicht verboten, das Geld ranzuschaffen.
db24: Es heißt immer von den e.V.-nahen Quellen, Hasan Ismaik verschulde die KGaA - können Sie uns aufklären, ob dies zutreffend ist?
Fakt ist: Die KGaA hat einen sehr großen Gläubiger. Ob man das jetzt will oder nicht, das ist Hasan Ismaik. Und der e.V. muss mit keinem Cent aufkommen, wenn die KGaA jetzt pleite gehen sollte oder zusätzlich 100 Millionen Euro dazukommen.
db24: Könnten Sie bitte das genauer erklären, weil man in Facebook immer wieder was von einer Schuldenfalle liest…
Die KGaA ist mit rund 22 Millionen Euro überschuldet - und sie macht jedes Jahr rund 700.000 oder 800.000 Euro minus. Einmal wurde Gewinn gemacht, als Leandro Morgalla verkauft worden ist. Die Fußballgesellschaft KGaA hat zwei Gesellschafter: den e.V. und HAM. Angenommen, die KGaA würde insolvent gehen, das würde aber nicht passieren, weil Ismaik bis jetzt alle Rechnungen bezahlt, dann gäbe es eine Gläubigerversammlung. Da sitzen dann der Insolvenzverwalter und die Gläubiger am Tisch - und der einzig größere Gläubiger ist wiederum Ismaik. Das heißt: Er gibt sich selber Geld. Es spielt für den Verein keine Rolle - das muss man aber auch verstehen. Deswegen war Markus Othmer in Blickpunkt Sport damals sehr nah, als er Reisinger im Studio süffisant vorgerechnet hat, dass die Konsolidierung rund 80 Jahre dauert…
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