VON OLIVER FEIN

Liebe Löwen,

seit geraumer Zeit verfolge ich die Kommentare auf „db24“ und möchte Oliver Griss bitten, folgende Anmerkungen zu veröffentlichen:

Machen wir uns nichts vor, Löwen, wir liegen sportlich, finanziell, vereinspolitisch und auch reputationsmäßig darnieder. Waren wir noch vor etlichen Jahren ein im ganzen Bundesgebiet besonders beliebter Verein, sind wir schon seit Jahren nur noch Gegenstand von beißendem Spott, im besten Fall schlägt uns Mitleid entgegen. Es hat etwas von einer Tragödie nach antikem Vorbild. Der Verein steht am Rande des Abgrunds.

Aber, wir sind Blaue und halten deshalb trotz des beschriebenen Zustands selbstverständlich immer noch in Treue zu unserem Verein. Sechzig und sein großer Anhang, diese Symbiose ist der letzte wirkliche Aktivposten einer ernüchternden vorläufigen Schlussbilanz. Hierfür werden wir immer noch beneidet und erfahren von nah und fern Respekt – gerade in diesen schlimmen Zeiten.

Nur, gibt es diese Symbiose überhaupt noch? Muss man auch dieses „Asset“ alsbald wertberichtigen? Das könnte man meinen, wenn man so manche Kommentare auf diesem Forum liest.

Wir wissen alle, dass es eine tiefe Spaltung bei Mitgliedern und Fans gibt, das geht schon seit der Wildmoser-Ära so. Grundsätzlich ist an unterschiedlichen Meinungen vereinspolitischer oder sportlicher Art im Sinne eines gesunden Pluralismus auch nichts auszusetzen. Niemand hat die Wahrheit mit Löffeln gefressen und die vielen unterschiedlichen Meinungen sind auch Beleg für die, ja ich sage es bewusst, Liebe, die uns mit Sechzig verbindet. Auch eine Mutter hängt ganz sicher in besonderer Weise an ihrem „Sorgenkind“.

Es fällt aber auf, dass andere Meinungen nicht respektiert werden, sogar mitunter aggressiv und beleidigend miteinander umgegangen wird. Wieso ist das so bei uns?

Nun, ich denke, es hängt (neben der Stadionfrage) sicherlich mit der Person Ismaik zusammen, der im Jahre 2011 bekanntlich 60% der Anteile an der KGaA vom Verein erworben (nicht: gestohlen) hat. Nolens volens hat Sechzig damit ein innovatives, aber verbandsrechtlich (‚50+1’) schwieriges, neues Terrain betreten. Immerhin konnte damit der, wie so oft in unserer Geschichte, drohende Konkurs abgewendet werden. Es gibt viele Fans, die bereits damals der Meinung waren, ein Konkurs sei die bessere Alternative. Das ist eine radikale, aber auch legitime Ansicht, auch wenn ich sie eindeutig nicht teile.

Die Frage, zugespitzt ‚Konkurs vs. Fremdbestimmung’ ist aber immer noch offen (siehe Hoppen-Antrag) und nicht geklärt. Die Vereinsführung scheint hier zu schwanken. Sie kooperiert mit dem Investor beim Thema Sanierungsbeschluss, ist aber, zumindest wie sich mir das darstellt, nicht willens, zusammen mit dem Investor eine gemeinsame, zukunftsfähige Arbeitsgrundlage zu entwickeln.

Ismaik hat mit seinen 49% Stimmrechten mehrere Jahre zugesehen, wie es immer schlimmer anstatt besser wurde. Von Anfang an gab es im Verein Kräfte, die sein Investment nicht nur kritisch sahen, sondern ihn auch diffamiert haben. Wir sind wohl alle einer Meinung, dass ihm spätestens dann, als ihm offenbar die Geduldschnur riss, eine Reihe von Fehlern unterlief und er offenbar von ausgesprochen fragwürdigen Beratern umgeben war. Es ist müßig, jetzt zu hinterfragen, wer für diese negative Entwicklung letztendlich die Schuld trägt. Wahrscheinlich waren es alle gemeinsam, jeder auf seine Weise.

Dann kam es zum ‚Schwarzen Freitag’. Ismaik hatte es unterlassen, die Lizenzbedingungen für die 3. Liga finanziell zu erfüllen. Ich finde es zunächst einmal völlig nachvollziehbar, dass dieses Verhalten bei einem Großteil der Löwen in einer ersten Reaktion zum endgültigen Bruch mit Ismaik führte. Dies hat man auch ganz besonders bei der Mitgliederversammlung gespürt.

Dennoch bin ich auch hier etwas anderer Meinung. Ein Investor ist kein Gönner, sondern eine Person mit eigenen Interessen (und wenn auch nur in egozentrischer Hinsicht). Er kam zum Schluss, dass er nicht noch einen weiteren Betrag in zweistelliger Millionenhöhe „verbrennen“ wollte. Wie jetzt das Rechtsgutachten offenbar bestätigt, liegt in diesem Unterlassen auch keine rechtliche Pflichtverletzung. Dennoch kann ich alle verstehen, die diesen Vorgang anders bewerten.

Ein weiterer umstrittener Knackpunkt ist das Zustandekommen des Sanierungsbeschlusses und der dafür notwendigen Fortführungsprognose, ohne die Sechzig nicht einmal in der Regionalliga Bayern spielen würde. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass kurze Zeit nach dem Schwarzen Freitag durch die Person Markus Fauser (pikanterweise gegen den Willen von Ismaik ins Amt gekommen) ein Klima des (minimalen) Vertrauens geschaffen werden konnte, das in den Tagen vor dem Schwarzen Freitag eben gefehlt hatte und möglicherweise Ismaik hätte auch anders entscheiden lassen. Da ich nicht dabei war und auch kein Insider bin, weiß ich dies aber nicht, sondern kann es nur vermuten. Vielleicht liege ich auch daneben.

Wie immer man aber die Vorgänge bewerten will, sollte jeder, der nicht für einen Konkurs als Problemlösung eintritt, einen Schlussstrich ziehen und wieder nach vorne schauen. Alle Fans zusammen und die beiden Gesellschafter zusammen. Solange Ismaik Gesellschafter ist – und es liegt an ihm selbst, ob er seine Anteile verkauft oder nicht - und wir finanziell von ihm abhängig sind, müssen wir mit ihm zusammenarbeiten. Es gibt hierzu keine Alternative. Das ist die Realität.

Meine Hoffnung ist, dass die beiden Gesellschafter aus ihren jeweiligen Fehlern gelernt haben und in Zukunft ohne Querelen und öffentliche Possen miteinander an einem Strang ziehen. Zusammen mit uns, den Fans, werden wir den Karren aus dem Dreck ziehen und ein Beispiel setzen, wofür uns (wieder) Respekt gezollt werden wird. Wir liegen zwar momentan am Boden, aber wir werden wieder aufstehen!

Einmal Löwe – immer Löwe!

Dr. Oliver Fein

Der Autor dieses Gast-Kommentars ist im Meisterjahr 1966 geboren und verfolgt die Löwen seit der Aufstiegsssaison 1976/1977. Seit den 90er Jahren ist der Münchner Mitglied, gehört aber keinem Fanclub oder irgendeiner Fan-Gruppierung an und ist deswegen unabhängig anzusiedeln.