VON OLIVER GRISS UND ULI WAGNER (FOTO)

Bundesliga-Schiedsrichter Benjamin Brand verpfiff das verlorene Derby gegen Ingolstadt (1:2) völlig - übersah zwei entscheidende Aktionen beziehungsweise bewertete diese falsch. Zum Nachteil von 1860, das in der Tabelle der “unberechtigten Entscheidungen” auf Platz 2 springt. Der ehemalige Fifa-Schiedsrichter Babak Rafati hat in seiner Analyse für das Online-Portal “liga3-online.de” Verständnis für den Löwen-Frust. Seine Analyse:

Fall 1: An der Seitenlinie tritt Ingolstadts David Kopacz (Ingolstadt) seinen Gegenspieler Fabian Greilinger ohne Chance auf den Ball in die Wade und riskiert eine Verletzung. Schiedsrichter Brand belässt es bei Gelb. Rafati dazu: “An der Seitenlinie kommt es zu einem Zweikampf zwischen Kopacz und Greilinger. Dabei blockt Greilinger den Ball, um diesen ins Seitenaus rollen zu lassen. Hinter ihm kommt Kopacz angelaufen und will den Ball vor der Überquerung der Seitenlinie spielen, trifft dabei aber Greilinger in die Wade. Das ist ein Foulspiel. Der Einsatz ist rücksichtslos, aber nicht gesundheitsgefährdend oder brutal, sodass die gelbe Karte die richtige Entscheidung ist. Wäre der Tritt mit gestrecktem Bein und offener Sohle voraus erfolgt, wären das Trefferbild und die Intensität des Tritts schwerwiegender, und somit wäre schlussendlich eine rote Karte unumgänglich.”

Fall 2: Der bereits gelb-verwarnte Kopacz steigt hart in einen Zweikampf mit Greilinger ein und trifft ihn am Knöchel, kommt aber mit einer Ermahnung davon. Danach wechselt ihn Ingolstadt sofort aus.
Rafati: “Kopacz verschätzt sich ein wenig und springt dann mit dem langen Bein zum Ball, trifft aber nur Greilinger in die Beine und bringt ihn zu Fall. Das ist ein rücksichtsloser Einsatz, der zudem unkontrolliert ist, sodass eine gelbe Karte vorgeschrieben ist. Somit hätte es die gelb-rote Karte gegen den gelb-verwarnten Kopacz geben müssen. Eine Fehlentscheidung, diese nicht zu zeigen.”

Fall 3: Nach einem langen Ball geht der bereits gelb-verwarnte Ingolstädter Moussa Doumbouya mit gestrecktem Bein in Marco Hiller (1860) rein und trifft ihn - wieder nur Gelb! Rafati analysiert die Situation wie folgt: “Nach einem langen Ball in den Strafraum gehen Keeper Hiller und der bereits gelb-verwarnte Doumbouya mit vollem Risiko in den Zweikampf. Dabei ist der Keeper zuerst am Ball und kann das Spielgerät wegfausten. Der Angreifer hingegen kommt etwas zu spät, geht mit gestrecktem Bein rücksichtslos in den Zweikampf und trifft den Keeper, auch wenn nicht voll. Das ist erneut eine gelbe Karte, sodass es in der Folge eine weitere gelb-rote Karte hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, auch in dieser Szene den fehlbaren Spieler nicht des Feldes zu verweisen. Es spricht auch Bände, wenn in beiden Fällen diese Spieler anschließend vom Trainer ausgewechselt werden.”

Rafatis Fazit: “Meist ist es ein sehr schmaler Grat, in solchen Szenen einen Ermessensspielraum in dieser Form in Anspruch zu nehmen, da es einfach nicht angemessen ist, weil die Vergehen hierbei klar und deutlich sind. Diesen sogenannten Ermessensspielraum kann man bei 50:50-Entscheidungen oder wenn Zweifel in den jeweiligen Szenen vorliegen anwenden. Hätte der Schiedsrichter zumindest jeweils auf jeder Seite eine Ampelkarte durchgewunken, wäre das sicherlich insgesamt eher von den Beteiligten akzeptiert worden. Bei aber zweimal gegen dieselbe Mannschaft Gnade vor Recht ergehen zu lassen, muss sich ein Schiedsrichter die Kritik gefallen lassen, denn sie ist dann absolut berechtigt.”