VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Karsten Wettberg ist eine Legende bei 1860. Schorsch Kronawitter, ehemaliger OB von München, adelte den ehemaligen Löwen-Trainer nach dem Zweitliga-Aufstieg 1991: “Wettberg - der König von Giesing.” Dieser inoffizielle Titel ist ihm bis heute geblieben. Heute feiert Wettberg, der laut eigenen Aussagen 4000 Euro bei 1860 im Monat plus Siegprämie verdiente, seinen 80. Geburtstag - das db24-Interview:

db24: Herzlichen Glückwunsch, Herr Wettberg: Wie wird gefeiert?

KARSTEN WETTBERG: In einem illustren Gesellschaft in Aiglsbach - mehr als 120 Gäste dürfen aufgrund der Corona-Bestimmungen leider nicht kommen: Der Heiß Fredi kommt, der Thomas Miller. Erich Beer weiß es noch nicht, ob es klappt. Ich freue mich auf diesen Nachmittag. Ob vom Verein jemand kommt, weiß ich nicht. Hans Sitzberger habe ich eingeladen. Er kommt aber nicht als Vertreter von 1860, sondern als Freund. Er hat mir jahrelang die VIP-Karte in der Allianz Arena bezahlt. Eine Freundschaft endet für mich nicht, nur weil man eine andere vereinspolitische Meinung vertritt. Ich ziehe vor ihm den Hut, wie er sich engagiert. Aber ich habe bei 1860 eine grundsätzlich andere Meinung als er. Das muss er akzeptieren.

db24: Was macht Ihre Gesundheit?

Toi, toi, toi. Ich hoffe, dass ich noch ein paar Jahre erleben darf. Ich hatte vor zwei Jahren eine Herz-Operation, aber es ist gut ausgegangen. Ich behaupte: Nicht 80 Jahre zu werden, ist noch schlimmer als die paar Wehwehchen, die mich begleiten, zu haben. Ich bin ja neuerdings Kapitän der 1860-Legenden, die Jan Mauersberger wieder ins Leben gerufen hat. Seit er das macht, sind die Streitigkeiten unter den Spielern vorbei. Jan hält sich aus allem raus, das verdient meine Anerkennung. Für den Verein ist eine Traditionsmannschaft eine Riesenwerbung.

db24: Was macht Sie stolz, wenn Sie an Ihre Zeit bei 1860 denken?

Natürlich neben dem Zweitliga-Aufstieg die Serie mit 54 ungeschlagenen Spielen. Der Michi Köllner hat kürzlich zu mir gesagt: “Karsten, diesen Rekord zu knacken, das schafft man in den nächsten 100 Jahren nicht.” Ich habe ihm nicht widersprochen.

db24: Wie haben Sie das geschafft?

Mein Beruf bei der Post hat mir dabei sehr geholfen. Ich konnte Menschen führen und habe immer erkannt, was meiner Mannschaft gefehlt hat. Deswegen habe ich ja auch als Trainer einige Meisterschaften und Aufstiege gefeiert.

db24: Wer waren Ihre wichtigsten Spieler bei 1860?

Walter Hainer, Horst Schmidbauer, aber auch Roland Kneißl. Er hatte eigentlich das Potential für einen Bundesligaspieler, aber er hat lange Zeit nicht alles aus sich herausgeholt. Sein bestes Spiel hat Kneißl in der Aufstiegsrunde in Pforzheim gemacht. Das hat für uns dann eigentlich den Aufstieg bedeutet.

db24: Wer an den Zweitliga-Aufstieg denkt, der kommt zweifelsohne nicht an einem legendären Foto vorbei. Als Sie BR-Reporter Edgar Endres in der Unterhose ein Interview geben…

Mit dieser Aktion war ich bei der damaligen Präsidentin Liselotte Knecht unten durch (lacht). Sie hat meine Frau angerufen und gesagt: “Was sich ihr Mann geleistet hat, ist peinlich.” Die Fans hatten mich bis auf die Unterhose ausgezogen. Und für meinen Körper brauchte ich mich nicht zu genieren.

db24: In der Aufstiegsnacht hatten Sie beim damaligen Bayern-Manager Uli Hoeneß angerufen, um ihn aufs Korn zu nehmen…

Richtig! Wir waren bei unserem Masseur Hans Hodrius - und dann meinte Claudius Mayer (früherer TZ-Reporter, d. Red.): “Komm, lass uns bei Hoeneß anrufen. Ich habe die Nummer.”

db24: Was passierte dann?

Mayer gab Franz Zehetmeier (früherer Mitarbeiter von Hacker-Pschorr, d. Red.) die Nummer. Wir hörten über den Lautsprecher mit. Es klingelte ein paar Mal, dann hob Hoeneß mitten in der Nacht ab. Zehetmeier sagte: “Herr Hoeneß, es ist etwas Fürchterliches passiert.” Hoeneß: “Was denn?” Zehetmeier: “Herr Hoeneß, Sechzig ist wieder zurück im Profifußball - wollen Sie nicht gratulieren? Kurz danach war das Gespräch beendet. Bei einer Derby-Pressekonferenz bekam Mayer dann Feuer von Hoeneß, als er zu ihm sagte: “Wenn Sie uns noch einmal aus dem Bett werfen, dann lernen Sie mich kennen. Ich habe Ihre Lache genau gehört.”

db24: Was war Ihr größter Fehler bei 1860?

Die Sache mit dem Grünwalder Stadion. Heute würde ich Franz Maget nicht mehr darum bitten, dass er alle Hebel in Bewegung setzen soll, dass das Grünwalder nicht abgerissen werden darf. Denn dann hätte es jetzt den Zwang gegeben, was Eigenes zu bauen. Ich hatte inständig gehofft, dass wir im Pokal Dortmund bekommen, denn dann hätten sich die Fans um die Karten geprügelt. So sieht man nicht, welches Potential 1860 hat.

db24: Sie waren damals auch dabei, als 1860 die Rückkauf-Option für die Arena für kleines Geld verkaufte…

Was sollten wir tun? Es war keinen fünf Euro mehr auf dem Konto. Im Gegenteil. Die Option war schon weg. Ich habe bei Karl Hopfner 1,5 Millionen Euro rausgeholt - und Albrecht von Linde war glücklich, als er hinterher sagte: “Jetzt sind wir fast schuldenfrei.” Und ich war froh, dass das Ganze beendet war. Wenn wir damals einen wie Ismaik gehabt hätten, wäre das vermutlich nicht passiert.

db24: Werden Sie 1860 nochmal in der Bundesliga erleben?

Im Fußball geschehen immer mal wieder Wunder. Ich bin der Meinung, dass Michael Köllner gute Arbeit leistet. Das Entscheidende ist, dass aus dem Waffenstillstand der Gesellschafter ein gelebtes Gemeinsam wird. Dass es so ruhig ist wie aktuell, das hat es in den letzten 50 Jahren nicht mehr gegebe