VON OLIVER GRISS

Ja, heute ist der 27. November. Ein heiliges Datum, das sich in meinem Hirn eingefräst hat. Erinnern Sie sich auch noch? Ja, der 27. November 1999 war einer der schönsten Tage in meinem Leben. Nach 22 verdammt langen Jahren hat der TSV 1860 den eigentlich unbesiegbaren FC Bayern besiegt. Nicht in der Hammelliga, sondern in der Beletage des deutschen Fußballs. Thomas Riedl hatte die Kugel an Oliver Kahn vorbei zum 1:0-Siegtreffer ins Netz gehämmert - München war in diesem Moment blau. Das sind Glücksgefühle, die man nicht beschreiben kann. Obwohl ich seinerzeit gegenüber der Abendzeitung München der Neutralität verpflichtet war, konnte ich meine Emotionen nicht bremsen. Freudentränen kullerten übers Gesicht. Man fühlte sich in diesen Stunden stark und dachte an eine große Zukunft mit seinem Herzensklub.

18 Jahre später ist der TSV 1860 am Tiefpunkt angelangt. Wenn die einen sagen, man habe sich endlich aus der (Miet-)Umklammerung des FC Bayern befreit und sei nun auch von Investor Hasan Ismaik unabhängig, mag ich behaupten, dass der Verein in seiner Giesinger Scheinwelt gerade mit Karacho gegen die Wand läuft. Das Schlimme: Viele denken nicht weiter. Die Signale sind trotz Tabellenführung in der Regionalliga Bayern und Daniel Bierofkas überragender Arbeit deutlich zu erkennen: Der Trainer setzte nach dem 1:1 in Rosenheim erneut einen Hilferuf ab, dass man kein Geld für Neuzugänge habe - wohlgemerkt: Die Einnahmen reichen nicht mal in der Amateurliga aus. Um Verstärkungen zu bekommen, braucht man eigentlich keine großen Summen, sondern es reicht ein überschaubares Budget. Doch selbst das hat der Verein nicht im Kreuz. Der mögliche Nichtaufstieg in die Dritte Liga wird fahrlässig in Kauf genommen. Auch der Absturz der über Jahre preisgekrönten Nachwuchsabteilung ist nicht mehr wegzudiskutieren. Die U19 hat jetzt fast keine Chance mehr auf die Bundesliga-Rückkehr. Die SpVgg Unterhaching, die von Ex-Löwen-Kapitän Manni Schwabl herausragend gelenkt wird, hat die Löwen inzwischen abgehängt. Und was machen die 1860-Funktionäre? Sie tauchen einfach ab. Nur Bierofka übernimmt Verantwortung.

Freilich, der Zwangsabstieg war auch eine Chance für einen Neuanfang in gewohnter Umgebung. Doch anstatt den Klub endlich mit Fachmännern professionell aufzustellen und die Prioritäten richtig zu setzen, träumt man lieber von der Tradition, führt sinnlose Gefechte gegen 60-Prozent-Löwe Hasan Ismaik, verpulvert Geld durch Prozesse (Helmut Kirmaier) und gut dotierte Verträge, versucht Kritiker mit Verweisen mundtot zu machen oder verdribbelt sich in aussichtslose Mitgliedsanträge (Kooperationsvertrag mit Ismaik aufkündigen!), die dem Verein mehr schaden als helfen. Wenn die einst so ruhmreichen Löwen nicht bald aufwachen, wird man den Weg des FC Wacker München gehen. Die Blausterne, einst eine große Nummer in Deutschland, spielen jetzt in der Kreisliga 2 gegen 1860 III. Aussichten, die man billigend in Kauf nimmt?