VON OLIVER GRISS

Der DFB hat nicht nur seit Jahren ein gewaltiges Image-Problem, sondern auch die Gabe, gewisse Vorgänge nicht richtig einzuschätzen - oder will er das auch gar nicht?

Klar, der TSV 1860 ist im Vergleich zu früheren Tagen nur noch eine kleine Nummer in Fußball-Deutschland (aber das kann sich ja wieder ändern!), aber dass Kapitän Sascha Mölders wegen seines Gefühlsausbruchs beim 2:2 gegen die Bayern-Amateure in Richtung Maxi Welzmüller (“Spacko, nächstes Jahr spielt ihr in der Regionalliga!”) sogar kurzzeitig um seine Teilnahme am Finale in Ingolstadt zittern musste und am Ende vom DFB-Sportgericht mit einer Geldstrafe von 1500 Euro verwarnt wurde, ist an Lächerlichkeit nicht zu überbieten. Manchmal beschleicht einen sogar das Gefühl, dass es sich in diesem Geschäft nur noch um reine Willkür handelt.

Der Fußball schafft sich ab.

Natürlich ist das Wort “Spacko” nicht unbedingt ein positives Wort, zumindest nicht in den elitären Stadtteilen von München. Aber: Wir reden hier immer noch von Fußball. Auf dem Platz ist sowieso alles anders. 90 Minuten Vollgas. Pures Adrenalin. Wer selbst nie gespielt hat, kann das nicht beurteilen. Hinterher ist sowieso alles wieder anders.

Wir wünschen uns alle Typen - und keine Weichflöten. Echte Kerle gibt es in dieser verweichlichten Gesellschaft im Jahr 2021 nur noch ganz wenige. Nicht in der Politik, nicht an der DFB-Spitze - und auch leider nur noch vereinzelt auf dem Fußballplatz. Ein Trauerspiel. Ja, und früher war wirklich alles anders. Wir erinnern nur an Max Merkel, Rudi Brunnenmeier, Petar Radenkovic, Rudi Assauer, Calli Calmund, Lothar Matthäus, Mario Basler, Olaf Bodden, Edgar Geenen, Werner Lorant oder auch Karl-Heinz Wildmoser. Sie lieferten der Bundesliga tagtäglich Stoff. Alle waren nicht so aalglatt wie heutzutage das Fußball-Business, in dem alle Antworten der Sportler meist zurecht geschliffen sind. Mölders ist nicht nur werbewirksam, sondern auch eine Identifikationsfigur für die Fans.

Und dann bleibt auch noch die Frage nach der Verhältnismässigkeit beim DFB-Sportgericht: Wer bewertet das alles? Wird gewürfelt? Bayern-Trainer Martin Demichelis forderte im Vorfeld des vergangenen Derbys seine Spieler auf: “Wir müssen Mölders weh tun.” Kostet natürlich nix - weil’s von einem ehemaligen Weltklasse-Verteidiger des FC Bayern kam? Eigentlich sollte man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Aber wenn schon, denn schon…

Am vergangenen Wochenende hat zudem ein bekannter Drittliga-Trainer vor laufender Kamera gesagt - und für alle am Bildschirm deutlich zu hören: “Scheiß Regel. Verfickte Drecksregel.” Der DFB macht die Regeln. Aber kann man schon mal überhören…

Und das Verfahren gegen Ex-DFB-Boss Fritz Keller wurde eingestellt, nachdem er Vize Rainer Koch mit dem Nazi-Richter Roland Freisler verglichen hatte. Immerhin musste Keller die Konsequenzen ziehen und zurücktreten.

Mit mehr als sieben Millionen Mitgliedern ist der DFB der größte Sportverband der Welt - doch es wird immer klarer, dass der altbackene DFB in seiner schwersten Krise nicht nur ein Facelifting braucht, sondern eine Kernsanierung im Interesse des deutschen Fußballs.