VON OLIVER GRISS

1860-Idol Petar Radenkovic war bis vor einigen Tagen in München. Wie immer hat er im “Blauen Bock” am Viktualienmarkt gewohnt. “Ich habe mich besonders gefreut”, erklärte Radi, “dass mir der bayerische Ministerpräsident Markus Söder schriftlich zu meinem 85. Geburtstag gratuliert hat. Das war toll.” Von seinen Löwen hat er keine Post bekommen. Aber die Torwart-Legende wird dies verschmerzen, schließlich hat er ein unterkühltes Verhältnis zu den Löwen. db24 hat Radenkovic zum exklusiven Interview getroffen.

db24: Ihr Ex-Klub spielt in der Dritten Liga das “Stadtderby” gegen den FC Bayern II (heute, 14 Uhr, dieblaue24-Liveticker): Wollen Sie uns einmal erklären, wie sich ein Derby früher angefühlt hat?

PETAR RADENKOVIC: Am Anfang gab es dieses Derby nicht. Wir waren in der Bundesliga - und die Bayern hatten die heutige Rolle von 1860 inne: Sie haben in der Provinz gespielt. Am Anfang. Die echte Rivalität begann erst, als Bayern 1965, also zwei Jahre nach Bundesligastart, aufgestiegen ist. Und das war fantastisch, denn München war fortan die einzige Stadt mit zwei Bundesliga-Klubs. Und das nicht irgendwie, sondern beide Vereine kämpften um die deutsche Meisterschaft.

An welches Derby zwischen Blau und Rot erinnern Sie sich besonders gerne?

An das erste: Wir haben 1:0 gewonnen. Timo Konietzka hat in der 1. Minute das Siegtor erzielt. Monate zuvor gab es nur ein Thema an den Stammtischen - und hinterher erst recht: 1860, Bayern, 1860. Es waren die besonderen Spiele, für die wir Fußballer geworden sind. Das war einzigartig und echte Rivalität - und heute kaum noch vorstellbar.

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Das letzte Bundesliga-Derby ist bereits 15 Jahre her. Jetzt muss 1860 gegen die zweite Mannschaft der Bayern spielen…

Eine ganz traurige Geschichte. So wie es am Anfang der Bundesliga war, ist es jetzt umgekehrt: Nicht Bayern spielt auf den Dörfern, sondern 1860. München ohne Derbys - ist wie eine Suppe ohne Salz. Es gab ja auch in den 70er Jahren eine Zeit, da gab es keine Derbys. Die Münchner waren sehr traurig, aber seit dieser Zeit hat der FC Bayern bis heute eine Monopolstellung in Deutschland. Es ist unerklärlich, dass es bei 1860 kaum einen gibt, der daran arbeitet, das diese Festivals eine Neuauflage erfahren. Bei 1860 scheint es nicht viele echte Fußballfreunde zu geben…

Ja, eine traurige Gesellschaft.

Ich sag Ihnen mal was: Würde 1860 morgen in die Bundesliga aufsteigen, müsste der Verein wieder in der Allianz Arena spielen, weil der Verein ein echter Zuschauermagnet ist. Vorausgesetzt natürlich, es würde guter Fußball geboten. Vor einem starken 1860 hat Uli Hoeneß immer Angst gehabt, das weiß ich. Aber so wie 1860 sich seit Jahren zeigt, ist das eine Katastrophe.

Warum kommt 1860 nicht mehr hoch?

Der gravierende Unterschied zwischen den beiden Vereinen ist die Führungsebene. Während bei Bayern ausschließlich Profis und die Elite arbeitet, zieht 1860 immer wieder Amateure an, die die Plattform 1860 für ihr eigenes Ego benutzen. Mir tun die Fans leid, die tief verbunden sind mit ihrem Verein, aber jede Saison aufs Neue enttäuscht werden. Die Struktur bei 1860 ist kaputt. Es kamen in den letzten 50 Jahren Präsidenten und Trainer ohne Erfahrung, ohne alles in den Verein - das Ergebnis ist Dritte Liga. Ich habe es schon einmal gesagt: Ich habe in Belgrad einen Stammtisch. Meine Freunde fragen mich: “Wie kann es sein, dass 1860 in diesen Zustand geraten ist?”

Was antworten Sie?

Es ist eigentlich ganz einfach: 1860 braucht einen Präsidenten, der von allen Seiten respektiert wird und ein Macher ist, einen guten Sportchef - und einen noch besseren Trainer. Wenn diese drei Baustellen behoben sind, wird 1860 den Weg in die Bundesliga zurück finden. Und dann fehlt nur noch das Geld dazu, um den Plan zu verwirklichen.

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#legende #radi #tsv1860

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Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik hat in den letzten achteinhalb Jahren dem TSV 1860 zwischen 70 und 80 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Das ist eine Katastrophe - und steht exemplarisch für diesen Verein. Mir tut der Sponsor leid, dass er blind Geld gegeben hat, ohne zu wissen, was mit seinem Geld passiert. Das war natürlich auch sehr naiv. Der Verein hätte das Konzept vorlegen müssen, nicht andersherum, weil man von Ismaik nicht verlangen kann, dass er ein Fußball-Experte sein muss. Natürlich hat Ismaik auch Fehler gemacht, aber für den Plan ist in erster Linie der Verein 1860 verantwortlich. Oder glauben Sie, dass beim FC Bayern Adidas oder die Telekom die Strategie vorgibt?

Natürlich nicht. 1860-Präsident Robert Reisinger schaut in erster Linie auf das Grünwalder Stadion.

Ich kann’s nicht mehr hören: 1860 ist kein Stadionverein, sondern ein Fußballklub. Deswegen braucht 1860 ein großes Stadion - und weil das Grünwalder Stadion nie wieder das Fassungsvermögen früherer Tage bieten kann, muss sich der Verein anders orientieren. Ich verstehe nicht, wie man so blind sein kann.

OB Dieter Reiter würde den Löwen bei einem möglichen Umbau des Grünwalder Stadions helfen, allerdings wird die Kapazität nie höher als 18.060 Zuschauer sein.

Für Dritte Liga ist dieses Stadion in Ordnung. Aber will 1860 ewig auf diesem Niveau rumdümpeln? Ich verstehe nicht, wie man als Verein diesen Plan unterstützen kann. Bei 1860 reden Leute und Laiendarsteller, die von der Materie Fußball keine Ahnung haben. Wäre ich 30 Jahre jünger, würde ich mich sofort bei 1860 engagieren. Wenn 1860 klein bleiben will, dann müssen sie weiter klein denken. Ich verstehe auch die Fans nicht, die die Verzwergung von 1860 akzeptieren. Das tut einfach nur weh.

Den zweiten Teil des Radi-Interviews lesen Sie in der kommenden Woche.