VON OLIVER GRISS

Klaus Ruhdorfer setzt sich seit Monaten für ein neues Sechzig ein. Dazu hat der 56-jährige Unternehmer (Schwerpunkt China) das “Team Profifußball” gegründet, das bei der Mitgliederversammlung am 22. Juli kandidiert. Er selbst ist seit 2013 Mitglied beim TSV 1860. Das db24-Interview:

dieblaue24: Herr Ruhdorfer, Sie sind der Initiator des “Team Profifußball”: Verraten Sie uns, warum Sie diese Gruppierung vor einigen Monaten ins Leben gerufen haben?

KLAUS RUHDORFFER: In den letzten 18 Monaten durfte ich das Innenleben von Sechzig kennenlernen. Ich war über das Ausmaß der Spaltung schockiert, aber auch über die Tatsache, dass alle wichtigen Gremien im Verein von einer kleinen Gruppe kontrolliert werden. Ein einzelner Kandidat kann hier nichts bewegen, nur als Team können wir die Spaltung überwinden und 1860 professioneller aufstellen.

Es werden immer wieder ganz bewusst Gerüchte gestreut, dass das “Team Profifußball” ein Abkommen mit Hasan Ismaik hat. Stimmt das?

Ich antworte immer ehrlich: Herrn Ismaik selbst kenne ich nicht, aber seine drei Aufsichtsräte Yahya Ismaik, Saki Stimoniaris und Peter Cassalette. Mit ihnen habe ich genauso gesprochen, wie mit dem Präsidium und anderen Vertretern des e.V. Ein Abkommen mit Herrn Ismaik hat unser Team nicht nötig. Wir sind finanziell unabhängig und können uns für Sechzig selbst einsetzen.

Fehler machen wir, wie das berühmte Foto mit dem Hund gezeigt hat

Würden Sie den Namen “Team Profifußball” auch heute wieder so wählen? Zuletzt meinte Präsident Robert Reisinger süffisant, sein Profiteam sei Daniel Bierofka und Günther Gorenzel…

Die jetzige Führung entstammt überwiegend aus den Freunden des Sechzgerstadions. Es ist legitim, dass sie daher das Grünwalder Stadion als ihr oberstes Ziel verfolgt. Unser oberstes Ziel ist eben die baldige Rückkehr in den Profifußball, deshalb dieser Oberbegriff. Fehler machen wir trotzdem, wie das berühmte Foto mit dem Hund gezeigt hat…

Was befähigt Sie für den 1860-Verwaltungsrat und warum kommt man an Ihnen nicht vorbei?

An mir vorbei kommt man sicher, es gibt durchaus interessante neue Kandidaten. Ich versuche mich lediglich einzubringen: mit meinen unternehmerischen Erfahrungen, welche mir täglich den respektvollen Umgang mit einem fremden Kulturkreis abverlangen. Gerne auch mit meinen Kontakten zu deutschen Unternehmen. Zu guter Letzt: als Sohn eines Lastwagenfahrers und als aktiver Fußballer spreche ich die Sprache der Sechzger.

Sollten Sie gewählt werden, welche Themen wollen Sie unbedingt anschieben?

Das Unmögliche wagen: die Spaltung überwinden. Die Gesellschafter, als höchste Ebene, müssen hier mit gutem Beispiel vorangehen. Ich will mich auch persönlich dafür einsetzen, dass die Spaltung in den Fanlagern ein Ende nimmt. Die Ultras haben es mit der Dachgruppe Münchner Löwen vorgemacht, trotz vieler Strömungen konnten sie sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen: Sechzig.

Und was ist, wenn das “Team Profifußball” bei der Verwaltungsratswahl scheitert?

Wir sind nicht für diese eine Wahl angetreten. Wir alle haben uns einander versprochen, für die kommenden drei Jahre bereit zu stehen. Wenn es die bei Sechzig üblichen Wendungen gibt, dann helfen wir und gehen in die Verantwortung.

Es war mir klar, dass wir von der besagten Gruppe bekämpft werden

Schrecken Sie die letzten Jahre eigentlich nicht ab? Kaum hat man ein Amt bei den Löwen inne, steht man nicht selten im Kreuzfeuer der Kritik…

Es war mir klar, dass wir von der besagten Gruppe bekämpft werden. Das müssen wir aushalten. Gott sei Dank habe ich in meinem Leben andere wertvolle Inhalte, die mir Ruhe und Kraft geben.

