VON OLIVER GRISS

Zum Abschluss des Jahres spricht Vereins-Oberhaupt Peter Cassalette (62) über den womöglich letzten Versuch, das Verhältnis mit Investor Hasan Ismaik zu kitten, ein privates Löwen-Museum, ein kurioses Angebot und seinen Antrittsbesuch beim FC Bayern.

dieblaue24: Herr Cassalette, wie oft klingt Ihnen der Satz Ihrer Frau Viola vor Ihrem Einstieg beim TSV 1860 noch in den Ohren: “Peter, warum tust Du Dir das an?”

PETER CASSALETTE: Das höre ich immer wieder von ihr. Aber sie hat sich mittlerweile gut damit abgefunden, dass ich Präsident bei 1860 bin. Es geht sogar so weit, dass sie mir schon Ratschläge geben will. Aber das ist für mich die Höchststrafe (lacht). Aber klar ist auch: Damals wurde mir das Präsidentenamt als Halbtages-Job verkauft - das ist aber unmöglich. Aber ich will nicht jammern. Mir macht das alles Spass. Ich hoffe, dass ich auch was bewegen kann für 1860.


Investor Hasan Ismaik hat 1860 nun noch einmal die Hintertür geöffnet - und Sie zu einem Gepräch nach Abu Dhabi eingeladen. Wie kam’s dazu?

Ich habe Ismaik am Montag eine lange Email geschrieben und ihm meine allerhöchste Wertschätzung zum Ausdruck gebracht - und dass wir ihm sehr dankbar sind, dass er 1860 in all den Jahren geholfen hat. Ich habe auch geschrieben, dass wir Handlungs- und Kommunikationsbedarf haben und uns zusammensetzen müssen. Nur ein paar Stunden später bekam ich eine Antwort von ihm, dass ich ihn nach seinem Urlaub in Abu Dhabi besuchen soll. Für mich ist das ein positives Signal. Ich werde innerhalb der ersten beiden Januar-Wochen zu ihm fliegen. Ich will von ihm wissen: Welche Veränderungen will er für welche Konditionen? Für 1860 ist dieser Besuch eine Chance, vielleicht die letzte, die wir nicht verstreichen lassen dürfen. Wir müssen nach diesem letzten Strohhalm greifen, ohne absurde Sachen zu machen.

hasanMit welchem Plan fliegen Sie zu Ismaik?

Er hat ja immer von spürbaren Veränderungen gesprochen. Ich will in erster Linie mal wissen: Was meint er damit? Ohne jetzt untertänig zu sein, muss man Hasan Ismaik das Gefühl geben, dass 1860 bereit ist, in den sauren Apfel zu beißen und auch imstande ist, Veränderungen vorzunehmen. Die Verlässlichkeit muss von beiden Seiten kommen. Wir können nicht nur immer sagen: “Der Hasan - der zahlt schon.” Nein, wir müssen an Dinge rangehen, die auch schmerzhaft sind. Hasan hat mir mal gesagt, dass er sich oft als Geldautomat sehe - und wenn er dann mal nachfragt, für was das Geld eigentlich ist, wird ihm gesagt: “Hasan, wir machen das schon.”

Was macht Ihnen Hoffnung, dass Ihr Gespräch Früchte trägt und er wieder motiviert ist, 1860 zu helfen?

Ich glaube immer noch, dass Ismaik als Geschäftsmann diesen Supergau verhindern will, soviel Geld zu verlieren. Mir persönlich ist auch kein Interessent bekannt, der die Anteile von Ismaik kaufen will. Hasan hat mir vor kurzem mal eine kuriose Geschichte erzählt, als vor seinem Büro in Abu Dhabi zwei Leute gestanden sind und einen Termin bei ihm wollten. Sie haben ihm zwei Millionen Euro für die Anteile von 1860 geboten.

