VON OLIVER GRISS

Wenn man nach diesem Frust-Wochenende mit diesem bodenlosen 0:3 in Kaiserslautern etwas Positives suchen will, dann das: Es liegt erst der vierte Spieltag der Dritten Liga hinter uns. Im Grunde ist noch nichts passiert. Alles ist korrigierbar. Allerdings sollte der TSV 1860 mit ein bisschen Selbstreflexion spüren, dass diese erste Saison-Niederlage im Grunde nur eine Bestätigung der überschaubaren Vorbereitung bzw. auch der vorangegangenen Spiele ist: Man sollte das Glück nie überstrapazieren.

Um wieder die gewisse Selbstsicherheit zu finden (auch in den Abläufen), sollte sich Michael Köllner erinnern - an das Positive, an das alte Erfolgsrezept, als der TSV 1860 erst im Saisonfinale in Ingolstadt (1:3) den Relegationsplatz verpasste: Am erfolgreichsten waren die “Am-Limit-Löwen 2020/2021” - auch wenn es sich merkwürdig anhört - laut Schema meist nur mit einem nominellen Stürmer (Sascha Mölders). Stattdessen war das Mittelfeld dicht und mit großer Offensiv-Qualität bepackt. Der Beweis: Keiner schoß in der vergangenen Saison mehr Tore als die Löwen - 69 an der Zahl. Das sind 1,82 erzielte Tore pro Spiel.

Und trotzdem änderte Cheftrainer Michael Köllner in der Sommerpause dieses erfolgreiche System ab, das bei den Gegnern Angst, Schrecken und durchaus Anerkennung verbreitete - in das alte Leipziger Nagelsmann-System 4-2-2-2. Je nach Spielsituation ist dies natürlich auch anders zu interpretieren. Aber man muss kein großer Taktikfuchs sein, um zu sehen: Das funzt nicht richtig, auch weil im Mittelfeld die numerische Überlegenheit fehlt und natürlich mit Marius Willsch, Daniel Wein und Semi Belkahia wichtige Leistungsträger ausfallen. Aber dass die beiden Erstgenannten nicht zur Verfügung stehen, das wusste man nicht erst sei dem vergangenen Wochenende. Und man hat in der Vorbereitung auch gesehen, dass Leistungsträger wie Richard Neudecker und Quirin Moll von ihrer Normalform noch weit entfernt sind. Moll fehlte zuvor monatelang wegen eines Kreuzbandrisses, Neudecker wirkt seit der Sommervorbereitung arg uninspiriert und kraftlos.

Um die Gruppe zu stärken, hat die sportliche Kommandobrücke das uneingeschränkte Vertrauen ausgesprochen. Prinzipiell ein feiner Schachzug, doch im Leistungssport geht es nicht um die nächste “Hoibe”, sondern leider ums nackte Ergebnis. Deswegen muss die Mannschaft gegen Viktoria Köln den Vertrauensvorschuß aus dem dritten Stock zurückzahlen - oder Günther Gorenzel muss auf dem Transfermarkt reagieren, um nicht frühzeitig das große Ziel aus den Augen zu verlieren. Und nein, das hat nichts mit Aktionismus oder weltfremden Forderungen, sondern mit Weitsicht zu tun.