VON OLIVER GRISS

Zunächst einmal muss ich mich aufrichtig entschuldigen: Wie konnte ich nur diese eine Frage stellen? Mir erlauben, Michael Köllner direkt nach dem 2:3 gegen Osnabrück zu fragen, ob er noch die Kraft hat, einen vierten Anlauf Richtung Zweite Liga zu starten?

Was für Journalisten das Normalste der Welt ist, ist für einige Zujubler anscheinend eine Majestätsbeleidigung. Ich gelobe Besserung - und was ich in jedem Fall versprechen kann: Ich mache genau so weiter. Unser Beruf basiert auch darauf, unangenehme Fragen zu stellen, wenn’s die Situation erfordert, vor allem dann, wenn ausgegebene Ziele verfehlt werden.

Und da sind wir auch schon beim Thema: Michael Köllner.

Der TSV 1860 kann sich prinzipiell glücklich schätzen, dass er nach dem Aus von Daniel Bierofka im November 2019 einen Cheftrainer gefunden hat, der sich mit den Löwen zu 100 Prozent identifiziert - und auch mehr ist als ein reiner Übungsleiter. Er ist der beste Repräsentant der Löwen. Er könnte auch problemlos im Marketing eingesetzt werden. Er kann mit Worten jonglieren - und weiß diese auch immer wieder richtig einzusetzen. Eigentlich ein perfekter Ober-Löwe.

Doch der Fußball wird eben nicht durch eine gute Aussendarstellung, sondern durch Taten (Siege und Tabellen!) entschieden. Köllner hat richtigerweise einmal gesagt: “Fußball ist Ergebnissport.” Und die Ergebnisse haben auch in dieser Saison leider gefehlt, um sich für die Zweite Liga zu qualifizieren. Wäre Türkgücü noch in der Wertung gewesen, wäre die Entscheidung um die Aufstiegsplätze aus 1860-Sicht schon länger entschieden gewesen. So durfte eben bis zum 2:3 gegen Onsabrück gehofft werden. Das Ziel mit einem aufgemotzten Etat (zehn Millionen Euro in zwei Jahren) aufzusteigen, ist misslungen. Das sind die Fakten - und natürlich wurde 1860 in dieser Saison auch oft benachteiligt, so oft wie keine andere Mannschaft. Doch die Kehrseite der Medaille: Auch in der Wertung der bevorzugten Teams liegt der Löwe in den Top Five.

Und weil Köllner sich natürlich auch sehr gut selbst vermarktet, will er seine eigene Performance natürlich auch positiver darstellen. Das ist grundsätzlich legitim. Aus seiner Sicht. Und so fragte der sympathische Oberpfälzer am Dienstag in einer kleinen Presserunde die Anwesenden: “Ist Erfolg nur, wenn man aufsteigt?” Ganz klar: JA! Vor allem, wenn man einen Kult-Klub wie 1860 trainieren darf - wohlgemerkt nur in der Dritten Liga. Ergo: Einspruch, Herr Köllner!

Eine der großen Schwächen von Köllner ist, 1860 immer mal wieder klein zu reden. Natürlich, er will damit auch den Druck von den Spielern nehmen, aber dadurch liefert er ihnen nicht selten auch ein klassisches Alibi. Bei den Löwen Trainer zu sein, ist aufgrund der Historie eine große und schwere Aufgabe. Der Großteil der Fans und auch die Sponsoren will sich mit einer erfolgreichen Marke identifizieren. Dritte Liga ist nicht die geeignete Spielwiese für die Löwen. Freilich, die Dritte Liga ist durch MagentaSport perfekt vermarktet. Aber der echte Profifußball geht nunmal erst in der Zweiten Liga los - allein schon, wenn’s um die technischen Hilfsmittel (VAR) geht.

Kult-Trainer Werner Lorant, der den Verein in den 90er Jahren in Rekordzeit von der Bayernliga bis in den Europapokal führte, hat einmal richtigerweise gesagt: “In der Dritten Liga zählen für 1860 nur die ersten drei Plätze - der Aufstieg!” Und vor allem dann, wenn man auf dem besten Wege vom einstigen Zweitliga-Dino zum Drittliga-Dauerbrenner ist: Nur Halle, Zwickau und Meppen sind noch länger in dieser Pleiteliga dabei. Und das ist für einen Verein wie 1860 mit dieser Fanbase und Tradition wahrlich keine Auszeichnung. Deswegen kann Köllner nur eine echte Duftmarke in München-Giesing hinterlassen, wenn er am Ende seiner Mission auch aufsteigt.