VON OLIVER GRISS UND ULI WAGNER (FOTO)

Dass ein Amt beim TSV 1860 kein Zuckerschlecken ist, das wusste schon der legendäre Karl-Heinz Wildmoser. Wenn der einstige Großgastronom mal wieder gestresst war, jammerte er stets: “Mit diesem Verein hast du nullkommanull Lebensqualität.” Aber: Wildmoser hatte die Löwen im Griff, führte sie von den Niederrungen der Bayernliga bis in die Champions League-Qualifikation. Deswegen hat der längst verstorbene Ex-Präsident für viele Fans auch heute noch absoluten Kultstatus.

Lebensqualität hat auch Robert Reisinger wenig, was aber auch darauf zurückzuführen ist, dass er sich bei 1860 das Leben selbst schwer macht. Und viele Fans fragen sich mittlerweile: Für was steht Robert Reisinger (seit zwei Jahren im Amt) eigentlich bei den Löwen? Was nicht wegzudiskutieren ist: Zum einen fürs Grünwalder Stadion und zum anderen für einen Konfrontationskurs gegen Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik (das bringt ihm Sympathien bei der aktiven Fanszene, für die, die Spielklasse eher sekundär ist) - dass das den Verein nicht weiterbringt? Ja, mei…

Und deswegen werden dem Präsidenten auch Aussagen verziehen, die anscheinend alles andere als wasserdicht sind. “Eine Erhöhung des Sponsorings, zu dem auch die Verwertung der Namensrechte des NLZ gehören, bedarf keiner Zustimmung der Gesellschafter”, hatte Reisinger zuletzt der “Süddeutschen Zeitung” mitgeteilt. Richtig ist aber - und das berichtete db24 bereits am Dienstagmorgen: Alle Sponsorensummen ab 150.000 Euro sind von beiden Gesellschaftern zustimmungspflichtig.

Die “SZ” schreibt in ihrer Mittwochausgabe: Unter Punkt 3.1 im Geschäftsvertrag steht: “Zu den folgenden Maßnahmen und Handlungen bedarf die Geschäftsführung der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung”. Eines der zustimmungspflichtigen Geschäfte ist dann in Punkt 3.1.14 aufgeführt: “das Einräumen exklusiver Lizenzrechte an eigenen gewerblichen Schutzrechten oder Vermarktungsverträgen (…) sowie von Werbe-, Sponsoring- und Ausrüsterverträgen, soweit das vertraglich geregelte Entgelt EUR 150.000,00 jährlich übersteigt.” Die Streitfrage ist: Wer muss den Deal absegnen? Die Versammlung der KGaA oder doch die Gesellschafterversammlung der Geschäftsführungs-GmbH, die eine 100prozentige Tochter des e.V. ist? Wer hat bei den Löwen noch den Durchblick? Keiner will einen Fehler machen, ist aus der Grünwalder Straße zu hören.

Der Sponsorvertrag, der dem Drittligisten in den nächsten zwei Jahren 1,1 Millionen Euro mehr bringen würde, war jedenfalls auch am Dienstagabend noch nicht unterschrieben. Zieht Präsident Robert Reisinger am Ende 50+1? Die Transferperiode läuft ohne die Löwen. Die interessantesten Schnäppchen sind längst wieder vom Markt: Martin Kobylanski ist ablösefrei von Preußen Münster zu Eintracht Braunschweig gewechselt, Meppens Nick Proschwitz hat ebenfalls in Niedersachsen unterschrieben. Und Julius Düker, der vom SC Paderborn zuletzt an die Braunschweiger verliehen war, geht künftig für den SV Meppen auf Torejagd. Bei den Löwen steht auf der Seite der Zugänge weiter die Null. Bislang konnte nicht einmal der 450-Euro-Vertrag mit U21-Abwehrstratege Marco Raimando Metzger finalisiert werden.

Was auf jeden Fall in der Sponsoring-Posse interessant ist: Während der Unternehmesberater aus Kirchheim den TSV 1860 auf Gesellschafterebene gerne breiter aufstellen würde, um die Macht auf mehrere Schultern zu verteilen, hat Reisinger anscheinend kein Problem damit, dass der Versicherer aus Neuperlach noch mehr Einfluss bekommt als er schon hat…