VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (FOTO)

Der TSV 1860 hat viele Talente hervor gebracht, die nach dem Abschied aus München-Giesing eine tolle Karriere hingelegt haben. Auch Marcel Schäfer hat das weiß-blaue Sprungbrett für sich genutzt. Der gebürtige Aschaffenburger, der den Weg über das NLZ des TSV 1860 in die Bundesliga zum VfL Wolfsburg gefunden hat und dort sogar Nationalspieler aufstieg, hat den Löwen viel zu verdanken. Am Dienstag besuchte Schäfer, inzwischen erfolgreicher Sportdirektor beim VfL Wolfsburg, das Trainingsgelände an der Grünwalder Straße 114 - auch um alte Erinnerungen aufleben zu lassen. db24 führte mit Schäfer ein exklusives Interview:

db24: Servus, Marcel Schäfer! Wie kam’s zum spontanen Besuch bei Ihrer alten Fußballliebe 1860?

MARCEL SCHÄFER (36): München ist ja immer eine Reise wert. Nachdem die Transferperiode vorbei ist, habe ich mit meiner Familie ein paar Tage Urlaub im Allgäu verbracht - und ich wollte unseren Kids auch zeigen, wo Mama und Papa früher gewohnt und gearbeitet haben. Identfikation und Treue sind für mich große Themen und ich habe selbstverständlich nicht vergessen, dass bei 1860 alles begann. Ich weiß, wo ich her komme. Ich bin 1860 sehr dankbar und werde das auch nie vergessen.

62569.jpg

Im Sommer 1999, als der TSV 1860 seine Hochphase in der Bundesliga hatte, wechselten Sie im zarten Alter von 15 Jahren aus Aschaffenburg ins NLZ der Löwen…

Wir haben aus diesem Jahrgang heute noch eine Whatsapp-Gruppe - unter anderem mit Daniel Baier oder Christoph Jancker. Zweimal haben wir uns auch schon in München getroffen. Leider ist das viel zu selten. Für mich war das bei 1860 eine gigantische Zeit, an die ich mich immer wieder gerne zurückerinnere. Wir sind damals mit 14,15 Jahren von Zuhause weggegangen, um in der großen Welt zu bestehen. Das hat uns alle zusammengeschweißt. Diese Zeit im NLZ hat uns für unser weiteres Leben stark geprägt. Was man natürlich auch wissen muss: 1860 hatte über viele Jahre mit die beste Jugendakademie Deutschlands, die nicht nur die Bundesliga, sondern auch die Nationalmannschaft immer wieder beliefert hat. Ich würde mir für 1860 wünschen, dass sie an dieses Niveau wieder hinkommen.

62571.jpg

Was hatte 1860 früher besonders ausgezeichnet?

Die Authenzität und die hohe Durchlässigkeit vom Jugend- in den Herrenbereich. Man muss sich das mal vorstellen. Würde man alle Spieler, die das 1860-NLZ durchlaufen haben, in einer Mannschaft zusammenstellen, dann hätte das auch für die Euro League gereicht: Benny Lauth, Daniel Baier, die Benders, Kevin Volland und so weiter.

Können Sie sich noch an Ihren ersten Startelf-Auftritt bei 1860 im September 2004 erinnern?

Ja, selbstverständlich. Der Start verlief allerdings etwas holprig: Wir haben im DFB-Pokal mit 3:4 nach Elfmeterschießen gegen Eintracht Trier (5400 Fans im Grünwalder Stadion, d. Red.) verloren. Ich habe ein ordentliches Spiel gemacht, aber leider einen Elfmeter verschossen. In drei Jahren bin ich bei 1860 auf 90, 91 Spiele gekommen. Das war eine gute Zeit, auch wenn wir am letzten Spieltag der Saison 2004/2005 den Aufstieg verloren haben. Gegen Ahlen hatte ich beim 3:4 auch getroffen. 20 Minuten waren wir Dritter, aber Frankfurt hatte sich dann im Fernduell leider durchgesetzt. Ich glaube, ich bin übrigens einer der ganz wenigen Spieler, der in allen drei Münchner Stadien gespielt hat: Olympiastadion, Grünwalder Stadion und Allianz Arena. Und im Grünwalder fand ich es schon cool, meine Familie redet heute noch davon, dass es vom Trainingsgelände zum Stadion immer eine Bimmelbahn gab (lacht).

2007 sind Sie dann zum VfL Wolfsburg gewechselt. Wie kam’s?

Wir hatten in der Vorbereitung ein Testspiel gegen Wolfsburg mit 1:5 verloren - eine Woche später rief mich Felix Magath an. Ich wusste damals nicht, was er in mir gesehen hat (lacht). Zwei Jahre später wurde ich dann mit dem VfL Meister. Wir hatten eine Super-Truppe.

Sie haben sich am Dienstag am Trainingsgelände auch mit Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel unterhalten. Ist ein Testspiel gegen Wolfsburg möglich?

Natürlich - das ist sicher ein Gedankengang, wobei ich lieber ein Pflichtspiel gegen 1860 bestreiten würde (lacht). Und zu Gorenzel: Ich war ja Spieler, als er unter Walter Schachner und Marco Kurz Co-Trainer war. Wir haben uns kurz ausgetauscht. Ich verfolge ja das Geschehen bei 1860 - und freue mich riesig, dass die Mannschaft so toll gestartet ist. Was ich von außen mitbekomme, muss ich sagen: Sie machen alle einen guten Job, was sich hoffentlich lange auch in der Tabelle widerspiegeln wird.

62570.jpg

1860 führt derzeit die Dritte Liga an. Ein völlig neues Gefühl…

Ja! Nachdem es in den letzten 10,15 Jahren turbulente Zeiten auf der Tagesordnung standen, ist es sehr angenehm, dass es jetzt so ruhig ist. Ich habe über all die Jahre mitgelitten. Man tut weiter gut daran, die persönlichen Interessen hinten anzustellen - und dass mit einer Sprache gesprochen wird. Das ist sehr positiv. Und der Zuschauerzuspruch bei 1860, selbst in dem einen Jahr in der Regionalliga, ist sowieso sensationell. Dieser Verein hat eine unglaubliche Power: 1860 ist und bleibt ein schlafender Riese! Als ich in den USA gespielt habe, wurde ich desöfteren auf 1860 angesprochen. Diesen Verein kennt man in der ganzen Welt.

Wie sehen Sie das Niveau der Mannschaft?

Wenn ich Zeit habe, schaue ich auch 1860-Spiele. Der gute Start macht Hoffnung. Er kann dafür sorgen, dass viele Dinge in Zukunft leichter laufen. Es gibt neben den erfahrenen Spielern wie Sascha Mölders, Quirin Moll oder Stefan Lex sehr ordentliche Talente wie Dennis Dressel und Erik Tallig - da sieht man Potential. Und mit Richard Neudecker ist ein Spieler verpflichtet worden, der für die Dritte Liga ein überdurchschnittlicher Spieler sein kann.