Besonders schlimm ist das Lagerdenken seit dem Zwangsabstieg 2017 - in dieser Schärfe wurde sich noch nie untereinander gezankt. Die Mitgliederversammlung 2017 war ein abschreckendes Beispiel. Warum ist das so - und wie könnten sich die beiden Seiten wieder annähern?

Die Hasstiraden und der gesteuerte Ablauf der MV 2017 waren beschämend für 1860. Dabei sind wir doch alle Sechzger! Ich wünsche mir, dass die MV dieses Mal fair abläuft. Wortmeldungen, kontrolliert durch den Wahlausschuss, wie auch die Leitung der Versammlung durch Daniel Bauer, sollten ausgewogen sein. Egal wer gewählt wird, lasst uns ein starkes Zeichen nach außen senden: Sechzig!

Immer wieder wird von Vereinsseite der Unterschied zwischen e.V. und KGaA hervorgehoben - ist dies nicht kontraproduktiv für das allgemeine Befinden? Die Fußballabteilung verkauft sogar ihr eigenes Fanartikel-Sortiment. Sind das nicht Belege, dass man an einem Gemeinsam gar nicht interessiert ist?

Ganz offen: mich interessiert nicht e.V. oder KGaA, weiß-blau oder grün-gold, Pro1860 oder Arge, ich kenne nur EIN Sechzig. Lasst uns endlich die Kräfte bündeln, welche in diesem besonderen Verein stecken!

Die ehemalige Aufsichtsrätin Christina Jodlbauer hat einmal gesagt: “Bei 1860 gibt´s einen Verein im Verein.” Wie bewerten Sie diesen Vorwurf?

Sicher wurden bei der Ausgliederung der Profiabteilung sowie beim Verkauf der Mehrheitsanteile Fehler gemacht. Aber eine Trennung des e.V. von der KGaA kann niemand wollen, der Sechzig irgendwann wieder in Liga 1 oder 2 sehen will.

Würden Sie gewählt werden, welchen Kurs würden Sie im Umgang mit Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik befürworten: Konfrontationskurs oder ein Miteinander auf Augenhöhe?

Aus der Wirtschaft wissen wir, dass ein Konfrontationskurs gegen einen Hauptgesellschafter zur Blockade des Unternehmens führt. Unter den jetzigen Vertretern beider Seiten herrscht großes Misstrauen. Ich gehe dagegen unbelastet an die Sache heran und werde mit Respekt, aber auf Augenhöhe, mit dem Hauptgesellschafter verhandeln. Mir persönlich ist dabei wichtig, dass die „blaue“ Linie nicht überschritten wird, nämlich die Preisgabe unserer Löwenidentität, wie das 2016/2017 der Fall war.

Fragen Sie sich eigentlich nicht manchmal, wohin das viele Geld aus Abu Dhabi geflossen ist?

Es ist wie immer im Leben: nur wenn man aus den Fehlern der Vergangenheit lernt, kann man die Zukunft erfolgreich gestalten. Dies müssen sich beide Gesellschafter auf die Fahne schreiben.

Der Verwaltungsrat bestellt im Jahr 2019 den Präsidenten: Hat Robert Reisinger Ihr Vertrauen? Wenn ja, begründen Sie es bitte.

Das Präsidium, zu dem ja auch Hans Sitzberger und Heinz Schmidt gehören, ist bis 2019 gewählt. Ergo werden wir im Falle einer Wahl zusammenarbeiten. Bis zur Wahl des Präsidenten im Jahr 2019 sind erst einmal riesige Herausforderungen zu meistern.

Zuletzt haben Sie den Namen “Alfons Seeler” und “Wochenanzeiger” in Zusammenhang mit Robert Reisinger genannt. Wie ist das gemeint?

Es ging um das jüngste Interview eines gewissen ‚Alfons Seeler‘ mit Robert Reisinger im Wochenanzeiger. Aus Journalistenkreisen heißt es, dass hinter dem Synonym ‚Alfons Seeler‘ in Wirklichkeit Ralph Drechsel steckt, der anscheinend auch sehr fundierte Reden für Robert Reisinger schreibt. Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich jedenfalls kann nur authentisch sein, wenn ich meine Reden selbst gestalte.

Schreckt es Sie auch ab, dass Reisinger als oberster Repräsentant des Klubs bei der Aufstiegsparty einen Gläubiger mit den Worten “Scheiß FC Bayern” beleidigt oder sich auch nicht über all die Monate von den Schmährufen gegen Hasan Ismaik distanziert hat?

