VON MARCO BLANCO UCLES UND LAKOPRESS (IMAGO)

Knallharter Abstiegskampf, S-Bahn-Derby gegen die SpVgg Unterhaching sowie das Wiedersehen mit Löwen-Legende Daniel Bierofka…

Es steht einiges auf dem Spiel, wenn die U17 des TSV 1860 in der B-Jugend-Bundesliga am Sonntag (15.30 Uhr) vor den Toren Münchens auf die von Bierofka trainierten Hachinger trifft. Tabellarisch trifft der Neunte Unterhaching auf die zwölftplatzierten Löwen, die derzeit den ersten Abstiegsplatz belegen. Mit einem Sieg würde Sechzig (ein Spiel weniger auf dem Konto als die SpVgg) punktemäßig gleichziehen mit den Biero-Jungs.

1860-Coach Felix Hirschnagl wird mit seinem Team wie vergangene Saison bis zum Ende um den Verbleib in der höchsten Spielklasse dieser Altersklasse kämpfen. In der letzten Spielzeit feierte der 38-Jährige mit den Jung-Löwen mit einem 4:1-Triumph am letzten Spieltag in Darmstadt den Klassenerhalt. Im großen db24-Interview spricht Hirschnagl über das wichtige Derby am Wochenende, die Missstände im Ligensystem der B-Junioren-Bundesliga sowie seinen Traum vom Profifußball und die Hürden, die es auf dem Weg dorthin zu überwinden gilt.

db24: Derby gegen Unterhaching. Was erwartet Ihre Mannschaft dort? Es liegt ja eine gewisse Brisanz in der Luft…

FELIX HIRSCHNAGL: Ja klar, es ist ein Derby. Viele der Jungs kennen sich untereinander, gehen gemeinsam zur Schule. Das Spiel hat einen hohen Stellenwert für die Spieler. Auch die Tabellensituation birgt natürlich eine gewisse Brisanz. Wir stehen momentan auf dem Abstiegsplatz, liegen drei Punkte hinter Unterhaching. Mit einem Sieg holen wir Haching zurück in den Abstiegskampf.

db24: Viele Spiele haben die Löwen ohnehin nicht mehr Zeit, um die Abstiegsregion zu verlassen…

Genau, mit dem Derby sind es noch fünf Partien. Aus der letzten Saison wissen wir, dass es von Vorteil ist, wenn möglichst viele Mannschaften bis zum Schluss im Abstiegskampf dabei sind (Sechzig feierte am letzten Spieltag in Darmstadt den Klassenerhalt; d. Red.). Wir möchten den Abstand nach oben verkürzen, damit wir in den drei Spielen Ende Februar/Anfang März noch Aktien drinhaben.

db24: Ihr Team spielt in dieser Saison eine Einfachrunde mit 17 Teams in der Bundesliga. Vor der Winterpause gibt es 13 Spiele, danach nur noch drei. Sechs (!) Teams steigen ab. Was halten Sie von diesem System?

Damit wurde sowohl den Spielern als auch den Trainern in allen Nachwuchsleistungszentren kein Gefallen getan. Die 13 Spiele vor der Winterpause wurden auch immer wieder unterbrochen durch Länderspielpausen. Ich mag es zwar, dass die Top-Talente ihre ersten Erfahrungen in den U-Nationalmannschaften machen dürfen, aber wir hatten beispielsweise vor dem Derby gegen Bayern (0:1) Anfang November vier Wochen lang kein Punktspiel. Drei Wochen lang war Länderspielpause, dann hatten wir spielfrei. Da hatten wir Lospech, da die Liga ungerade ist. Und dann musst du von 0 auf 100 da sein im Derby, das finde ich schwierig.

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db24: Der Druck wird durch die zahlreichen Absteiger ja auch nicht gerade kleiner…

Wir befinden uns in der U17 in einem Alter, in dem wir ausbilden sollten. Das ist schwierig, denn du kämpfst einfach nur ums Überleben. Für eine gute Ausbildung junger Talente ist dieses System einfach nicht mehr zeitgemäß!

db24: Wie versuchen Sie als Trainer den Jungs in der Vorbereitung auf so ein wichtiges Spiel wie in Unterhaching den Druck zu nehmen?

Den meisten Druck machen sich die Jungs selbst. Deswegen baue ich da sicherlich nicht zusätzlich Spannung in diese Richtung auf. Ich bringe Feuer ins Training rein, pushe die Jungs. Die Spieler sind da ohnehin unterschiedlich: Der eine braucht einen Tritt in den Hintern, der andere eine Streicheleinheit. Man merkt den Jungs schon an, dass die entscheidende Phase der Saison angebrochen ist.

db24: Was für ein Derby erwarten Sie unter diesen Voraussetzungen am Sonntag?

Ich denke nicht, dass es ein unfassbar schönes Fußballspiel wird, sondern ein Kampf auf dem Kunstrasen in Unterhaching. Leider nicht im Sportpark, das wird der Platz wohl nicht packen, da auch die U19 sowie die Profis noch dort spielen. Schade, ich hätte es den Jungs gegönnt.

db24: Ihr Pendant auf Unterhachinger Seite am Sonntag ist ja kein ganz unbekannter Name an der Grünwalder Straße 114, Daniel Bierofka. Sind Sie sich zuvor schon begegnet?

