VON MARCO BLANCO UCLES, ULI WAGNER UND IMAGO

Die Vorbereitung ist vorbei, jetzt geht’s vor dem Liga-Start in Dresden (Samstag, 14 Uhr, db24-Ticker) an den Feinschliff. Viel Zeit bleibt allerdings nicht mehr. Obwohl noch keine Punkte vergeben wurden, gab es in den letzten Wochen an der Grünwalder Straße 114 viele Gewinner, aber auch einige Verlierer. Die db24-Übersicht:

DIE GEWINNER

Die Mannschaft: Homogen wie lange nicht tritt der Löwen-Kader geschlossen auf - man spürt: Da ist eine Familie zusammengewachsen. Die neun Neuzugänge wurden nahezu perfekt integriert. Grüppchenbildung? Fehlanzeige! Nur logisch, dass Michael Köllner auch weiterhin auf Stefan Lex als Kapitän schwört. Es ist der Verdienst des früheren Bundesliga-Stürmers, dass alles so gut funktioniert.

Michael Köllner: Der 52-Jährige tut alles dafür, dass in seinem vierten Jahr bei den Löwen endlich der heiß ersehnte Aufstieg in die Zweite Liga herausspringt. Wer Köllner beim Training beobachtet, merkt: Er ist heiß, will unbedingt mit 1860 den ganz großen Wurf landen. Auch abseits des Platzes tut Köllner den Löwen gut, agiert immer wieder als Bindeglied zwischen den zerstrittenen Lagern. Bei den Fans kommt der Löwen-Dompteur gut an, gibt sich nahbar, hat immer ein offenes Ohr für die treue Anhängerschaft. Anders als in den Vorjahren bekam Köllner alle seine Wünsche in Sachen Transfers erfüllt, wirkte aktiv bei der Kadergestaltung mit. Klar ist deshalb aber auch: Scheitert der eingeschlagene Weg, wird der Oberpfälzer die Verantwortung dafür übernehmen müssen.

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Marc-Nicolai Pfeifer: Der Schwabe ist ein Arbeitstier, kämpft sieben Tage die Woche darum, neue Geldgeber für 1860 an Land zu ziehen - mit Erfolg: Über 70 Unternehmen sponsern mittlerweile die Löwen. Seit Pfeifers Ankunft steigen die Sponsoring-Einnahmen jährlich um zirka eine Million Euro. Im alles andere als leichten Arbeitsumfeld in München-Giesing schafft es Pfeifer zudem durch seine smarte Art, sowohl mit der Investoren- als auch mit der e.V.-Seite gut auszukommen. Auch bei den Fans ist der 41-Jährige beliebt. Kein Wunder, Pfeifer geht auf die Anhänger zu, spricht mit ihnen. So begrüßte er beim Fanfest jeden Zuschauer beim öffentlichen Training persönlich. So geht Fannähe! Die größte Baustelle Pfeifers in der Zukunft: Die schier nicht enden wollende Stadiondebatte - eine Herkulesaufgabe.

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Erik Tallig: Der 22-Jährige ist erwachsener geworden. In seiner dritten Spielzeit bei den Löwen schafft es der Ex-Chemnitzer endlich, konstant gute Leistungen abzurufen. Vom Wackelkandidaten mauserte sich Tallig innerhalb weniger Monate zum absoluten Stammspieler im Köllner-System. Seine Ruhe am Ball, die exzellente Übersicht sowie seine großen Qualitäten im Tor-Abschluss machen ihn zu einer Waffe in der Löwen-Offensive. Ein ganz wichtiger Baustein im Team der Sechzger.

Fynn Lakenmacher: Die neue Löwen-Kante hat in den vergangenen Wochen alle überrascht. Wie schnell sich der 22-jährige Neuzugang aus Havelse im neuen Umfeld zurechtfindet, ist verblüffend. Mit seinem massiven Körper macht Lakenmacher viele Bälle fest, ist ein Fixpunkt im Spiel der Löwen. Gegen Ried (1:1) zeigte er zudem, wie viel Gefühl in seinem Fuß steckt. Bei der Generalprobe gegen Newcastle (0:3) bewies Lakenmacher, dass er auch vor großen Namen nicht zurückschreckt. Im internen Stürmer-Ranking hat er Konkurrent Meris Skenderovic deutlich überflügelt. Und weil Top-Torjäger Marcel Bär nach seiner Erkrankung nur langsam in Tritt kommt, kann es gut sein, dass Trainer Köllner Lakenmacher beim Kracher-Start in Dresden von Beginn an bringt.