Der Gefühlsausbruch von Robert Reisinger nach dem Saarbrücken-Spiel war sicher ein Fehler. Aber wir alle machen Fehler. Insbesondere, wenn Emotionen ins Spiel kommen. Wenn es aber um anhaltende Nadelstichpolitik geht, dann hätte ich mir von Markus Drees, immerhin dem Vorsitzenden des Verwaltungsrates, schon gewünscht, dass er sich zum Wohle von Sechzig klar davon distanziert.

Haben Sie in den letzten Jahren nicht etwas die Kontrolle im Verein vermisst? Auch Reisinger hätte als ehemaliger Verwaltungsrat die Zügel in den Händen gehabt…

Der Verwaltungsrat ist ein Kontrollorgan. Konkret auf die exzessive Verschuldung in den Jahren 2016 und 2017 bezogen, muss sich jeder Verwaltungsrat, der zu dieser Zeit im Amt war, kritisch hinterfragen.

Der TSV 1860 ist seit Jahrzehnten chronisch klamm: Welchen Masterplan haben Sie, damit die KGaA eigenständig überleben kann und vor allem in der Sponsorensuche eine bessere Figur abgibt als in der Vergangenheit?

Man muss jedes Unternehmen verstehen, wenn es sein Geld und seinen Namen nicht in einen zerstrittenen Verein wie 1860 steckt. Ich würde mich deshalb zuerst um ein Miteinander auf der Gesellschafterebene bemühen. Danach gilt es, gemeinsam mit Infront, die wirtschaftlichen Kontakte zu nutzen und auch an größere Unternehmen heranzugehen. Fairerweise muss man zugeben, dass dies für die Verantwortlichen in den letzten Jahren kaum möglich war.

Erklären Sie uns mal, warum 1860 aus Ihrer Sicht selbst in der Regionalliga-Saison ein deutliches Minus geschrieben hat - und wie man diesen Trend stoppt?

Ohne Einblick in die Zahlen kann ich nur mutmaßen: mit dem Stadion in der jetzigen Struktur und ohne größere Unternehmen als Sponsoren lassen sich die nötigen Einnahmen für den Profifußball nicht erzielen. Das wird in der dritten Liga natürlich noch schwieriger.

Im Grünwalder Stadion ist der Löwe stark limitiert: Mit nur 15.000 Plätzen und kaum Vermarktungsmöglichkeiten wird 1860 wohl nur selten schwarze Zahlen schreiben können. Wie sehen Sie dieses offensichtliche Handicap?

Wenn es unser Ziel sein soll, dass Sechzig unabhängiger von einem einzelnen Investor wird, dann ist es von existenzieller Bedeutung, ein Stadion mit entsprechenden Vermarktungsmöglichkeiten zu haben.

Über welche Kapazität sollte eine Löwen-Heimat aus Ihrer Sicht verfügen?

Bei unserer Tour durch die Fanclubs in ganz Bayern wurden wir regelrecht angefleht: „Warum bekommen wir keine Karten? Wir würden gerne unsere Kinder mit ins Stadion nehmen, aber das geht nicht mehr.“ Wenn wir die nächste Generation der Löwenfans nicht verlieren wollen, dann brauchen wir ein Stadion mit 30.000 Zuschauern.

Wenn die Stadt einen Aus- bzw. Umbau des Grünwalder Stadion final ablehnt, was muss dann bei 1860 passieren?

Die vergangene Saison im Grünwalder Stadion hat der Identität von Sechzig richtig gut getan. Endlich konnten wir uns vom Global Player aus der Seitenstraße abheben. Deshalb muss dieses Stadion unsere erste Option sein. Anders als die jetzige Führung meine ich aber: Sechzig kann nicht weitere Jahre abwarten, um dann womöglich zu erfahren, dass maximal 20.000 Zuschauer möglich sind.

Wie stehen Sie der 50+1-Regel gegenüber - und wie bewerten sie den Kommerz im Fußball generell?

Der Kommerz im Fußball hat ein schwer erträgliches Ausmaß angenommen. 50+1 kann dagegen helfen. Ich fürchte aber, man muss in Deutschland die 50+1 Regel anpassen, damit sie auch eine Klage in Brüssel überstehen kann. Noch haben wir die Chance dazu.

Was ist Ihnen lieber: 1860 als sympathischer Stadtteilverein oder erfolgreicher Erstligist?

Sechzig als solider Zweitligist aus Giesing, mit der wirtschaftlichen und sportlichen Perspektive für die 1. Liga. Union Berlin, St. Pauli oder Fortuna Düsseldorf könnten als Vorbilder für Sechzig dienen.

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