VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (FOTO)

Daniel Bierofka (39) opfert sich für den TSV 1860 auf. Trotz der Doppelbelastung Liga-Alltag und Trainer-Kurs hat er die Löwen nach dem Aufstieg im Sommer noch einmal weiterentwickelt. Das exklusive db24-Interview mit dem Trainer:

dieblaue24: Der TSV 1860 hat von den letzten neun Spielen nur zwei verloren: Herr Bierofka, wie zufrieden sind Sie mit dem 0:0 in Münster?

DANIEL BIEROFKA: Beim Tabellenzweiten einen Punkt zu holen ist ok. Ich glaube, dass wir in der ersten Hälfte die gefährlichere Mannschaft waren. Schade, dass wir eine unserer wenigen Chancen nicht genutzt haben. Defensiv war die Leistung gut. Aber wir müssen noch die Balance finden, wenn wir defensiv gut spielen, dass wir offensiv noch mehr Aktionen haben.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse aus dem Punkt in Münster dürfte für Sie sein, dass Ihre Mannschaft verschiedene Systeme spielen kann. In Münster agierte 1860 in einer 3-5-2-Variante.

Wir haben mit diesem System auch schon beim 1:1 in Unterhaching gespielt. In der heutigen Zeit muss man einfach variabel sein. Das ist auch ein Entwicklungsschritt der Mannschaft, dass sie mittlerweile mehrere Systeme spielen kann und es nicht lange dauert, in einer anderen Grundformation zu spielen. Das ist genau das, was wir alle wollten. Das ist unser Ziel: Wir wollen den Spielern mehrere Systeme beibringen - nicht nur für diese, sondern auch schon für die nächste Saison. Aber wir denken nicht nur in Systemen, sondern vor allem in Prinzipien.

Sie haben Kapitän Felix Weber zurück in die Mannschaft geholt. Er hat das Vertrauen mit einer guten Leistung bestätigt. Glücklich darüber?

Absolut! Es freut mich für Felix, dass er die Leichtigkeit wieder zurückgewonnen hat. Ich hatte das auch schon die Tage vor Münster gespürt, dass er im Training viel leichtfüßiger war. Die Pause hat ihm gut getan, auch wenn das manche Leute nicht kapieren und der Spieler das in dem Moment anders sieht. Ich sehe Felix jeden Tag. Ich kenne ihn seit drei Jahren. Für den Jungen ist das auch viel Stress. Es ist sein erstes Jahr Dritte Liga. Er ist Kapitän dieser Mannschaft - und 1860 ist kein normaler Verein. Deswegen hat Felix die Zeit zum Durchschnaufen gut getan.

Sorgen dürfte Ihnen der Auftritt von Romuald Lacazette gemacht haben. Er hätte bereits nach 10 Minuten nach einem Foul an der Eckfahne des Gegners (!) vom Platz fliegen können…

Ich muss mit ihm reden und ihm auch die Szene noch einmal zeigen. Ich glaube, als Spieler kann man das nicht klar einschätzen. Lacazette muss mehr die Balance finden zwischen dem emotionalen Spiel und der Klarheit in den Zweikämpfen. Das fehlt mir. Er schafft es nicht, den Schalter umzulegen.Er muss seine Spielweise ändern, sonst muss ich mir als Trainer überlegen, ob ich ihn das nächste Mal noch aufstellen kann. Ich musste ihn gegen Großaspach schon rausnehmen - und ich habe mir auch überlegt, ob ich ihn nach dieser Situation rausnehme. Ich finde, danach hat er es aber dann ganz gut gemacht.

Sie haben Ihre Teilnahme mit dem Fußballlehrer-Lehrgang bei einem Uefa-Kongress in Nyon abgesagt, um Ihre Löwen komplett auf das schwere Heimspiel gegen Halle (Samstag) einzustimmen…

Ja, vor allem auch, weil die Teilnahme nicht kriegsentscheidend ist. Die Inhalte werden nicht in der Prüfung drankommen. Und nachdem ich erst am Donnerstagabend nach München zurückgekommen wäre, hätte ich nur den Freitag gehabt, um die Mannschaft zu trainieren. Das geht einfach nicht.

Im Sommer warnten nicht wenige “Experten” vor der Doppelbelastung zwischen Verein und Trainerkurs: Macht es Sie ein wenig stolz, dass es trotzdem so gut funktioniert bei 1860?

(überlegt): Ich glaube, wenn ich immer da gewesen wäre, hätten wir die Mannschaft vermutlich noch schneller entwickeln könnnen. Unabhängig von Günther Gorenzel oder Olli Beer, die beide einen Superjob machen - es ist einfach etwas anderes, wenn der Cheftrainer jeden Tag auf dem Platz steht oder nicht. Wer einmal Fußball gespielt hat, weiß, wovon ich rede.

Wie lange reicht Ihre Kraft noch aus, um diese schwere Doppelbelastung zu meistern?

Ich muss ehrlich zugeben: Es gab eine Phase, in der ich am Limit war. Aber ich beiße mich da jetzt durch, weil es auch um 1860 geht. Man merkt trotzdem, dass wir wahnsinnig akribisch arbeiten und die Mannschaft möglichst gut auf den jeweiligen Gegner einstellen. Und das werden wir weiter tun. Mein Ziel ist die Mannschaft in dieser Saison zu entwickeln - und dann schauen wir, wie es weitergeht…

Keine Zeit mal kurz abzuschalten?

Nein. Leben gibt es keins. Es geht nur in die eine Richtung (lacht). Es gibt immer wieder neue Aufgaben: Ich muss in der Winterpause noch meinen eigenen Praktikumsbericht schreiben. Ich muss auch noch ein Praktikum beim Verband machen, und ich muss auch zu einem Auslandspraktikum.