VON OLIVER GRISS

Dass Sascha Mölders ein Egozentriker ist - und ganz besonders auf dem Fußballplatz, das wusste man bei 1860 schon länger. Zuerst kam er, dann lange nichts, und dann erst die Kollegen - so verstand der ehemalige Bundesliga-Profi die Hierarchie an der Grünwalder Straße 114. Der “Fußball-Gott” aus dem Pott genoß diesen Sonderstatus. Alle spielten mit und parierten vor dem “großen” Mölders ehrfürchtig.

Solange der gewichtige Torjäger lieferte - und das tat er tatsächlich oft - duldete man sein Verhalten. Dazu gehörte auch, dass der TSV 1860 akzeptierte, dass der frühere Augsburger eine eigene Merchandising-Linie mit dem wenig charmanten Titel “Die Wampe von Giesing” auflegte. Mölders nahm sich aufgrund seiner sportlichen “Erfolge” Dinge heraus, die sich zuvor noch kein Spieler des TSV 1860 geleistet hat. Und bei den Löwen standen immerhin Superstars wie Thomas Häßler, Martin Max, Gerald Vanenburg, Davor Suker oder Peter Nowak unter Vertrag. Doch bei Mölders drückte 1860 oft ein Auge zu.

Klar, Mölders war das sportliche Gesicht seit dem Zwangsabstieg 2017. Er war der einzige Spieler im Kader, den man außerhalb von Giesing kennt. Von keinem Spieler wurden in den letzten Jahren mehr Trikots verkauft. Er ist ein Unikat. Er wurde als Aufstiegsheld verehrt und gefeiert, weil er Tore am Fließband erzielte und den Fußball so interpretierte, wie das der Westkurve gefiel: Weißbier, Leberkas - und Kreisliga-Floskeln. Giesing-Style eben. Aber professionell war vieles nicht.

1860 suspendiert Kapitän Mölders: Können Sie diesen Schritt nachvollziehen?

Umfrage endete am 21.12.2021 07:00 Uhr
Nein - auch weil mir die Hintergründe zu diesem Schritt fehlen!
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Ja!
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Teilnehmer: 5929

In der Vorsaison wurde Mölders Torschützenkönig, Spieler der Saison - doch sein großer Traum, mit 1860 in die Zweite Liga aufzusteigen, zerplatzte im Audi-Sportpark. Danach war die Luft raus. Und die Probleme gingen erst richtig los.

Mölders konnte körperlich nicht mehr mithalten, in der Mannschaft hatte er immer weniger Fürsprecher. Bezeichnend für den Mölders-Absturz waren auch die letzten Tage, als er bei 1860 nicht mehr Verantwortung übernehmen wollte und beim 1:3 gegen Mannheim dem eingewechselten Keanu Staude beim Elfmeter den Ball hinwarf. Mölders wollte kein Leader mehr sein. Beim 2:5-Debakel gegen Magdeburg verweigerte er vor dem 0:2 fast symbolisch den Zweikampf vor dem eigenen Strafraum. Das war ein Affront. Gegen alle. Jeder andere Trainer hätte Mölders nach dieser Aktion sofort ausgewechselt.

Dass es zum endgültigen Bruch mit Mölders gekommen ist, hat sich die sportliche Kommandobrücke der Löwen selbst zuzuschreiben. Sie hatte ihre Personalplanung in den letzten Jahren sogar so ausgelegt, dass Mölders mit keiner ernstzunehmenden Konkurrenz im eigenen Stall konfrontiert wurde - wohlwissend, dass Spieler wie Adriano Grimaldi neben dem Sturmführer gnadenlos scheiterten. Dass Mölders in Giesing soviel Macht bekommen hat, das muss sich nicht nur die Geschäftsführung anlasten, sondern auch in erster Linie Trainer Michael Köllner. Dass Mölders mit Samthandschuhen behandelt wurde, fällt 1860 jetzt auf die Füße.

Die Nikolaus-Rute für Mölders kommt nicht überraschend, aber letztlich doch zu spät. Man hätte die Akte Mölders geschickter lösen können als mit einer Suspendierung, denn die ratlosen Fans werden das ohne plausible Argumentation von Vereinsseite nicht verstehen. Schließlich wurde ihr Fußball-Gott “ausgelöscht” - wie der Münchner Christkindlmarkt in Corona-Zeiten.

Aber gutes Krisen-Management will gekonnt sein. Umso wichtiger ist, dass die Bosse im zweiten Anlauf diese unpopuläre Entscheidung mit der Mölders-Suspendierung den Fans erklären.