VON OLIVER GRISS

Wir blicken noch einmal auf die 1860-Mitgliederversammlung vor zwei Wochen zurück. Präsident Robert Reisinger wurde auf dem höchsten Vereinsgremium mit einer Verbalentgleisung aus alten Tagen konfrontiert, die er im Verwaltungsrats-Wahlkampf in der Wirtschaft “Gartenstadt” vor einigen Zeugen gesagt hatte: “Der Profifußball geht mir am Arsch vorbei.” Als ihn Allesfahrer Franz Hell mit dieser Aussage konfrontierte, stritt der Ober-Löwe diesen Vorwurf noch ab. Kurz danach trat Elisabeth Nagelstutz ebenfalls ans Mikrofon. Auch sie wollte von Reisinger wissen, warum er diese ablehnende Haltung gegen den Profifußball habe. Auch Nagelstutz war in der Pro1860-Hochburg vor Jahren dabei. Reisinger war es sichtlich unangenehm und fühlte sich “überführt”. Gewählt wurde der 50+1-Präsident trotzdem…

Und Reisinger konnte in der Sommerpause diesen eher peinlichen Satz auch nicht entkräften - der 55-Jährige fehlte bei allen neun Testkicks des Drittliga-Teams. Nicht einmal beim Blitzturnier in Heimstetten ließ sich der Unternehmensberater blicken. Dabei läge der Sportpark nur einen Taubenschlag von Reisingers Wohnort Kirchheim entfernt. Naja, was haben wir in der Vorbereitung gelernt? Nachdem sich Neuzugang Dennis Erdmann selbst als Wettkampfspieler bezeichnet, ist Reisinger vielleicht ein “Wettkampfzuschauer”…

Und trotz seines Fernbleibens kam Reisinger zu dem Entschluss, dass die Löwen gut für den Saisonstart gerüstet seien. “Durch das erweiterte Sponsoring unseres Haupt- und Trikot-Sponsors die Bayerische und die Vertragsverlängerungen weiterer Sponsoring-Partner konnte das Saisonbudget und die Wettbewerbsfähigkeit der Mannschaft für die kommende Saison sichergestellt werden”, behauptet Reisinger in einer Presseerklärung des Präsidiums.

Hätte der Präsident die Vorbereitung der Löwen intensiv verfolgt, würde Reisingers Analyse vermutlich anders klingen. Denn eines stach deutlich ins Auge: Im Angriff fehlt dem TSV 1860 trotz Sascha Mölders die Durchschlagskraft. Und dazu muss man kein diplomierter Mathematiker sein: Ohne Tore kann die Bierofka-Elf nur sehr schwer Spiele in der Dritten Liga gewinnen. Beim Blitzturnier in Heimstetten kam der Löwe gegen Gladbach (0:1) und Fürth (0:1) genau zu einer Torchance - nach einem Freistoß.

Rückkehrer Timo Gebhart wird die Probleme mit seiner Genialität zwar etwas lindern, doch erst wenn 1860 die vakante Baustelle “Stoßstürmer” geschlossen ist, kann man seriös von einer wettbewerbsfähigen Mannschaft sprechen. Unüberlegte (beruhigend gemeinte) Reisinger-Floskeln bringen keinem etwas, schon gar nicht Trainer Daniel Bierofka.