VON OLIVER GRISS

Vor einigen Tagen schaffte es Regionalliga-Tabellenführer 1860 München mal wieder in die linksliberale “Zeit”, was als viertklassiger Fußballverein auf jeden Fall eine kleine Auszeichnung ist. Der Titel der Geschichte hat allerdings alte Wunden aufgerissen: “Hurra, wir sind abgestiegen!” Im Text von Fabian Scheler wird der Zwangsabstieg und die Rückkehr nach Giesing als “schönste Geschichte des Fußballsommers” verkauft. Bezeichnend ist, dass das Blatt mit Stephanie Dilba, die im übrigen im TSV 1860 e.V. als Wahlausschuss-Mitglied eine Funktion hat (sie scoutet angehende Verwaltungsräte), eine Kronzeugin gefunden hat, die den Trend auch noch kräftig unterstützt. “Ich hatte bis zum Mai Probleme, meinen Verein zu mögen, hab ihm Siege und Niederlagen gleichzeitig gewünscht. Jetzt ist das wieder anders”, wird die 41-Jährige zitiert.

Der Großteil der Löwen-Familie dürfte jedoch anders ticken. Natürlich wird die Mannschaft, schon allein wegen Ur-Löwe Daniel Bierofka aus Loyalität unterstützt, doch man verschließt nicht blindlings die Augen, denn der Ist-Zustand des TSV 1860 ist wenig aufbauend, auch wenn man in der Amateurliga gegen Mannschaften wie Illertissen, Rosenheim oder Schalding gerade wieder das Gewinnen lernt. Freilich: Ein positives Kribbeln haben die letzten Wochen auf jeden Fall entfacht.

Dennoch: Die Löwen befinden sich weiter in einem Teufelskreis. Mit Lino Tempelmann und Kilian Jakob hat der Giesinger Kultklub in den letzten Tagen der Transferperiode seine letzten großen Talente nach Freiburg bzw. Augsburg verkauft. Rund 600.000 Euro wurden nochmal in die klamme Vereinskasse gespült. Transfererlöse, von denen der Löwe in den nächsten Jahren wohl träumen kann, werden nicht bald die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft des TSV 1860 gestellt. Reinvestiert wird die Summe wahrscheinlich nicht, ansonsten hätte Daniel Adlung wohl schon wieder bei Münchens großer Liebe unterschrieben.

Ergo: Sich allein hinter dem Grünwalder Stadion und den tollen Löwen-Fans zu verstecken, ist keine Lösung. Der Verein braucht nicht nur eine sportliche, sondern auch wirtschaftliche Perspektive. Der Apparat 1860, der in der Adminstration und im NLZ weiterhin auf Zweitliga-Niveau spielt, ist teuer. Von den Erlösen aus 12.500 Eintrittskarten und den Sponsorgeldern wird 1860 auf Dauer nicht überleben können. Und von generösen Geldgeschenken, von denen seit der denkwürdigen Pressekonferenz am songenannten schwarzen Freitag die Rede ist, ist selbstverständlich nichts zu sehen. Übrigens auch nicht aus der Münchner Wirtschaft. Immerhin hat Hauptsponsor die Bayerische eine gut verzinzte Brückenfinanzierung in Höhe von zwei Millionen Euro garantiert. Willkommen in der Realität - Augen auf, Löwen!

Noch macht Bierofka das Spiel mit. Aber wie lange noch? Auch er will selbstredend einen Weg aufgezeigt bekommen, für den es sich rentiert, zu kämpfen. Schon längst wird über ihn - obwohl er noch nicht den Fußballlehrer-Schein hat - bei diversen Profi-Vereinen nachgedacht. Wenn es im Frühjahr 2018 darum geht, die Drittliga-Lizenz einzureichen, wird auch Bierofka wissen, welchen Plan die aktuelle Führung mit dem TSV 1860 wirklich verfolgt.