VON OLIVER GRISS UND DENNIS HETZSCHOLD (IMAGO)

Nein, Marc Pfeifer (41) ist in seiner Rolle wahrlich nicht zu beneiden. Am Sonntag - am Tag nach dem furiosen 4:3 in Dresden - war der Geschäftsführer am Trainingsgelände. Ein älteres Pärchen, das den Löwen bis zum Zwangsabstieg 2017 immer hinterher gereist, aber seitdem nie wieder bei 1860 war, schüttete dem Schwaben sein Herz aus. Ein Thema war auch, dass sich 1860 mit der Rückkehr ins viel zu kleine Grünwalder Stadion selbst limitiert. Pfeifer nahm sich rund 20 Minuten Zeit. Hinterher sagte er zu den Beiden: “Hoffentlich sehen wir uns bald wieder bei den Löwen.”

Was viele Löwen-Fans nicht mitbekommen: Pfeifer muss außerhalb seines Hauptaufgabengebiets, den Finanzen, immer wieder Überzeugungsarbeit leisten - bei Enttäuschten, Brüskierten und Verflossenen. Immer wieder spielt Pfeifer den Feuerwehrmann - Arbeit, die viel Kraft und Ausdauer kostet.

Seit Samstag hat Pfeifer weitere neue Themenfelder hinzubekommen. Natürlich ist ihm auch nicht verborgen geblieben, was sich am Rande des Startsieges in Dresden abgespielt hat - und was vor dem TV-Gerät den 822.000 Menschen immer wieder ins Auge gestochen ist: Bei jedem Löwen-Tor wurde die Fankurve eingeblendet - und dabei wurde immer eine XXL-Fahne mit dem durchgestrichenen Ismaik-Konterfei geschwenkt. Die “Süddeutsche Zeitung” - und auch die “BILD” haben dies in ihren Montags-Ausgaben berücksichtigt.

Die Provokationen im eigenen Lager gegen Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik lassen nicht nach. Dazu gab’s wieder Pyrotechnik im Gästeblock, was wieder kostet - und Beleidigungen gegen Verband (“Fick Dich DFB!”) und ostdeutsche Mitbürger. Ein paar wenige Chaoten machen das Gesamtbild der starken Fanszene kaputt. Nach db24-Informationen gibt es bei den Ultras auch Unstimmigkeiten über die ständigen Störfeuer von manchen Vereinigungen rund um die Löwen. Einem langjährigen Vorsänger soll aufgrund der ständigen Querschüsse in den eigenen Reihen die Lust vergangen sein. Er ist seit Ende der vergangenen Saison raus.

Was viele nicht politisch ambitionierte Anhänger verwundert: Während e.V.-Präsident Robert Reisinger in einem umstrittenen Interview mit dem “Münchner Merkur” zuletzt Michael Köllner Lebenstipps (“Reden ist Silber, Schweigen ist Gold”) mit auf dem Weg gab und damit den gebildeten Cheftrainer wie einen Schulbuben abkanzelte, distanziert sich Reisinger nie von Themen, die die Außendarstellung des Klubs seit Jahren enorm belasten. Zum Beispiel: Die stetigen Beleidigungen gegen den wichtigsten Geschäftspartner und 60-Prozent-Eigner Hasan Ismaik, der im Verein seit Jahren für die finanzielle Stabilität sorgt.

Kann Reisinger nicht - oder will er nicht?

Und es wird noch spannender bei 1860. Im Löwen-Kosmos gibt es einen Whatsapp-Chat für rund 60 Allesfahrer, der von den beiden Fanbeauftragten Felix Hiller und Christian Poschet betreut wird. Ein verärgerter Fan schrieb am Samstagabend in den Chat (der Text-Verlauf liegt db24 vor): “Hallo Christian, wieder einmal haben sich unsere sogenannten Fans in Dresden daneben benommen. Wieder muss der Verein für die Unvernunft einiger die Pyrozeche bezahlen. Aber das letzte war wieder mal die Anti-Ismaik-Flagge, die auch im TV nicht zu übersehen war. Der Fahnenschwenker ist eindeutig zu identifzieren, warum wird hier nichts unternommen. Warum dürfen solche Querköpfe ungestraft HI beleidigen? Es muss doch machbar sein, dies zu unterbinden und hoffe auf eine entsprechende Reaktion von Dir und Felix beziehungsweise dem Verein, denn genau das wäre Eure Aufgabe. Die Mehrheit der Fans distanziert sich von diesen Provokationen.” Kurz danach änderte Poschet im Chat die Gruppen-Einstellungen, dass nur Administratoren Nachrichten verschicken dürfen.

Ständige Fan-Provokationen in der Kurve: Von welchem Löwen erwarten Sie jetzt ein Machtwort?

Umfrage endete am 07.08.2022 18:00 Uhr
Robert Reisinger ( e.V.-Präsident und oberster Repräsentant des Muttervereins)
56% (2975)
Von gar keinem! Viel Lärm um nichts!
26% (1393)
Die Mannschaft sollte mal ein Zeichen setzen!
14% (746)
Marc Pfeifer (Geschäftsführer)
4% (187)

Teilnehmer: 5301

Was ins krude Gesamtbild des Klubs passt: Ein Fanblog hatte am Samstag auf seinem Instagram-Kanal ein Bild mit der Anti-Ismaik-Schwenkfahne gepostet - und schrieb süffisant dazu: “Hasan Ismaik wurde in der Kurve gesichtet.” Mittlerweile wurde der Post gelöscht. Pikant für die Profifußball-Gesellschaft: Der Geschäftsführer dieses Blogs ist mit seinem Unternehmen auch Sponsor bei 1860.

Wie reagiert Pfeifer auf die neuesten bedenklichen Entwicklungen? Es wird immer offensichtlicher: Der TSV steht sich mal wieder selbst im Weg. Nicht auf dem Rasen, sondern in der Führungsebene. Und das wird den ein oder anderen potentiellen Sponsor, aber auch die Stadt München definitiv abschrecken.