VON OLIVER GRISS UND ULI WAGNER (FOTO)

Werner Lorant (70) ist eine lebende Legende beim TSV 1860. Mit Besorgnis verfolgt der Kulttrainer aus Waging den Absturz seines Klubs. Das db24-Interview mit der Vereinsikone:

dieblaue24: Herr Lorant, lassen Sie uns über 1860 reden…

WERNER LORANT (70): Eigentlich habe ich keine Lust dazu. Ich kann die Helden des Klubs, wie Petar Radenkovic, verstehen, dass sie sich immer mehr abwenden. Man kann sich den Mund fusselig reden, aber es passiert nichts. Es wird bei 1860 gearbeitet wie in einem Biotop - und das meine ich jetzt nicht positiv.

An der Spitze des Vereins steht Robert Reisinger.

Ich konnte mir Blickpunkt Sport nicht zu Ende ankucken. Ich war ehrlich gesagt ein wenig schockiert. Auch die Aussage mit den Homeboys… Das hat nichts mit 1860, mit diesem tollen Traditionsverein zu tun. Der Mann hat keine Emotionen und keine Ausstrahlung. Wenn ich Präsident von 1860 bin, dann brauche ich Ziele. Sportliche Ziele. Es wird nicht besser, sondern immer schlechter. Ich bewundere die Mitglieder und Fans, dass sie so ruhig bleiben können. Ich kann es nicht, weil ich mit zu großem Herzen bei diesem Klub dabei bin. 1860 darf nicht in der Dritten Liga rumeiern.

Reisinger hat gesagt, er sei der Präsident des e.V…

Wenn ich das schön höre…1860 ist ein Fußballverein und kein Turnklub. 1860 definiert sich über den Fußball, dementsprechend gehört dieser Bereich auch gepflegt und gefördert. Aber ich glaube, dass für diese Herren die Dritte Liga das Höchste der Gefühle ist. Wie Reisinger sein Amt ausübt, so kann man einen Verein wie 1860 jedenfalls nicht führen.

Mit Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik herrscht weiter Funkstille. Reisinger kommuniziert lieber über Emails als direkt…

Das muss man sich einmal vorstellen. Ismaik hat 60 Prozent der Anteile und keiner geht auf ihn persönlich zu. Das zeigt mir: Die wollen gar keine Verbesserung. Einen wie Ismaik muss man pflegen und streicheln, dann kommt auch was zurück. Das habe ich schon 1000mal gesagt. Wenn der Verein weiter so arbeitet, werden wir keine neuen Fans gewinnen. Die gehen dann lieber zu den Roten oder nach Augsburg. So wie ich das verstanden habe, will Reisinger jetzt acht Jahre konsolidieren. Über acht Jahre? Er weiß ja nicht mal, ob er dann noch Präsident ist.

Mölders sollte dringend an seiner Fitness arbeiten

Und wie groß ist Ihre Sorge bezüglich der sportlichen Leistungen?

Ich kann mir das Gerumpel kaum mehr ansehen. Wenn ich schon den Mölders sehe. Der läuft rum wie eine Schlaftablette. Er kommt kaum mehr in den Strafraum. Da ist kein Druck auf dem Kessel. Er sollte dringend an seiner Fitness arbeiten. Entweder macht er mit, oder er sagt zu Bierofka: “Trainer, ich kann nicht mehr!” Der Mölders ist doch froh, dass er noch einen Vertrag hat. Das ist aber gefährlich. Die jungen Spieler schauen ihm zu und orientieren sich danach, machen dann auch einen Schritt weniger. Wenn er nicht mehr mitzieht, dann muss sich Daniel was einfallen lassen…

Abhilfe könnten Verstärkungen schaffen.

Das kann ich nur dringend empfehlen. Ein Abstieg ist teurer als ein paar Verstärkungen. Ich sehe hinten keinen Chef, im Mittelfeld brauchst du zwei sehr gute defensive Mittelfeldspieler, die das Spiel lesen können - und links und rechts sehe ich keine Außenstürmer, die über dem Durchschnitt sind. Außerdem braucht die Mannschaft einen Stürmer, der die Liga kennt und zehn Tore plus erzielen kann. Warum holen die Löwen nicht Anton Fink? Ich würde ihn holen - der wäre genau der Richtige! Das muss ich wissen. Aber der Trainer muss überzeugt sein. Bei mir haben sie zunächst auch alle gelacht, als ich Olaf Bodden verpflichtet habe..

Die Mannschaft steckt vor dem Auftritt in Chemnitz (heute, 18 Uhr, dieblaue24-Liveticker) im Keller: Eine Überraschung?

Nicht wirklich. Das war abzusehen. Eigentlich hätte Bierofka nach der letzten Saison hinwerfen müssen - ich hätte jedenfalls nicht weiter gemacht. Er hat sein Herz entscheiden lassen und den Verstand ausgeschaltet. Dass es ohne richtige Neuzugänge schwer wird, das war von vornherein klar. Aber jetzt muss Bierofka die Suppe auslöffeln. Dem Verein sollte klar sein: Sollte Bierofka irgendwann aufgeben, ein richtig guter Trainer tut sich 1860 nicht mehr an. Die Zeiten sind vorbei. Aber dass das alles so gekommen ist, darüber brauchen sich die Fans jetzt nicht aufzuregen und zu jammern. Sie hatten es auf den Mitgliederversammlungen selbst in der Hand…