Es gibt nicht wenige Löwen-Fans, die sich den schnellen Ausstieg von Hasan Ismaik beim TSV wünschen. Im Internet wurde sogar eine Online-Petition gegen den Löwen-Investor gestartet…

Ich kenne natürlich diese Umfrage - aber was ist die Alternative? Der Amateur-Fußball? Ist das das, was wir uns wirklich wünschen? Die Fans sind natürlich unser höchstes Gut, aber solche Umfragen sind natürlich auch nur Momentaufnahmen. Wenn 1860 in die Vierte Liga muss, dann ist unser tolles Nachwuchsleistungszentrum weg, die ganzen Strukturen - dann geht alles den Bach runter. Wollen wir dann mit der aktuellen U17 inklusive mit ein paar Neuzugängen aus Pullach spielen? Ich werde alles dafür tun, dass wir nicht die Insolvenz anmelden müssen.

Bildschirmfoto 2015-12-17 um 08.51.20Trotz aller Hilfe schädigt Ismaik den TSV 1860 nun quasi selbst, indem er seine Darlehen nicht in Genusscheine umwandeln will. Die Folge: Der Verein muss aufgrund eines Lizenz-Verstoßes 750.000 Euro Strafe an die DFL bezahlen.

Wir haben alles versucht, Hasan umzustimmen. Er weiß ganz genau, was passiert, wenn er nicht unterschreibt. Für ihn ist das aber nach wohl nach eigener Aussage eine erzieherische Maßnahme auf Kosten von Strafen. Uns kostet das leider Geld, das wir lieber in Winter-Transfers investiert hätten. Ismaik hat uns vor seinem London-Aufenthalt in einer Aufsichtsratsitzung erklärt, dass diese Umwandlung in diesem Jahr nicht in seine Bilanz passe und er keine weitere Verluste schreiben könne. Und dann geistert natürlich noch die eine Million Euro herum, die Hasan uns zugesagt hat. Bis jetzt gab’s aber leider noch keinen Zahlungseingang.

Immerhin dürfen sich die Fans nun auf einen neuen Hoffnungsträger freuen: Sascha Mölders kommt auf Leihbasis bis zum Sommer vom FC Augsburg.

Vom Psychologischen ist dieser Transfer ganz wichtig - für uns, für die Mannschaft, aber auch für Benno Möhlmann und die Spieler, die noch auf unserer Liste sind  - so nach dem Motto: Hoppla, bei Sechzig geht doch was. Wir sind noch lange nicht in der Situation, dass wir die Saison ausklingen lassen. Wir sind zwar Tabellen-Vorletzter, aber noch mit allen Chancen ausgestattet, den Klassenerhalt zu stemmen. Wir haben noch 15 Spiele, alles ist möglich.

Ihren Antrittsbesuch beim FC Bayern haben Sie nun auch hinter sich gebracht - wie war’s?

Ich war einen Tag nach dem 0:3 gegen Freiburg mit unserem Geschäftsführer Markus Rejek bei Karl Hopfner. Der Termin hat nicht lange gedauert - 30, 45 Minuten. Als wir gegangen sind, wollte er wissen: Was ist denn mit euch, wenn ihr absteigt? Dann müsst ihr immer noch in der Arena spielen. Ich habe ihm gesagt: Dann können wir nicht mehr dort spielen. Am Ende hat Hopfner mir seine Karte gegeben - mit den Worten: “Wenn ich Ihnen helfen kann, dann rufen Sie mich an!”

Bildschirmfoto 2015-11-23 um 08.39.59Wie lernen Sie 1860 nun aus anderer Perspektive kennen?

ich habe mich in den letzten sechs Wochen viel aus der Vergangenheit gehört - aber jetzt ich kann’s nicht mehr hören. Ich will nach vorne schauen. Ich war mit Dieter Schneider beim Essen, auch um ihn als Sponsor für die Jugend wieder zu gewinnen. ich war mit Sigi Schneider beim Essen, ich habe mich auch mit Karl Auer unterhalten. Der einzige, mit dem ich noch keinen Kontakt hatte, ist Gerhard Mayrhofer. Aber ich war auch bei vielen Fans, zuletzt habe ich ein Sechzger-Museum in der Einsteinstraße besucht. Der Löwen-Sigi hat eine Drei-Zimmer-Wohnung in ein Löwen-Museum umgebaut. Mir ist es eiskalt den Rücken runtergelaufen. Das ist Identität.

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