VON MARCO BLANCO UCLES UND IMAGO (FOTOS)

Der Löwe ist seine weiße Weste los, verlor beim bitteren 1:4 in Elversberg erstmals in dieser Drittliga-Saison. Gegen Zweitliga-Absteiger Erzgebirge Aue (heute, 19 Uhr, db24-Ticker) will das Team von Trainer Michael Köllner wieder in die Erfolgsspur zurückkehren. Auf dem Papier ist 1860 gegen das noch sieglose Tabellenschlusslicht der klare Favorit. Doch ist das Sprichwort mit dem angeschlagenen Boxer nur allzu bekannt. Wir haben den kriselnden Traditionsverein aus dem Erzgebirge im Vorfeld genauer unter die Lupe genommen. Die db24-Übersicht:

Stärken: Klingt bei einem sieglosen Tabellenletzten natürlich komisch: Die Defensive der Auer ist nicht leicht zu bespielen und zu knacken. Bis auf das 1:5 gegen Wiesbaden kassierte Aue nur beim 1:2 in Essen mehr als ein Gegentor. Gut möglich also, dass vom Löwen heute viel Geduld gefragt sein wird, um den Auer Abwehrblock zu knacken.

Schwächen: Vier Tore in acht Spielen. Die Offensive der Sachsen präsentierte sich bislang erschreckend harmlos. Erst drei Auer Akteure konnten in dieser Saison ein Tor erzielen - Schreck, Thiel und Stefaniak. Zum Vergleich: Der Löwe kommt bereits auf zehn verschiedene Torschützen. Die Sachsen sind nach dem großen Umbruch im Sommer - 21 Neuzugänge - alles andere als eingespielt. Zudem scheint die große Unruhe im Verein die Mannschaft komplett zu verunsichern.

Personelle Situation: Aue muss heute zwar “nur” auf einen Spieler verzichten - dieser Ausfall wiergt aber umso schwerer. Marvin Stefaniak (27) - mit zwei Treffern bisheriger Top-Torjäger der Sachsen - fällt weiterhin mit einem Muskelfaserriss im Oberschenkel aus und steht nicht im Kader gegen die Löwen. Der Ausfall des dribbel- und schussstarken Mittelfeldspielers spielt den Löwen sicherlich in die Karten.

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Aues Top-Torschütze Marvin Stefaniak (zwei Treffer).

Bisherige Saison: Drei Punkte aus acht Partien - eine echte Horror-Bilanz. Schon am ersten Spieltag setzte es im Breisgau einen erheblichen Dämpfer. Dort war Aue beinahe 90 Minuten in Überzahl, und kam trotz früher Führung dennoch nicht über ein 1:1-Remis hinaus. Auch in den übrigen sieben Spielen konnte der Zweitliga-Absteiger nicht dreifach punkten. Besonders bitter waren neben dem 1:5 gegen Wiesbaden die beiden Derby-Pleiten gegen Dresden und Zwickau (jeweils 0:1). Die Unruhe im Verein wird von Woche zu Woche größer. Zuletzt gab es am Dienstag eine Krisensitzung - das Ergebnis: Es gibt (noch) keine personellen Konsequenzen.

Unruhe im Verein: Im Vergleich zu Erzgebirge Aue herrscht bei den Löwen geradezu himmlische Ruhe. Die Fans der Sachsen präsentierten sich beim Derby gegen Zwickau (0:1) vergangenes Wochenende von ihrer allerschlechtesten Seite. Immer wieder musste die Partie aufgrund von Pyro-Würfen unterbrochen werden. Die negativen Höhepunkte: Die Zwickauer Spieler Lukas Krüger und Johan Gomez wurden von Aue-“Fans” attackiert. Dem Verein droht eine empfindliche Geldstrafe vom DFB. Anfang der Woche forderten 43 Fanklubs in einem gemeinsamen Schreiben den Vorstand zum Rücktritt auf. Am Donnerstag dann folgten 29 Sponsoren, die in einem Brief an den Verein ebenfalls den Rückzug des Vorstands forderten. Noch ist offen, wie Präsident Helge Leonhardt und der restliche Vorstand auf die erneuten Forderungen zum Rücktritt reagieren werden.

Trainer: Als Aufstiegstrainer verließ Timo Rost (44) im Sommer die SpVgg Bayreuth, ging nach Aue und nahm mit Tim Danhof und Ivan Knezevic zusätzlich noch zwei wichtige Säulen des Drittliga-Aufsteigers mit ins Erzgebirge. Ein Wechsel, der in Bayreuth nicht bei allen für Begeisterung sorgte. Den Verlauf der Saison hatte sich Rost sicherlich anders vorgestellt. Anstatt mit Aue im Aufstiegsrennen mitzumischen, steht der Klub sieglos am Tabellenende, knapp hinter Rosts Ex-Verein Bayreuth. Der ehemalige Bundesliga-Spieler - Stuttgart, Nürnberg, Cottbus - steht in Aue bereits wieder vor dem Aus. Verliert Aue am Freitag in München, ist Rost seinen Job los. Ein echtes Endspiel also.

