VON OLIVER GRISS, ULI WAGNER UND IMAGO (FOTO)

“Nix gwiss woas ma ned” - so oder so ähnlich dürfte man sich an der Grünwalder Straße 114 seit Monaten fühlen. Planungssicherheit gibt es in Corona-Zeiten nicht so richtig, weil sich gefühlt täglich die Auflagen ändern. Und genau das macht es so schwer für die Löwen, eine seriöse Kalkulation für den Pokal-Hit gegen Schalke 04 (26. Oktober) abzugeben - und die Frage, ob ein Umzug ins Olympiastadion Sinn ergibt.

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Genau diese Antwort muss demnächst Finanz-Geschäftsführer Marc Pfeifer liefern und abwägen, ob man auf den “Heimvorteil” im Grünwalder Stadion pocht oder doch angesichts des attraktiven Gegners des Geldes wegen ins größere Olympiastadion ausweicht. Demnächst öffnet das ehemalige Bundesliga-Wohnzimmer des TSV 1860 (von 1995 bis 2004) wieder seine Pforten.

Was viele junge Fans vielleicht nicht mehr wissen: Im Olympiastadion feierten die Löwen in den letzten 50 Jahren ihre größten Erfolge, dort nahmen sie in der Bundesliga-Saison 1999/2000 zweimal den FC Bayern 1 auseinander und qualifizierten sich mehrmals für den Europapokal.

Ist das Oly die große Chance für die Löwen?

Nachdem man unmittelbar nach der Auslosung am vergangenen Sonntag noch von anderen Platzkapazitäten ausgehen musste (6275 Fans im Grünwalder, 25.000 im Oly), werden auch im Profibereich die Corona-Regeln gelockert: Demnach könnten 10.000 Fans auf Giesings Höhen und im WM-Stadion von 1974 25.000 Anhänger empfangen werden. Zu beachten ist, dass in Deutschland aufgrund der Corona-Spielregeln eine gewisse Fußball-Müdigkeit Einzug gehalten hat. Heißt: Das Interesse ist in den letzten anderthalb Jahren gesunken. Ob das auch bei Sechzig der Fall ist, weiß keiner. Der Dauerkarten-Verkauf (11.572) sagt zumindest etwas anderes. Die Löwen werben auch immer wieder mit ihren hohen Mitgliederzahlen von 23.000.

Bislang wurde viel geredet über die Vor- und Nachteile des jeweiligen Stadions - wir haben den Zahlen-Check (ohne den möglichen Top-Zuschlag) durchgeführt.

Die grobe (optimistische) db24-Kalkulation fürs Grünwalder Stadion: Das Spiel wird auf Giesings Höhen mit 10.000 Besuchern auf jeden Fall ausverkauft sein - die Frage ist: Wie können die Plätze nach der neuen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung eingeteilt werden? Sicher ist, dass 1860 rund 600 Vip-Tickets für die Alm verkaufen kann (zum Preis von 199 Euro pro Karte) - das bringt nach Abzug der geschätzten Prozentbeteiligung für Vermarkter Infront rund 100.000 Euro. Der Sitzplatz auf der Haupttribüne kostete beim Erstrunden-Sieg gegen Zweitligist Darmstadt 33 Euro, der Sitzplatz Stehhalle 27,50 Euro und der Stehplatz 15 Euro. Der Durchschnittspreis liegt damit bei rund 24 Euro - demnach bringen 9400 Tickets rund 225.600 Euro. Das Gesamtvolumen beträgt damit 325.600 Euro. Aus dieser Summe darf 1860 eine Organisationspauschale von 15 Prozent abziehen - was rund 48.840 Euro ausmacht.

