VON OLIVER GRISS UND CLIVE BRUNSKILL (GETTY IMAGES)

Als Löwen-Fan ist man immer irgendwie nostalgisch veranlagt: Es gibt ja nicht allzuviele Gänsehaut-Momente in der Neuzeit des TSV 1860. Aber ein Spiel wird immer symbolisch hervorgekramt, obwohl die Löwen eine Niederlage erlitten: Das 0:1 am 23. August 2000 - also heute vor genau 18 Jahren - in der Champions League-Qualifikation gegen Leeds United. Aber das ist typisch Sechzig: Selbst ans Leid erinnert sich der Löwe gerne, zumal der sportliche Wert im Gegensatz zu den letzten zehn Jahren sehr hoch war. Diese Erinnerungen machen das durchaus schwierige Löwen-Leben sehr wertvoll und immer Hoffnung auf bessere Zeiten. Der Sport sollte in einem Verein wie 1860 immer im Mittelpunkt stehen.

Ich berichtete damals für die Abendzeitung München aus dem Stadion - es fühlt sich heute an, als wäre es gestern gewesen. 1860-Legende Petar Radenkovic sang vor dem Anpfiff auf der Tartanbahn seinen Hit “Bin i Radi, bin i König”, die Stimmung im mit 56.000 Fans besetzten Olympiastadion war prächtig - nur die “Wildmoser”-Raus und “Grünwalder Stadion”-Rufe störten den großartigen Rahmen. Die Löwen machten ein Riesenspiel, reihenweise vergab die Lorant-Elf beste Chancen. Häßlers Freistoß klatschte beim Stand von 0:0 an den Pfosten, kurz nach der Pause versetzte Alan Smith mit seinem 1:0-Siegtor aber den Dolchstoß. Hinterher stellten sich Werner Lorant und Karl-Heinz Wildmoser gemeinsam auf der Empore im großen Presseraum (ja, das war früher so üblich): In ihren Aussagen spürte man die pure Enttäuschung, die Niedergeschlagenkeit, Wildmoser weinte sogar, schließlich verpasste 1860 das Millionen-Geschäft Königsklasse und durfte im Uefa-Cup an den Start. In der dritten Runde war beim AC Parma (mit Gigi Buffon) Endstation. Die Löwen erholten sich von diesem sportlichen K.o. nicht mehr richtig, vier Jahre später stiegen sie verschuldet und führungslos (KHW musste im Zuge des Arena-Skandals zurücktreten) aus der Bundesliga ab. Machtkämpfe und sportliche Fehlentscheidungen standen auf der Tagesordnung. 2011 musste sich der Altmeister von 1966 schließlich an den jordanischen Investor Hasan Ismaik verkaufen, weil der Verein wieder einmal hochverschuldet vor dem Konkurs stand. Natürlich sinniert man an diversen Löwen-Stammtisch immer wieder gerne über dieses eine Spiel: Was wäre gewesen, hätten wir die Leeds-Hürde gemeistert? Wäre der Weg des TSV 1860 anders verlaufen? Leider kann die Zeit nicht zurückgedreht werden.

Die junge Fan-Generation bei 1860 hat dieses sportliche Highlight nicht erleben dürfen: Nur ihre Väter können ihnen davon erzählen und von Typen wie Paul Agostino, Thomas Häßler oder Martin Max vorschwärmen. Aber auch Daniel Bierofka gehörte als 21-jähriges Talent zu dieser unvergessenen Europapokal-Mannschaft. Heute versucht Bierofka als Trainer der Drittliga-Mannschaft die sportliche Gene einer erfolreichen Löwen-Zeit weiterzugeben. Umso wichtiger ist es, dass Idole wie Bierofka bei 1860 gepflegt werden, selbst wenn es sportliche Rückschläge in der Dritten Liga geben sollte. Der Weg der Löwen zurück ins sportliche Glück führt nur über Charakterköpfe wie Bierofka.