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Vereins-Historie: Zahlreiche Namensänderungen pflastern den Weg des heutigen FC Erzgebirge Aue, dessen Wurzeln im 1908 gegründeten FC Aue liegen. Von 1951 bis 1990 spielte die BSG Wismut Aue in der DDR-Oberliga und gewann dreimal den Meistertitel. Seit 1993 trägt der Klub seinen heutigen Namen - FC Erzgebirge Aue. Seit dem Aufstieg in die Zweite Bundesliga 2003 stiegen die Sachsen dreimal in die Dritte ab, kehrten jedoch nach den ersten beiden Abstiegen schnell wieder ins Fußball-Unterhaus zurück. Ob das in dieser Saison erneut gelingt, darf angesichts des katastrophalen Saisonstarts (siehe oben) stark bezweifelt werden. Die stabilen Leistungen in den vergangenen Jahren - inklusive Stadionneubau - in der Zweiten Liga sind eng mit dem Namen des langjährigen Präsidenten Helge Leonhardt (63) verbunden, der zuletzt allerdings stark in die Kritik geriet.

Ex-Löwen im Kader: Beiden Ex-Löwen im Kader der Veilchen, Ulrich Taffertshofer (30) und Ivan Knezevic (29), blieb in München-Giesing der Durchbruch verwehrt. Der defensive Mittelfeldspieler Taffertshofer wechselte mit 16 Jahren zu den Löwen, blieb drei Jahre, ehe er sich Wacker Burghausen anschloss. Für die Sechzig-Profis kam er nicht zum Einsatz. Zur U19 kam 2010 der technisch versierte Knezevic zu den Löwen. Im Herrenbereich konnte er sich jedoch nur bei der Reserve empfehlen, weswegen 2014 der Wechsel zum 1. FC Nürnberg II folgte. Auch Innenverteidiger Korbinian Burger (27) verbrachte mehrere Jahre in der Jugend der Löwen, ehe er 2015 im Alter von 20 Jahren zur Reserve des FC Bayern wechselte.

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Ex-Löwe Ivan Knezevic.

Größte Vereinslegende: 15 Jahre lang war Holger Erler zwischen 1970 und 1985 das Herz von BSG Wismut Aue. Der technisch versierte Mittelfeldspieler lief er stolze 359-mal für die Veilchen in der DDR-Oberliga auf (78 Tore). Auch nach seiner aktiven Laufbahn blieb Erler seinem Verein erhalten, trainierte mehrere Jahre lang Junioren-Teams und war Co-Trainer der ersten Mannschaft. Da es in der DDR üblich war, dass Spieler aus BSG-Mannschaft nicht für die Nationalmannschaft auflaufen durften, blieb Erler eine große Länderspielkarriere verwehrt.

Direkter Vergleich: Es ist das 21. Duell der beiden Vereine. Im direkten Vergleich hat der Löwe ganz knapp die Nase vorne. Siebenmal ging 1860 bislang als Sieger vom Platz, sechsmal Aue, sieben Unentschieden gab es zudem. Das Torverhältnis spircht mit 33:25 ebenfalls für Sechzig. Es ist das erste Drittliga-Duell beider Klubs - zuvor gab es diese Partie ausschließlich in der Zweiten Liga.

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Aue-Legende Holger Erler.

Social-Media-Vergleich: Das Interesse am Zweitliga-Absteiger auf Instagram ist groß - 43.000 Follower. Der Löwe polarisiert dann aber doch nochmal deutlich mehr - knackte in dieser Woche die Marke von 110.000 Followern.

Mitglieder: Vor wenigen Wochen hat der Löwe die 24.000-Marke bei den Mitgliedern geknackt. Aue kommt da nicht dran, auch wenn 9.370 Mitglieder für die Dritte Liga durchaus vorzeigbar sind.

Marktwert: Geld schießt nicht zwingend Tore, wie das Beispiel Erzgebirge Aue zeigt. Mit dem fünfthöchsten Etat der Liga stehen die Sachsen auf dem letzten Tabellenplatz. 7,13 Millionen Euro ist das Auer Aufgebot insgesamt wert. Der Löwe kommt da mit 6,65 Millionen Euro nicht ganz dran. Gut möglich aber, dass sich das Kräfteverhältnis bei der nächsten Marktwert-Anpassung zugunsten der Sechzger verschiebt. Wertvollster Spieler bei den Veilchen ist Angreifer Antonio Jonjic - 500.000 Euro. Bei den Löwen sind Martin Kobylanski und Marcel Bär mit jeweils 400.000 Euro die wertvollsten Akteure.

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Wertvollster Aue-Spieler: Antonio Jonjic.

So könnte Aue heute spielen: Klewin - Barylla, Sorge, Nkansah, Rosenlöcher, Schreck, Sijaric, Thiel, Taffertshofer, Nazarov, Tashchy.