VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Stefan Behnisch, der Sohn des legendären Architekten Günter Behnisch, spricht in der Öffentlichkeit selten über das Erbe seines Vaters - das Olympiastadion. Für db24 hat dies der 64-jährige Architekt aus Stuttgart aber trotzdem getan. Er beantwortet auch die Frage, ob er sich vorstellen könne, dass der Profi-Fußball wieder dauerhaft in das Olympiastadion einzieht. Das Interview:

db24: Wann waren Sie zuletzt im Münchner Olympiapark - ist Ihnen auch das Herz aufgegangen? Das Olympiastadion, das Herz der Anlage, ist auch 50 Jahre danach noch ein architektonisches Wunder…

STEFAN BEHNISCH: Zuletzt war ich vor circa zwei Monaten im Olympiapark. Natürlich ist es immer schön dort zu sein, denn es sind für mich viele Erinnerungen damit verbunden.

db24: Wie sehr freut es Sie, dass das Olympiastadion seit dieser Drittliga-Saison wieder mit Fußball gefüllt wird und zuletzt auch der TSV 1860 nach 16 Jahren wieder in die Stätte seiner großen Erfolge zurückkehrt ist?

Natürlich freut es mich, wenn das Stadion wieder mehr genutzt und nicht nur als Museum betrachtet wird. Auch für Rockkonzerte und andere Events ist das ein guter Ort mit einer tollen Atmosphäre. Aber es ist natürlich noch schöner, wenn dort wieder Sportveranstaltungen stattfinden, wofür die Anlage ja ursprünglich gebaut wurde. Ich persönlich bin jetzt kein ausgewiesener Fußballfachmann oder Fußballfan, jedoch fand ich die Stimmung im Stadion auch bei Fußballspielen immer gut. Aber wie gesagt, ich bin kein Fachmann, und viele Fans hatten sich ja über die Weite und die Größe des Stadions beschwert.

db24: Es heißt immer wieder, wenn darüber laut nachgedacht wird, das Olympiastadion zu modernisieren, dass die Familie Behnisch aufgrund von Vertragsinhalten einen möglichen Umbau blockiert. In der “Welt” werden Sie zitiert, dass dies “eine Legende” sei. Können Sie dies bestätigen beziehungsweise konkretisieren?

Ich erinnere mich, dass die Familie Behnisch immer als Störfaktor bei den Planungen zur Erweiterung und zum Umbau des Stadions empfunden wurde. Das ist so jedoch nicht richtig. Einerseits gab es einen durchaus einflussreichen Verein zum Schutz der Sportanlagen, der sich vehement gegen einen Umbau gestellt hatte, andererseits gab es einflussreiche Persönlichkeiten auch im Kreis der Miturheber wie z. B. Fritz Auer, die Günter Behnisch mit rechtlichen Schritten drohten, sollte er einem Umbau zustimmen.
Günter Behnisch war immer der Meinung, das Olympiastadion müsse funktionieren, es müsse leben, sich auch anpassen an neuere Entwicklungen. Über einen längeren Zeitraum hatte das Büro Behnisch & Partner untersucht, wie und unter welchen Bedingungen eine Anpassung an veränderte Anforderungen möglich ist. Das Stadion sollte ja trotzdem als Kulturbauwerk erhalten werden. Günter Behnisch forderte von der Politik ein explizites Bekenntnis zum Umbau, eine Festlegung darauf, dass der Bürgerpark Olympiapark verändern werden würde und er forderte, dies auch vor der Bevölkerung politisch zu vertreten.

db24: Warum kam’s nie zu diesem Schritt?

Offensichtlich schienen weder Herr Ude noch Herr Stoiber dazu bereit zu sein. Als der Bürgerentscheid startete, wurde von politischer Seite versucht, das Verfahren zu beschleunigen. Günter Behnisch zog sich damals aus den Planungen zurück und war nicht mehr gewillt, die Verantwortung für eine Veränderung zu übernehmen, die scheinbar doch niemand befürwortete. Die Vereine wollten aus dem Stadion raus, Franz Beckenbauer machte dumme Andeutungen bezüglich einer Sprengung, Uli Hoeneß ließ keinen Zweifel daran, dass er das Stadion für unbrauchbar hielt. Weshalb hätte Günter Behnisch sich hier noch engagieren sollen? Er war immer der Meinung, das Urheberrecht sei zwar ein gutes Mittel, Gebäude vor unbotmäßiger Veränderung zu schützen, jedoch nicht geeignet, sie in museale Zustände zu versetzen und so eine sinnvolle Entwicklung zu behindern.

db24: Welche Kräfte stehen dann aus Ihrer Sicht dahinter, dass das Olympiastadion und dessen beeindruckende Infrastruktur eigentlich nur noch für Konzerte genutzt werden sollen?

Dem Olympiastadion wurde immer die Eignung als Fußballstadion abgesprochen – kein Hexenkessel, zu weit, zu entspannt. Nach Meinung der Verbände und Funktionäre sei es nicht möglich, eine aufgeheizte Stimmung zu erzeugen. Und im Fußball ist das wohl so gewollt. So bleiben letztendlich nur Kulturveranstaltungen, Entertainment und Leichtathletik übrig. Und wir dürfen natürlich nicht vergessen, dass das Olympiastadion letztendlich ein Leichtathletikstadion ist.

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db24: Wann hatten Sie zuletzt Kontakt mit der Stadt München bezüglich eines möglichen Umbaus?

Die Betreiber und der Denkmalschutz haben sich gemeinsam mit der Stadt München mit mir ins Einvernehmen gesetzt, wenn es um Themen des Umbaus, der Erweiterung oder um sonstige Veränderungen im Olympiapark ging. In letzter Zeit sind dies hauptsächlich denkmalgerechte Sanierungsmaßnahmen. Nicht beteiligt waren unsere Familie oder ich an den Veränderungen, die das Büro Auer Weber vorgenommen hat.

db24: Wäre es aus Ihrer Sicht möglich, diesen Kulttempel so zu modernisieren, dass wieder DFL-Fußball (Auflagen, Vollüberdachung!) gespielt werden kann?

Möglich ist natürlich alles. Jedoch meine ich, dass sowohl der Denkmalschutz als auch der Antrag auf Weltkulturerbe großen Modernisierungen entgegenstehen. Und bevor über eine solche Maßnahme nachgedacht wird, stehen wieder die Fragen im Raum: Ist sie politisch gewollt? Wird sie von den Bürgerinnen und Bürgern vertreten? Wird es ein gutes Stadion werden? Es ist nicht zuerst eine Urheberrechtsfrage. Diese Verantwortung kann nicht den Architekten alleine zugeschoben werden, sondern es ist die Frage, wie Park, Stadion und die weiteren Veranstaltungsstätten von den Menschen in der Stadt gesehen werden und welchen Stellenwert sie hier haben.

db24: Rückblickend: Hätte die WM 2006 auch in einem umgebauten Olympiastadion stattfinden können? Sie haben einmal gesagt, dass sich Stoiber und Ude nie zum Umbau des Olympiastadions bekannt haben - womöglich, damit die Allianz Arena geschaffen werden konnte…

Tatsächlich meine ich, dass das Olympiastadion für WM-Veranstaltungen nach heutigen Kriterien nicht geeignet ist. Dazu sind diese Veranstaltungen viel zu kommerziell und zu werbelastig. Für die gewünschte aufgeheizte und laute Stimmung werden steile, enge Stadien benötigt und nicht die entspannte, weite Situation eines Leichtathletikstadions.