VON MARCO BLANCO UCLES UND IMAGO (FOTOS)

Das sportliche Highlight der Löwen-Vorbereitung steht unmittelbar vor der Tür…

Seit Wochen ist das heutige Testspiel der Löwen gegen Newcastle United (14.30, db24-Liveticker) Gesprächsthema bei den Fans. Der Traditionsverein aus dem Nordosten Englands wurde vergangenes Jahr vom Saudi Arabia Public Investment Fund, dem nun 80 Prozent des Klubs gehören, aufgekauft - geschätztes Vermögen: rund 480 Milliarden Euro. Weltweit steht das Projekt in der Kritik, da in Saudi-Arabien Menschenrechte nachweislich vernachlässigt werden.

Während auf die Löwen sportlich ein toller Gegner mit hoher Qualität wartet, wird die Partie von Teilen der Fans als kritisch angesehen. In ihrer Meinung bestärkt wurde diese Gruppe von den Aussagen des frisch bestätigten Präsidenten der Sechzger, Robert Reisinger. Der 58-Jährige hatte jüngst in einem Interview mit der “Bild”-Zeitung erklärt, dass er der Partie fernbleiben werde. Außerdem fügte er hinzu, dass “niemand freiwillig gegen Newcastle” spielen würde. Im Übrigen: Keiner bei den Löwen wurde gezwungen, gegen Newcastle anzutreten. Insofern spielt der TSV 1860 eben doch freiwillig gegen den Premier-League-Klub.

Doch was hat es eigentlich genau mit dem umstrittenen Projekt auf sich? Einer, der es wissen muss, ist Joachim Hebel. Der 35-Jährige kommentiert seit 2019 die Premier League auf Sky, tat dies bereits zuvor für die Streaming-Plattform DAZN, für die er heute die Champions League kommentiert. Mit seinem Bruder Uli produziert er zudem den Podcast “Klick & Rush”, in dem sich alles um Englands höchste Spielklasse dreht.

Hebel erklärt, warum der Aufkauf Newcastles auf der Insel längst nicht so kritisch gesehen wird wie in Deutschland. “In England ist es normal, dass ein Klub einen Privat-Besitzer hat - anders hast du keine Chance. Newcastle ist ein großer Verein mit vielen Fans, die aus Arbeitergegenden stammen, nicht viel mehr haben als ihren Klub. Wenn dann einer kommt und sagt, er kümmert sich um den Verein, nehmen sie das dankend an.” Aus Sicht der Briten sei es also kaum ein Problem, wenn ein Investor aus Saudi-Arabien einen Klub übernimmt.

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Dass das Konstrukt in Deutschland kritischer gesehen wird, ist für Hebel “verständlich”. Auch er betont: “Die Dinge, die in Saudi-Arabien geschehen, sind zu verabscheuen.” Dennoch mahnt der Fußball-Kommentator an: “Fährt man dann nächste Woche auch nicht mehr zum Tanken, da der Rohstoff aus Saudi-Arabien kommt? Damit gibst du ihnen mehr Geld als mit einem Freundschaftsspiel. Das ist alles nicht so einfach.”

Über Themen abseits des Spielfelds wurde viel geredet in den vergangenen Wochen. Doch was für eine Mannschaft kommt aus sportlicher Sicht auf die Löwen zu? Zunächst einmal wird spannend zu sehen sein, wie viele Stammkräfte Trainer Eddie Howe gegen den Drittligisten aus München-Giesing aufbietet. Newcastle - Kadermartkwert von 336 Millionen Euro - befindet sich in einem anderen Stadium der Vorbereitung, startet erst am 6. August gegen Nottingham Forest in die neue Saison. Ob Stars wie Allan Saint-Maximin oder Bruno Guimaraes auflaufen werden, bleibt abzuwarten.

Was die Investoren von Newcastle United von vielen weiteren Geldgebern unterscheidet: Sie bringen Geduld mit - zumindest vorerst. Sie wissen: Von heute auf morgen lässt sich kein Team formen, dass in England und in Europa um Titel mitspielen kann. “Step-by-Step” ist das Motto. Auch Manchester City verpflichtete nach dem Einsteigen des Investors 2008 zu Beginn nicht die absoluten Hochkaräter. Statt De Bruyne, Haaland und Mahrez hießen die Stars damals Bridge, Defoe oder Mario Balotelli. Angesichts der schier unendlichen finanziellen Möglichkeiten Newcastles ist sich Hebel im Hinblick auf die kommenden Jahre sicher: “Die werden kommen.”

Was muss die Mannschaft von Trainer Michael Köllner beachten, um gegen den neureichen englischen Erstligisten eine ähnlich deftige Niederlage wie gegen Borussia Mönchengladbach (0:6) zu verhindern? “Du musst die Räume eng halten, besonders kreativ sind sie nämlich nicht. Und bei Standards gilt es aufzupassen, da ist die Mannschaft brandgefährlich. Mit Chris Wood hat Newcastle einen der besten Kopfballspieler weltweit in seinen Reihen.” Die Chance der Löwen könne darin liegen, nach Ballgewinn schnell umzuschalten und Konter zu fahren.