db24: In Deutschland wird häufig beklagt, dass die so genannten Straßenfußballer aussterben, wenn man vielleicht mal von Jamal Musiala absieht. Wie sehen Sie das?

Zu Musiala: Er wurde meiner Meinung nach nicht in Deutschland ausgebildet (wechselte 2019 als 16-Jähriger vom FC Chelsea zum FC Bayern; d. Red.). Er hat aus England andere Inhalte mitbekommen. In einem Interview erklärte er zuletzt, dass in England viel individueller gearbeitet wird und er selbst das Motto mitbekommen hat, “mit Freiheit zu spielen”. Ich war bereits paar Mal mit meinen Teams in England und Portugal, habe mich mit den Trainern von dort ausgetauscht. Da gibt es nicht dieses knallharte System mit Auf- und Absteigern. Die spielen dort viele Turniere. Klar gibt es Meisterschaften, aber ohne Absteiger meistens. Wenn du mal ein Spiel verlierst, aber die Jungs inhaltlich vorankommen, ist das okay. Wenn man sich bei der WM einmal anschaut, wieviele gute Außenstürmer England und Frankreich mittlerweile herausbringen und das mit der deutschen Mannschaft vergleicht, dann ist das ein klares Zeichen. Bei meinen Reisen waren die englischen Teams vielleicht mannschaftstaktisch nicht immer so auf demselben Niveau, aber die hatten individuell immer unfassbare Spieler dabei. Die können dribbeln und das Eins-gegen-eins lösen, davon können wir uns definitiv eine Scheibe von abschneiden. Auch die Trainer können dort besser und ruhiger arbeiten…

db24: Inwiefern?

Ein Trainer will ja immer weiterkommen. Hier ist es im Gegensatz zu England schwierig, Vollzeit als Coach zu arbeiten. Ich kenne viele Trainer, die haben zwei Jobs. Wenn du aber eine Mannschaft wirklich ernsthaft voranbringen willst, ist das ein 24/7-Job. Ich bin beispielsweise in meiner achten NLZ-Saison. Bis zur letzten Saison hatte ich keine Festanstellung. Ich musste auf mehreren Hochzeiten tanzen, um mir die Arbeit im NLZ zu ermöglichen. In beiden Jobs 100 Prozent zu bringen, ist nunmal schwierig. Dadurch bleiben viele talentierte Trainer auch auf der Strecke. Ich bin aber der Meinung: Wir brauchen auch im unteren Bereich die besten Trainer. Da fehlt mir manchmal die Wertschätzung für den Unterbau. Hier sollten die NLZ´s richtig investieren. Die Basics - von denen immer gesprochen wird - lernt man in den jungen Jahren.

db24: Sie sind jetzt 38 Jahre alt. Wie sehen Ihre persönlichen Ziele für die Zukunft aus, wo soll die Reise noch hingehen?

Was ich als Trainer noch nicht machen durfte, ist die U19 in einem NLZ sowie im Profibereich zu arbeiten. Ich würde diese Erfahrungen einfach gerne noch sammeln. Wenn danach klar ist, dass ich im Jugenbereich am besten aufgehoben bin, ist das für mich kein Problem, aber ich möchte es auf alle Fälle noch ausprobieren. Ich weiß, dass man dafür auch Glück braucht. Und natürlich den Fußball-Lehrer, den ich noch anstrebe (Hirschnagl besitzt die UEFA-A-Lizenz; d. Red.). Wenn ich den habe, weiß ich, dass ich die maximale Qualifikation besitze.

db24: Die Zulassung dafür ist alles andere als einfach…

Ja, das stimmt. Die Bedingungen wurden zudem nochmals erschwert. Man braucht entweder eine Co-Trainer-Stelle bei den Profis oder man muss Cheftrainer in der U19 beziehungsweise U21/23 gewesen sein - und das über drei Jahre. Bis vor einem Jahr hat die U17-Bundesliga noch dazugezählt, das ist jetzt leider nichtmehr so. Leider wurden mir da Steine in den Weg gelegt, die ich jetzt erst einmal aus dem Weg räumen muss.

db24: Generell gibt es verschiede Arten von Trainern: Diejenigen, die sich über den Breitensport hochgearbeitet haben so wie Sie. Auf der anderen Seite stehen Ex-Profis, die natürlich Erfahrungen auf höchstem Niveau als Spieler gesammelt haben. Wer ist denn jetzt aus Ihrer Sicht besser dafür geeignet, eine Mannschaft zu trainieren?

Ein besserer Trainer ist weder der Ex-Profi noch ich. Als Trainer musst du heutzutage so viele Aufgaben, pädagogischer und psycholgischer Natur, erfüllen. Deswegen bin ich froh, so viele Erfahrungen im Jugendbereich gemacht zu haben. Das Entscheidende ist: Wie gehst du mit den Menschen um? Ein Ex-Profi kann zum Beispiel unheimlich viele Erfahrungen weitergeben, die ich als Spieler nie sammeln konnte. Aber am Ende musst du die Inhalte vor einer Mannschaft rüberbringen. Und da ist es egal, ob du Ex-Profi bist oder wie ich gelernter Bankkaufmann (lacht).