VON OLIVER GRISS

Es gehört schon eine gewisse Portion Frechheit dazu, die Dauerkartenpreise zu erhöhen, ohne den Fans eine echte Perspektive aufzuzeigen: Der TSV 1860 hatte am Mittwoch bekanntgegeben, dass die Preise für das ruinöse Grünwalder Stadion ohne den MVV-Service teurer werden (bis zu 15 Prozent), aber gleichzeitig versäumt, den Anhängern die neue Saison irgendwie schmackhaft zu machen. Eine Aufbruchstimmung zu erzeugen, geht definitiv anders. Die beiden Leistungsträger Yannick Deichmann und Marius Wörl haben für die kommende Saison immer noch keine neuen Verträge bei 1860. Die Wahrscheinlichkeit wächst, dass man beide nicht halten kann. Und Neuzugänge? Nicht in Sicht!

Natürlich ist Treue, Identifikation und Loyalität wichtig, wie vom Klub kommuniziert, doch dass es dem Fan immer nur an den Geldbeutel geht und im Gegenzug rein gar nichts passiert, ist ihm nicht mehr zuzumuten. 1860 ist schon lange kein Premiumprodukt mehr (um solche Preise zu verlangen), zumindest hat man an der Grünwalder Straße 114 nicht das Gefühl, dass mit aller Ernsthaftigkeit versucht wird, sich besser aufzustellen.

Werden Sie die Ticketpreis-Erhöhung bei 1860 mitmachen?

Umfrage endete am 31.05.2023 08:00 Uhr
Nein!
50% (2285)
Ja!
26% (1200)
Ich warte ab, wie der Kader in der neuen Saison aussieht.
24% (1099)

Teilnehmer: 4584

Was auch immer wieder viel zu kurz kommt: Dass die Eintrittspreise für das Grünwalder Stadion weiter steigen, hat natürlich auch etwas mit der Inflation zu tun, aber viel mehr mit der Engstirnigkeit der Funktionäre: Sie waren es, die den TSV 1860 im Sommer 2017 in eine sportliche und wirtschaftliche Sackgasse geführt haben und dabei übersahen, dass dieser Weg zu einer beispiellosen Verzwergung der Löwen führen wird. Stichwort Weitblick. Deswegen ist es auch unfair, den schwarzen Peter immer auf die Stadt München zu schieben. Im Grünwalder Stadion sind die Voraussetzungen für höhere Ziele einfach nicht gegeben - und das wussten diejenigen, die sich mit 1860 eingehend beschäftigen: Geringe Platzkapazität, fehlende Logen, Vermarktung und so weiter. Die Ideologie, ein Stadion höher als den sportlichen Erfolg zu stellen, war ein klassisches Eigentor. Mit den weiteren Preiserhöhungen will man nun erwirken, dass das Minus in der Bilanz geringer ausfällt. Das Grünwalder ist für alle ein teures Vergnügen.

Anfangs wurde das Giesinger Comeback mit viel Applaus und Unterstützung der Mainstream-Medien mit der Headline “Rückkehr zu den Wurzeln” gefeiert, ohne aber zu wissen, dass 1860 eines Tages die Vergangenheit einholen wird. Nach sechs Jahren Stillstand ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, in dem die große Ernüchterung eintritt. Die Fans lassen nicht mehr alles mit sich machen, sie hinterfragen die Situation mehr denn je. Und das ist gut so. Es ist kein Zufall, dass es langjährige Sponsoren bei 1860 gibt, die momentan nicht bereit sind, unter diesen Umständen ihre Verträge zu verlängern. Auch sie wollen ein positive Weichenstellung sehen.

Die Löwen, insbesondere Präsident Robert Reisinger und Finanz-Geschäftsführer Marc Pfeifer, sind in der Pflicht, den Mitgliedern und Fans die Wahrheit zu sagen und die Fakten zu nennen. Die treuen Anhänger sind das wichtigste Kapital des TSV. Sie haben Ehrlichkeit und vor allem Respekt verdient.

In Bayern gilt ein altes Sprichwort: “Ohne Geld koa Musi.” Oder anders gesagt: Ohne Plan und Geld kein Erfolg. Klingt hart, ist aber so.

Oliver Griss (51) berichtet seit 1989 über die Löwen. Er war beim steilen Aufstieg von der Bayernliga bis in die Champions League-Qualifikation dabei.