VON OLIVER GRISS UND CATHRIN MÜLLER (MIS)

Als das Spiel in seine Schlußphase ging, wartete 1860-Boss Robert Reisinger (59) bereits mit Aufsichtsrat Sebastian Seeböck und Geschäftsführer Marc Pfeifer an der Seitenlinie. Nachdem die Partie in Halle nach 97 Minuten mit einem 0:0 endete, rief ein besorgter Fan von der Haupttribüne Richtung Reisinger runter: “Reisinger, treten Sie zurück!” Reisinger stoppte - und ging dann ein paar Schritte zurück…

Dabei ist der Spaß längst vorbei bei den Löwen, die auf allen Ebenen ein erbärmliches und bemitleidenswertes Bild abgeben. Doch allen scheint das noch nicht klar zu sein, in welcher verzwickten Lage sich der TSV 1860 befindet. Ausgelöst durch die nicht abgestimmte Beurlaubung von Trainer Michael Köllner, mit der man Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik brüskiert hat. Seitdem herrscht hinter den Kulissen ein trauriges Schauspiel. Innerhalb weniger Tage hat der TSV 1860 sein Saisonziel Aufstieg selbst kaputt gemacht. Das muss man auch erst einmal schaffen, den für Drittliga-Verhältnisse stolzen 6,3 Millionen-Euro-Etat so zu verheizen. 25 Tage nach dem Köllner-Aus steht der Löwe weiter ohne Nachfolger da. Mit Professionalität hat das nichts mehr zu tun. Es ist erstaunlich, dass die Sponsoren, die so viel Geld in das Projekt stecken, so ruhig bleiben.

Ist die Löwen-Führung amateurhaft?

Umfrage endete am 09.03.2023 09:00 Uhr
Ja!
92% (13907)
Nein!
8% (1178)

Teilnehmer: 15085

Zurück zu Reisinger: Nach dem Schlusspfiff stapfte er mit Seeböck Richtung Gästeblock - aus welchen Gründen auch immer. Die Ultras sangen dann lauthals: “Power muss weg!” Der Investoren-Vertreter wird von einem Teil der Fans zum neuen Feindbild aufgebaut. Inzwischen haben sie ihm auch eine eigene Fahne mit Konterfei gewidmet. Dabei spielt Anthony Power gar nicht mit. Er vertritt nur die Interessen von Ismaik in München - und das ist angesichts der gravierenden Fehler im Klub auch notwendig, schließlich geht es auch um das 80-Millionen-Euro Investment des Jordaniers. Dass der Mutterverein, also der e.V., diese verfahrene Situation mit zu verantworten hat, wird freilich vom lauten Teil der Löwen völlig ausgeblendet. Fünfeinhalb Jahre hat Ismaik nur beobachtet und die finanzielle Sicherheit gewährleistet.

Von den Ultras erfährt Reisinger weiterhin volle Rückendeckung - weil er sich als einer von ihnen gibt? Der Unternehmensberater verfolgte große Teile des Spiels im Fanblock. Und zu den Pyro-Chaoten gab es seit langer Zeit keine offizielle Reisinger-Stellungnahme.

Was auch interessant ist: Die Fanclubs durften in der Kurve ihre Fahnen nicht aufhängen - das Credo der Ultras, die dem Verein mit ihrer Pyro-Show wieder einen großen finanziellen Schaden zugefügt haben: Den kompletten Zaun brauchen wir für das Plakat “Power muss weg”. Kranke Löwen-Welt.