VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (FOTO)

Thomas Riedl hat Fußball-Geschichte in München geschrieben. Über sein 1:0-Siegtor am 27. November 1999 gegen Bayern wird heute noch gerne an den Stammtischen gesprochen. Inzwischen arbeitet der 43-Jährige, der von 1999 bis 2001 für die Löwen spielte, für die Volksbank in Kaiserslautern als Firmenkunden-Berater und trainiert nebenbei die Fritz-Walter-Buben. “Irgendwann hätte ich Lust, wieder eine höherklassige Mannschaft zu trainieren”, erklärte der A-Schein-Inhaber im db24-Interview.

db24: 1860 gegen Lautern, eigentlich müssten Sie bei diesem Drittliga-Duell Ihrer beiden Ex-Teams im Grünwalder Stadion sitzen. Oder, Thomas Riedl?

THOMAS RIEDL: Eigentlich, ja. Aber wenn ich nach München gefahren wäre, dann hätte ich auch auf die Wiesn gehen müssen (lacht). Und das spielt sich nicht. Ich habe am nächsten Tag in der Früh ein Spiel mit den Fritz-Walter-Buben, bei denen ich Trainer bin. Das macht Spaß. Aber: Ich werde dem SWR als Gesprächspartner zur Verfügung stehen. Ich fahre am Samstag nach Stuttgart, wir machen das aus dem Studio.

Beim 1. FC Kaiserslautern gab es vor kurzem einen Trainerwechsel: Boris Schommers für Sascha Hildmann.

Ich musste den Namen erst einmal googlen - diese Verpflichtung ist schon sehr riskant. Ich hatte eigentlich mit einem gestandenen Namen gerechnet. Martin Bader hat diese Personalie zu verantworten. Das ist seine Idee, lassen wir uns überraschen. Man muss Schommers eine faire Chance geben.

Der FCK kommt einfach nicht in Schwung, symbolisch für die sportliche Talfahrt steht das 1:6 in Meppen.

Lautern hat mit der Hilfe von Flavio Becca am meisten investiert und für die Dritte Liga wirklich gute Namen verpflichtet. Jetzt hängt’s an der sportlichen Leitung, diese Qualität auf den Platz zu kriegen. Sie haben den Kader zur Verfügung, den sie wollten. Wenn du so viel Geld in die Hand nimmst, dann musst du andere Ansprüche haben. Das wird auch Becca so sehen.

Wie sieht man in der Pfalz Investor Flavio Becca?

Becca hat in letzter Sekunde dem Verein die Lizenz gerettet. Es gab bei uns auch Traditionsbewusste, die die Ausgliederung nie wollten. Aber der Großteil der Fans hätte alles gemacht, dass wir gerettet werden. Ein Investor ist am Anfang immer der große Unbekannte. Das schreckt natürlich ein wenig ab. Becca verhält sich momentan sehr ruhig. Er wartet ab. Er ist aber bei jedem Heimspiel. Jeder muss wissen: Er ist ein Investor und kein Gönner, natürlich will er auch Mitspracherecht. Er will wissen, was mit seinem Geld passiert. Das würde keiner von uns anders handhaben, da muss man ehrlich zu sich selbst sein. Sein Geld besteht übrigens auch aus Darlehen - wie bei 1860…

Bei den Löwen wird Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik von Teilen der Fanszene seit seinem Einstieg bekämpft…

Das Konstrukt Verein/Investor funktioniert nur, wenn alle in einem Boot sitzen und alle in die gleiche Richtung padeln: Miteinander und nicht gegeneinander ist der Leitsatz! Die Gefahr besteht allerdings immer, dass man sich nicht grün ist: der e.V. steht für den Breitensport, die KGaA für den Leistungsssport - da gibt’s immer unterschiedliche Interessen. Wenn’s nicht läuft, heißt es dann schnell: Der Investor ist schuld. Nein, die ehrenamtlichen Funktionäre sitzen dann genauso mit im Boot. Das wird bei 1860 immer schnell vergessen. Welcher Investor stellt 70 bis 80 Millionen Euro zur Verfügung?

Wie sehen Sie die Lage bei 1860?

(lacht): Es gibt mal wieder ein bisschen Chaos. Die Situation ist superschwierig. Ein Plan steckt hinter der Kaderplanung jedenfalls nicht. Scheibchenweise wurden die Neuzugänge verpflichtet, weil die Bayerische und Hasan Ismaik dann doch noch geholfen haben. Trotzdem: was willst du denn als Trainer machen? Ein Plan steckt hier von der Vereinsführung nicht dahinter. Jedes Jahr wird dir der Etat gekürzt, die Mannschaft wird unruhig - es gibt leichtere Jobs als bei 1860 Trainer zu sein. Deswegen spricht es für Biero, dass er die Herausforderung annimmt und geblieben ist. Und das ist keine Selbstverständlichkeit. Biero hat in der Branche einen guten Namen.

Zuletzt hat die Vereinsseite ein Statement abgegeben, indem sie Bierofka indirekt ins Schaufenster gestellt hat.

Das ist natürlich merkwürdig. 1860 kann froh sein, dass Daniel Bierofka im Sommer nicht hingeworfen hat. Er ist die einzige Konstante in diesem Verein. Solche Figuren sollte man hegen und pflegen. Aber wir haben die selben Probleme in Lautern: Die Helden werden ignoriert. Der Vertrag von Olaf Marschall wurde nicht verlängert. Er ist der Hero der Meistermannschaft. Es ist für jeden Verein wichtig, einige Helden einzubauen. Wie 1860 mit Bernhard Winkler umgegangen ist, hat mich schockiert. Ich kann bis heute nicht verstehen, dass eine kleine Gruppe im Verein die Macht hat, ihn rauszuekeln.

Die Vereinsspitze des TSV 1860 hat sich den Konsolidierungskurs verschrieben.

Wie das funktionieren soll, kann ich mir nicht erklären. In der Dritten Liga ist es ein Sterben auf Raten. Du machst jedes Jahr eine negative Bilanz, du bist verdammt, deine besten Spieler zu verkaufen. Auf Dauer kannst du in dieser Todesliga nicht überleben. Es gibt keinen Verein in Deutschland, der positiv aus der Dritten Liga rauskommt. Ohne Kohle geht’s nicht mehr. Tradition schießt keine Tore! Bei 1860 ist es schon extrem, wie versucht wird, mit dem Nostalgiegedanken sein Revier zu verteidigen. Es gibt viele warnende Beispiele.

Am 27. November jährt sich Ihr Jahrhundertor zum 1:0-Sieg über die Bayern bereits zum 20mal…

Wahnsinn, wie die Zeit vergeht: 20 Jahre später, 15 Kilo schwerer (lacht). Man denkt gerne an diese Zeit zurück. Das erste Jahr bei 1860 war wie ein Rausch für mich. Ich bin sehr stolz darauf, Teil dieser überragenden Mannschaft gewesen zu sein. Ich denke, dass 1860 ein Bundesliga-Derby gegen Bayern gewinnt, wird nicht mehr so schnell kommen…