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Der Idealweg: Mit diesem Betrag sollte 1860 alle Kosten wie Stadionmiete von 8,5 Prozent inklusive Flutlicht und Nebenkosten (cirka 28.000 Euro), Personal Ordnungsdienst (geschätzt 22.500 Euro) und Catering-Abgabe (geschätzt 18.000 bis 20.000 Euro) decken, was voraussichtlich aber nicht klappt. Nach Abzug der Organisationspauschale gehen die Löwen in die Kalkulation mit einer Summe von 276.760 Euro. Vorteil: Die 600 VIP-Tickets darf 1860 zum Sitzplatzpreis von je 33 Euro abrechnen, so dass von den Einnahmen mehr in der Löwen-Kasse bleibt. Am Ende bekommt laut Regularien jeder Klub 45 Prozent - das macht rund 125.000 Euro für 1860, aber auch für Schalke. Zehn Prozent (rund 27.700 Euro) gehen an den DFB. Nach Abzug der Mehraufwendungen für Miete etc. blieben den Löwen am Ende rund 100.000 Euro übrig.

Die grobe (optimistische) db24-Rechnung fürs Olympiastadion: Wir rechnen mit 25.000 Besuchern bei diesem Duell der beiden deutschen Kultklubs - großer Vorteil: Im Olympiastadion gibt es allein vier VIP-Räume zur Verköstigung, die insgesamt Platz für 1500 Adabeis bieten.

Kleines Handicap für 1860: Premium-Caterer Do&Co (die Wiener sind für die Bewirtung auf dem Olympiagelände verantwortlich) schnappt pro Essen rund 55 Euro - so soll es zumindest bei Red Bull München geregelt sein. Groß Feilschen ist nicht! Trotzdem: Allein die Brutto-Einnahmen über den VIP-Bereich könnten bei knapp 300.000 Euro liegen. Wer jetzt motzt: Zu den großen Löwen-Spielen war der Businessbereich in der Allianz Arena mit über 2300 Plätzen stets ausverkauft. Zudem könnten die Löwen die restlichen 23.400 Plätze als Sitzplätze verkaufen - ohne Topzuschlag zum Preis von je 33 Euro. Macht summasumarum: Rund eine Million Euro Brutto-Einnahmen.

Der TSV 1860 darf auch im Olympiastadion eine Orga-Pauschale von 15 Prozent abziehen - die rund 150.000 Euro reichen jedoch nicht aus, um die Mehrkosten für Stadion-Miete (geschätzt 75.000 bis 78.000 Euro inklusive Flutlicht und Betriebskosten), Ordnungsdienst (rund 33.000 Euro) und Catering (rund 82.500 Euro) zu decken. So ehrlich muss man sein: Die Kosten im Oly sind deutlich höher als im Grünwalder. Bei der Einnahmen-Verteilung sind 25.000 Besucher x 33 Euro zu rechnen - macht 825.000 Euro. Von dieser Summe bekommt der DFB 10 Prozent (rund 82.500 Euro) - und die beiden Klubs jeweils 371.250 Euro. 1860 bliebe nach Verrechnung der stadiongeborenen Kosten rund 330.000 Euro. Der Reingewinn würde logischerweise deutlich geringer ausfallen, wenn 1860 auch Stehplätze und vergünstigte Sitzplätze im bestuhlten Olympiastadion anbietet. Unsere Kalkulation, die freilich variabel ist, ist nichts weiter als ein erster Zahlencheck.

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PS: Von Fußball-Müdigkeit ist übrigens bei Pokal-Gegner Schalke 04 nichts zu spüren. Die Knappen haben für diese Zweitliga-Saison über 40.000 (!) Dauerkarten verkauft - und es ist auch davon auszugehen, dass auch viele Schalke-Fans das Spektakel an der Isar live erleben wollen. Zu Bundesliga-Zeiten lag der Tiefstwert der Schalke-Auswärtsfahrer laut Fussballmafia.de in der Saison 2019/2020 bei 2000 Fans (in Paderborn), im Auswärtsspiel beim FC Bayern bei 10.000 Anhängern. Die Schalker hatten nach den BVB-Fans die reisefreudigsten Anhänger im Oberhaus.

Jetzt liegt’s an den Löwen, für welchen Weg sie sich entscheiden. Klar ist, die Vorfreude auf dieses Spiel ist riesengroß.