Yannick Deichmann: Der Allrounder ist in seinem ersten Jahr in München-Giesing zum absoluten Leistungsträger gereift. Nachdem er in seiner Debütsaison beinahe ausschließlich notgedrungen auf der Rechtsverteidigerposition wirbelte, plant Trainer Köllner ihn in dieser Saison im zentralen Mittelfeld ein. In der Vorbereitung wusste Deichmann dort zu gefallen. Stark im Zweikampf, gute Wege in die Tiefe und sein extremer Zug zum Tor zeichnen den 27-Jährigen aus. Aufgrund der größeren Kaderbreite (Verpflichtung von Christopher Lannert) wird Deichmann nun im Offensivspiel zeigen können, wofür ihn die Löwen 2021 aus Lübbeck loseisten.

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Daniel Wein & Marius Willsch: Die Löwenfans staunten nicht schlecht, als sie im Trainingslager in Windischgarsten den Namen Marius Willsch auf dem Aufstellungsbogen für das Testspiel gegen Linz (1:1) lasen. Es war der erste Einsatz des 31-Jährigen seit dem 3:2-Sieg über Wehen Wiesbaden Mitte Januar. Bei 1860 hätten sie nicht damit gerechnet, dass der Heilungsprozess bei Willsch, der an einer Patellasehnenreizung litt, so schnell voranschreiten würde. Zwar ist ihm die lange Pause noch deutlich anzumerken, dennoch holt sich der Rechtsverteidiger mit jeder Partie seine gewohnte Stabilität und Sicherheit zurück. Und auch der zweite Langzeitverletzte im Löwen-Kader, Daniel Wein, macht große Fortschritte. Ein Ermüdungsbruch im Fuß hatte ihm schwer zugesetzt. Letztmals stand er im November vergangenen Jahres (!) für 1860 auf dem Feld. Nun gegen Newcastle (0:3) das Comeback - der 28-Jährige kam in der 80. Minute in die Partie. Bis er wieder bei hundert Prozent sein wird, wird es freilich noch dauern. Ein fitter Wein würde den Konkurrenzkampf im zentralen Mittelfeld der Löwen weiter anheizen. Klar ist: Willsch und Wein könnten schon bald wieder auf dem Platz für Furore sorgen - deutlich früher als von Trainer Köllner erwartet.

Trainerteam: Nicht nur im Spielerkader der Löwen wurde im Sommer so einiges verändert. Auch im Trainerteam sind neue Gesichter aufgetaucht. Neu dabei: Co-Trainer Stefan Reisinger und Athletik-Coach Jörg Mikoleit. Reisinger brennt darauf, nach seiner verkorksten Vergangenheit als Profi bei Sechzig, allen zu beweisen, dass er als Co-Trainer mehr Erfolg an der Grünwalder Straße haben wird. Der 40-Jährige, der Günter Brandl ersetzte, ist sehr aktiv auf dem Trainingsplatz. Ist Not am Mann, spielt Reisinger schon auch mal mit im Trainingsspiel. Von seiner großen Erfahrung - 96 Bundesliga-Spiele - sollen insbesonders die Löwen-Angreifer um Torjäger Marcel Bär profitieren. Mikoleit trat die Nachfolge von Matthias Luginger als Athletiktrainer an. In der vergangenen Spielzeit ging den Löwen oftmals in der Schlussphase die Puste aus, beim ein oder anderen Akteur war die fehlende Fitness unübersehbar. Das soll sich mit Mikoleit ändern. Der 51-Jährige, der zuvor über zehn Jahre für den 1. FC Ingolstadt tätig war, fällt durch seinen muskelbepackten Körper auf - eines Athletiktrainers würdig. Bei Martin Kobylanski beispielsweise trägt die Arbeit Mikoleits bereits Früchte. Der Neuzugang aus Braunschweig hat in den vergangenen Wochen deutlich an Gewicht verloren, wirkt fitter und spritziger.

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Die KGaA: Die Euphorie der Löwen-Fans wenige Tage vor dem Saisonstart in Dresden ist groß wie lange nicht. Mit 11.860 verkauften Dauerkarten vermeldete der TSV 1860 einen neuen Rekord. Mehr können die Löwen bei der geringen Kapazität des Grünwalder Stadions auch nicht verkaufen. Die KGaA hat auf der sportlichen Ebene ihre Hausaufgaben erledigt, der Kader der Profimannschaft wurde mit Namen wie Martin Kobylanski, Jesper Verlaat und Fynn Lakenmacher hochkarätig verstärkt. Die Testspiele gegen Newcastle und Gladbach waren tolle Gradmesser. Gegner, mit denen man sich nicht alle Tage duellieren darf. Auch, dass an dem Testspiel gegen Newcastle trotz Gegenwinds in den eigenen Reihen festgehalten wurde, verdient Anerkennung. Zudem entpuppte sich das erstmals seit 2016 wieder stattfindende Fanfest an der Grünwalder Straße als voller Erfolg. Bis zu 2.500 Löwen-Fans genoßen es, ihren Helden nahe zu sein. Das bleibt den Anhängern, vor allem den zahlreichen Kindern, im Gedächtnis.