Kult-Löwe Petar Radenkovic über den Investoren-Einstieg an der Grünwalder Straße - und warum für ihn sogar der Lizenz-Verzicht eine Option gewesen ist

VON OLIVER GRISS

dieblaue24.de: Herr Radenkovic, Sie sind der bekannteste Löwe aller Zeiten: Wie schwer fällt es Ihnen, dass der TSV 1860 seine Seele für rund 18 Millionen Euro nun endgültig an den jordanischen Geschäftsmann Hasan Ismaik verkauft hat?
PETAR RADENKOVIC (76): Als ich letztens in München war und mir die Urkunde zur 40-jährigen Mitgliedschaft überreicht wurde, hat mich Präsident Dieter Schneider unter vier Augen aufgeklärt: Er meinte, dass Ismaik ein sauberer Mann sei und seine Interessen positiv seien. Ich lasse mich positiv überraschen.

dieblaue24.de: Aber reicht die Summe überhaupt, um 1860 neu aufzustellen?
Radenkovic: 18 Millionen von Ismaik? Ich behaupte: Nein! 1860 bräuchte viel mehr Geld. 1860 ist viel mehr wert. Es gehören sofort 30 Millionen Euro auf den Tisch, mit dem ein gutes Management arbeiten darf. Außerdem braucht der Verein den besten Trainer, den es derzeit auf den Markt gibt.

dieblaue24.de: Wenn alles mal so einfach wäre…
Radenkovic: Der andere Weg ist: 1860 gibt die Lizenz zurück und fängt - sagen wir mal - in der Regionalliga an und setzt dann nur noch auf seine ausgezeichnete Jugendarbeit. Das wäre eine Lösung, mit der ich mich anfreunden könnte. Ich betone: Ich bin kein Spielverderber, aber ich will endlich, dass der Verein wieder ein Klub wird, auf den seine Fans stolz sein können.

dieblaue24.de: Der Verein ist stolz auf den Ismaik-Deal.
Radenkovic: Wichtig ist jetzt, dass mit Ismaiks Geld Volltreffer erzielt werden - dann macht das Invest auch Sinn. Mir geht’s um 1860 und sonst nix. Aber es ist kein Geheimnis, dass es mir wesentlich lieber gewesen, hätte ein Unternehmen aus München - beispielsweise BMW oder Siemens - die Löwen unterstützt. 30 Millionen sind heutzutage kein Geld mehr. Ich wünsche mir nichts mehr, dass ich es noch einmal erleben darf, meine Löwen in der Bundesliga spielen zu sehen.

“BMW oder Siemens wären mir lieber gewesen”

dieblaue24.de: Präsident Dieter Schneider arbeitet rund um die Uhr für 1860: Wie beurteilen Sie ihn?
Radenkovic: Schneider ist zweifelsohne ein Ehrenmann. Er hat 1860 in der schwersten Zeit übernommen. Schneider schläft kaum mehr wegen 1860. Ich habe bei ihm ein gutes Gefühl. Das gilt aber genauso für Geschäftsführer Robert Schäfer. Die zwei wollen was bewegen, das spür ich.
dieblaue24.de: Lobende Worte aus Ihrem Mund für 1860-Funktionäre? Lang, lang ist’s her…

(überlegt lange): Wenn ich an unseren Einstieg in die Bundesliga in den 60er Jahren zurückdenke, dann läuft es mir eiskalt den Rücken runter. Ich kenne keinen Präsidenten bei 1860, der es dauerhaft geschafft hat, 1860 ein positives Image zu verleihen.

“Ich habe ein gutes Gefühl bei Schneider & Schäfer”

dieblaue24.de: Auch nicht der inzwischen verstorbene Karl-Heinz Wildmoser, mit dem 1860 von der Bayernliga bis in die Champions League-Qualifikation marschierte?

Radenkovic: Wildmoser war nach Adalbert Wetzel der einzige, der was bewegt hat. Aber genauso war er auch verantwortlich für die vielen Probleme, die uns noch heute erdrücken. Was aber nach Wildmoser kam, war ein einziges Desaster. Ich wünsch Dieter Schneider, dass er das schafft, was seine Vorgänger nicht wollten oder nicht konnten.

dieblaue24.de: Ihr serbischer Landsmann Miki Stevic gab bei 1860 in seinen zweieinhalb Jahren an der Grünwalder Straße eine sehr unglückliche Figur als Sportdirektor ab.
Radenkovic: Stevic’ größtes Problem war, dass er kein Entscheider ist - und sich auch mit der Aufgabe nicht entwickelt hat. Als Fußball-Fachmann schätze ich ihn. Was ich ihm aber ankreide, dass er kein glückliches Händchen bei der Trainer- oder Spielerwahl hatte und nicht das Wagnis mit Lothar Matthäus eingegangen ist.

“Stevic hatte kein glückliches Händchen”

dieblaue24.de: Der rote Matthäus?
Radenkovic: Ja, er wäre für mich der perfekte 1860-Trainer. Leider haben es die Verantwortlichen bislang nie geschafft, sich mit dem Namen Matthäus ernsthaft auseinander zu setzen. Matthäus wäre ein Türöffner für die Löwen - das sollte man in der Situation, in der 1860 steckt, nicht unterschätzen.

“Mätthäus wäre ein Türöffner für 1860”
dieblaue24.de: Präsident Schneider ist aber sehr zufrieden mit der Arbeit des aktuellen Trainers Reiner Maurer…

Radenkovic: Soll ich mich jetzt über Platz neun in der Zweiten Liga freuen? Maurer ist ein solider Trainer, aber ein Nobody. Und von dieser Kategorie hatten wir zuviele hier seit Werner Lorant. Am schlimmsten war aber der Schachner. Der hat nur in der Vergangenheit gelebt. Das war eine Katastrophe.

dieblaue24.de: Sie sieht man immer weniger in der Allianz Arena: Gibt es dafür Gründe?
Radenkovic: Mein Lebensmittelpunkt liegt inzwischen in Belgrad, ich bin nur noch selten in München - aber wenn es geht, dann lege ich meine Termine in München nach dem 1860-Spielplan. Aber zuletzt war ich auch gehandicapt: Ich hatte brutale Ischias-Beschwerden, hatte Angst, dass ich eine künstliche Hüfte brauche. Das ist aber jetzt zum Glück vom Tisch.

dieblaue24.de: Haben Sie den Tod Ihrer Frau inzwischen vollends überwunden?
Radenkovic: Wie heißt es: Die Zeit heilt Wunden. Ich war mit Olga 54 Jahre verheiratet. Aber meine neue Lebensgefährtin Slobodanka hat mir mir geholfen, diesen Schicksalsschlag einigermaßen zu überwinden.