VON MARCO BLANCO UCLES

Das Lächeln ist Michael Köllner aus dem Gesicht gewichen. Wer den Löwen-Coach in dieser Woche nach der Ingolstadt-Niederlage beobachtet hat, der merkt: Der 52-Jährige ist bissig und trotzdem voll fokussiert. Und man sieht zudem: Die Geschehnisse der letzten Wochen sind nicht spurlos an Köllner vorbei gegangen. Obwohl er immer wieder mit großen Personalsorgen zu kämpfen hat, steht seine neu zusammengestellte Mannschaft auf Platz 2 der Dritten Liga - und damit voll im Soll. Und trotzdem muss sich Köllner in den Internetforen teilweise harsche Kritik gefallen lassen.

Zugegeben: Nachdem die Löwen im Sommer noch einen Rekord nach dem anderen neu aufstellten und Köllner der gefeierte Mann war, ist die sportliche Entwicklung zuletzt ins Stocken geraten. Die Bilanz: Nur ein Sieg in den letzten fünf Pflichtspielen, darunter auch das peinliche 0:1 im Toto-Pokal in Illertissen. Der köllnerische Spektakel-Fußball macht eine Pause.

Das Problem: Bei der 1:2-Pleite gegen Ingolstadt fehlten Köllner seine drei Kapitäne Stefan Lex, Phillipp Steinhart und Quirin Moll. Dazu seit Wochen Torschützenkönig Marcel Bär. Leandro Morgalla, eines der größten Abwehrtalente im deutschen Fußball, tauchte gegen Ingolstadt zwar schon wieder im Kader auf, aber der 18-Jährige war nach db24-Informationen noch nicht bereit für das oberbayerische Derby. Deswegen kann man Köllner nicht vorwerfen, warum er Morgalla nicht eingewechselt hat. Zudem hätte Schiedsrichter Brand zwei FCI-Akteuren des Feldes verweisen müssen. Mit Elf gegen Neun wäre für die an diesem Tag sicherlich nicht gut aufgelegte Löwen-Mannschaft mit großer Wahrscheinlichkeit trotzdem zumindest ein Punkt möglich gewesen. Köllner suchte auch am Donnerstag in der Pressekonferenz keine Ausreden - und das ist ihm hoch anzurechnen. Die Ausfallliste verdeutlicht aber, mit welchen Problemen die Löwen gerade zu kämpfen haben. Der Kader ist zwar breiter als in den Vorjahren, doch die Qualität, die Köllner ersetzen muss, ist nur schwer aufzufangen. Im Sommer wollte der Trainer noch einen Achter - hat ihn aber nicht bekommen, weil der ausgemusterte Kevin Goden nicht verkauft werden konnte? Das kann man Köllner nicht anlasten.

Ebenfalls ein beliebter Vorwurf: Der Löwe konnte bisher nur gegen Kellerkinder überzeugen. Zur Erinnerung: 1860 besiegte mit Dynamo Dresden (4:3) und Erzgebirge Aue (3:1) zwei von drei Zweitliga-Absteigern, Sechzig überrannte furios aufspielende Duisburger. Köllner feierte mit seinem Team gegen Verl einen enorm wichtigen Auswärtssieg. Wieviel anderen Teams es in dieser Saison gelang, beim Sportclub zu siegen? Es waren genau null!

“Keiner ist davon ausgegangen, dass wir bis zur Winterpause mit 20 Punkten Vorsprung davonmarschieren”, sagte Keeper Marco Hiller jüngst nach der Ingolstadt-Niederlage. Liest man sich durch die Kommentarspalten der Fan-Foren, kann man diese Aussage nur bedingt bekräftigen. Anspruch und Wirklichkeit klaffen beim ein oder anderen Löwenfan nach dem traumhaften Saisonstart offenbar weit auseinander. Man könnte es natürlich auch ganz anders betrachten: Der fünftwertvollste Kader der Liga steht trotz massiver Verletzungsprobleme nach elf Spieltagen auf einem direkten Aufstiegsplatz. Nur als Vorschlag. Nicht umsonst sagte Köllner am Donnerstag: “Manchmal habe ich das Gefühl, wir sind Tabbellenzwölfter und fahren zum Zweiten, nicht andersherum.”

Köllner ist ein intelligenter Mann. Er weiß, dass er als Fußballtrainer im Profi-Business schlussendlich an Ergebnissen - die er bislang liefert - bewertet wird. Er weiß auch, dass Aussagen wie die von Präsident Robert Reisinger (“Ich gehe davon aus, dass wir bis zur Winterpause in 14 von 17 Spielen punkten”) nur bedingt Sinn machen. Hätte der Löwe nämlich in den Spielen gegen Elversberg und Ingolstadt einen Zähler geholt, dafür aber die knappen Partien gegen Dresden, Oldenburg und Verl ebenfalls Remis gespielt, würde zwar Reisingers Prognose aufgehen, mehr Punkte hätte der Löwe dennoch nicht - im Gegenteil. Zum Verständnis: Wir alle wünschen uns dominante Löwen, am liebsten über 38 Spieltage - doch die Dritte Liga ist nicht nur sehr ausgeglichen, sondern auch äußerst tückisch. Selbst die Aufstiegshelden von Meppen sind 1994 nicht durch die Zweite Liga spaziert - frag nach bei Thomas Miller, Bernhard Winkler & Co.

Natürlich, die spielerischen Darbietungen der letzten Wochen waren sicherlich nicht berauschend, keine Frage. Und das auf den Löwen bis zur Winterpause knackige Aufgaben - unter anderem Osnabrück, Wiesbaden oder Saarbrücken - warten, bestreitet auch niemand. Dennoch ist der Löwe mittendrin statt nur dabei im Kampf um den Aufstieg. Ein klarer Unterschied zu den letzten Jahren, als man zumeist im Herbst der Musik deutlich hinterherlief und diesen Rückstand nich tmehr aufholen konnte. Bei aller Kritik sollte man beachten: Sechzig steht gut da und kann sich in den kommenden Wochen in eine exzellente Ausgangsposition für die XXL-Winterpause bringen.

Köllner muss mit seinem Team beweisen, dass die Löwen zurecht auf einem direkten Aufstiegsplatz stehen. Der Trainer muss die Köpfe seiner Spieler freibekommen, dafür sorgen, dass die Löwen sich das in der Dritten Liga auch mal notwendige Spielglück - Tore zu den richtigen Zeitpunkten, mehr Glück mit den Schiedsrichtern als zuletzt - wieder erarbeiten. Der Trainer hat die hohe Erwartungshaltung in den ersten Saisonspielen geschürt und kämpft nun damit, dass die Messlatte beim eigenen Anhang extrem hoch hängt. Beweisen die Löwen in den nächsten Wochen ihre große Mentalität wieder regelmäßig, werden die kritischen Stimmen wieder leiser - und das Lachen des Michael Köllner, das Sechzig auch über die Stadtgrenzen hinaus große Symphatien eingebracht hat in den letzten Jahren, kehrt wieder zurück - es wäre ein Segen für die Löwen.