Ich habe ja 2019 bei den Löwen begonnen, ihn dadurch am Gelände bereits kurz kennenlernen dürfen, da gab es noch eine kleine Überschneidung. Das erste Mal wirklich ausgetauscht haben wir uns dieses Jahr am Rande eines Testspiels unserer Teams (2:2). Wir haben uns letztens wieder getroffen, über die Themen Ligasystem und Ausbildung gesprochen. Ich glaube, er teilt da meine Meinung. Dass er im Löwenfanlager immer noch so hoch angesehen ist und auch ein Stück weit ein Vorbild ist, macht das ganze am Wochenende natürlich noch einmal ein Stück spannender. Nicht unbedingt für die Jungs, sondern eher für mich, eine interessante Begegnung. Vielleicht lässt sich ja auch der ein oder andere Fan nach Unterhaching rüberziehen am Sonntag.

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db24: Sie sind seit unzähligen Jahren im Nachwuchsfußball tätig. Was reizt Sie besonders an der Arbeit mit den Talenten?

Ich bin seit 2007 Trainer und habe in dieser Zeit viel machen dürfen. Von den Bambinis über sämtliche Jugendmannschaften im Amateursport über ein Herrenteam in der Bezirksliga bis hin zu meinen Tätigkeiten in den NLZ´s von Augsburg und 1860. Mit der Leistungsspitze in den jeweiligen Altersklassen zu arbeiten, macht mir am meisten Freude. Da musst du keinen motivieren, zum Training zu kommen, die Jungs haben alle einen enormen Willen, wollen Profi werden beziehungsweise in den nächsten Jahrgang rutschen.

db24: Auch die Entwicklung von Shootingstar Leandro Morgalla, der inzwischen bei den Profis nicht mehr wegzudenken ist, haben Sie miterlebt, auch wenn er nicht bei Ihnen im Team gespielt hat. Wie sehen Sie seinen Aufstieg und was bedeutet das für die jungen Talente bei 1860?

Sein Potenzial ist enorm. Er ist ehrgeizig, demütig, arbeitet hart an sich. Das Schöne ist, dass mit ihm und Marius Wörl zwei Jungs bei den Profis spielen, die aus dem NLZ kommen. Das ist eine Wertschätzung für unsere Arbeit und ein geiles Zeichen für die Jungs, dass hier die Chance besteht, den Durchbruch zu schaffen. Darüber unterhalten sich die Spieler auch, das bekomme ich mit. Für den ein oder anderen ist das natürlich auch ein Anreiz, einem Angebot von einem vielleicht noch größeren Club, dessen Herrenmannschaft in einer höheren Liga spielt oder finanzstärker im Jugendbereich ist, zu widerstehen und den nächsten Karriereschritt stattdessen hier zu gehen.

db24: Sie haben angefangen bei der Münchner Fußball Schule, die sehr viel Wert auf die technische Ausbildung der Spieler sowie den Spaß am Fußball legt. Wie passt das mit dem Leistungsdruck in den Nachwuchsleistungszentren zusammen?

Mein Ziel ist es, beides zu verbinden. Mir ist aufgefallen, dass durch diese besondere Konstellation durch Corona - viele Teams, Einfachrunde, ungefähr ein Drittel der Mannschaften steigen ab - in der U17-Bundesliga fußballerisch schon viel auf der Strecke geblieben ist. Natürlich haben auch wir taktische Themen, Vor- und Nachbereitung der Partien werden dadurch, dass du auf verschiedenen Tools Zugang zu den Spielen der Gegner hast, immer größere Themen. Das ist auch spannend, denn im Profibereich ist es ohnehin so. Dennoch ist mir der Ansatz manchmal zu taktisch. Ich will, dass die Jungs technisch und athletisch einfach gut ausgebildet werden. Durch den eng getakteten Liga-Rythmus ist leider häufig sehr viel taktisch geprägt, andere Dinge bleiben auf der Strecke. In der Länderspielpause zum Beispiel konnten wir mehr in Kleingruppen individuell arbeiten, da hat man direkt einen Fortschritt sehen können in den Wochen danach.

db24: Sie sind 2014 zum FC Augsburg gegangen, 2019 folgte der Wechsel zu den Löwen. Wie kam der Kontakt zu 1860 zustande und worin unterscheiden sich die Sechzger im Gegensatz zu den anderen Vereinen in der Nachwuchsarbeit?

Mittlerweile wird in allen Nachwuchsleistungszentren hochprofesionelle Arbeit geleistet. Ein Trainer in der U17- oder U19-Bundesliga hat mittlerweile einen ähnlichen Aufwand wie ein Profitrainer. Du hast bereits ähnliche Aufgabenbereiche, fünf oder sechs Einheiten die Woche. Das ist bei Augsburg so, bei 1860 genauso. Ich wollte die nächsten Schritte machen damals und hatte Kontakt zu Dominik Strauch, der den Aufbaubereich als Koordinator bei uns leitet. Wir haben uns gut verstanden und bei Sechzig konnte ich den nächsten Schritt machen, der in Augsburg in der Form für mich nicht möglich war.