Das große db24-Weihnachtgespräch mit Olaf Bodden: "Im Schnitt habe ich noch 15 bis 20 Jahre - wenn es gut läuft"
- VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)
- 24.12.2025 09:48
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VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)
db24: Eine Frage, die wir kurz vor dem Weihnachtsfest immer wieder gestellt bekommen: „Wie geht’s eigentlich Olaf Bodden?“ Wir geben diese Frage gerne weiter.
OLAF BODDEN (57): Oh, das freut mich, dass die Fans an mich denken. Eigentlich gibt es gesundheitlich keinen neuen Stand. Aber ich freue mich sehr auf den heutigen Tag: Meine beiden Töchter kommen. Ich bin ja seit dem 11. August 2024 auch Opa (lacht) – und es ist ebenfalls ein Mädel. Es gibt heute Gans und Ente, Knödel, Blaukraut – ganz traditionell. An Weihnachten sind wir immer alle zusammen, das ist unser Familienritual. Das wird ein Highlight. Ich bin zwar kein Mitglied mehr in der Kirche, aber diese Tradition wollen wir aufrechterhalten. Wir dürfen in Deutschland ja froh sein, dass wir noch Weihnachten feiern dürfen (lacht).
db24: Wie sieht Ihr normaler Tagesablauf aus?
Sehr unspektakulär. Ich wache morgens auf, mache mir einen Kaffee und konsumiere Nachrichten. Zweimal die Woche fahre ich mit dem Rollstuhl zu REWE einkaufen, um unter anderem Gemüse zu besorgen. Einmal wöchentlich bekomme ich eine Vitamininfusion. Zuletzt habe ich immer öfter Krankheitseinbrüche – das ist aber ein gutes Zeichen. Meistens kommen diese Schübe am Nachmittag, dann bin ich kognitiv ausgeknockt und mache die Augen zu. Da ist nicht mal Fernsehen möglich. Abends geht es mir dann wieder besser. Und alle acht Wochen gehe ich zum Friseur, in den Bashclub. Die Jungs dort bringen mich immer wieder zum Lachen.
db24: Machen Sie sich manchmal Gedanken darüber, was Sie tun würden, wenn Sie gesund wären?
Ja, diese Momente gibt es tatsächlich. Vor allem dann, wenn ich im Bett oder auf der Couch liege und müde bin. Dann kreisen Gedanken durch meinen Kopf, wie mein Leben ausgesehen hätte, wenn ich nicht krank geworden wäre. Wäre ich bei 1860 geblieben? Wäre ich Nationalspieler geworden? Ich hätte auf jeden Fall den Trainerschein gemacht – und auch das Amt des Sportdirektors hätte mich gereizt. Ich hätte mehr von der Welt gesehen. Ich habe das Reisen geliebt, Ibiza war meine Insel. Ich hätte mein Leben gerne genossen, aber ich bin auf keinen neidisch…
db24: Haben Sie noch Hoffnung, dass Sie wieder in den Vollbesitz Ihrer Kräfte kommen?
Nein. Dass mein Leben noch einmal normal wird, halte ich für eher unwahrscheinlich. Und dass in den nächsten Jahren ein Medikament entwickelt wird, das mich aus diesem Zustand zurückholt, glaube ich auch nicht. Da muss man realistisch sein. Ich bin ja nicht mehr am Anfang meines Lebens. Wenn man sieht, wer alles um einen herum stirbt, weiß man, dass der Tod näher kommt. Mein Jugendidol Val Kilmer ist tot, zuletzt auch Chris Rea. Dass Andy Brehme und Werner Lorant nicht mehr unter uns sind, hat mich ebenfalls mitgenommen. Ohne Werner wäre ich nichts gewesen. Er hat immer gesagt: „Olaf, ich mach dich zum Nationalspieler!“ Im Schnitt habe ich wohl noch 15 bis 20 Jahre – wenn es gut läuft. Aber es gibt ganz andere Schicksale als meines: Bernd Meier ist mit 40 gestorben, Guido Erhard wollte irgendwann einfach nicht mehr und hat sich das Leben genommen.
db24: Kommen wir zu den Löwen: Wie fällt Ihr Fazit zur Hinrunde aus?
Sagen wir es so: Die ersten Spiele waren ordentlich, zumindest punktete 1860 gut. Dann kam der Einbruch rund ums Oktoberfest – das war eine Katastrophe. Der Trainerwechsel war absolut richtig. Danach folgte eine gute Serie. Jetzt sind die Löwen in Schlagdistanz zu den Aufstiegsplätzen, punktemäßig ist das noch in Ordnung. Aber ehrlich gesagt: Das Spiel gefällt mir nicht. Ich würde mir 1860 so wünschen wie Verl – mit Ballbesitz, Positionswechseln, Tempo und hoher Körperlichkeit. Das große Problem ist das Mittelfeld: Ich sehe keinen echten Ballverteiler. Und im Angriff fehlt mir ein Topstürmer, der über 20 Tore schießt.
db24: Aber 1860 hat Kevin Volland, Florian Niederlechner, Sigurd Haugen und Patrick Hobsch…
Von den Namen her haben wir richtig gute Stürmer – und trotzdem habe ich das Gefühl, dass kein echter Goalgetter dabei ist. Ich finde, von einem Torjäger darf man erwarten, dass er in jedem zweiten Spiel trifft. In der Dritten Liga gibt es 38 Spiele – da sollte einer für etwa 19 Tore gut sein. Und den sehe ich aktuell nicht. Einen solchen A-Stürmer brauchst du nicht, wenn du der FC Bayern bist und vier, fünf Spieler hast, die immer zweistellig treffen.
db24: Der neue Trainer Markus Kauczinski tut der Mannschaft aber gut, oder?
Ja, Markus Kauczinski ist ein anderes Level als sein Vorgänger. Patrick Glöckner hat einfach nicht gepasst. Die Mannschaft spielt jetzt besser, das sieht mehr nach Fußball aus. Ob Kauczinski 1860 nachhaltig prägen kann, wird die Zeit zeigen. Aber er kennt die Liga und hat bereits größere Klubs trainiert. Er hat die Löwen stabilisiert, und die Niederlage gegen Verl ist kein Beinbruch – gegen die verlieren noch ganz andere Teams. Nach neun Spielen hat Kauczinski einen Punkteschnitt von 2,0 – damit bist du in den Top 5. Ob das für den Aufstieg reicht, weiß ich nicht. Was für 1860 spricht: Keiner ist in dieser Saison wirklich konstant. Ich würde mir im Winter einen Transfer wünschen, der das Spiel sortiert. Und die Rückkehr von Jesper Verlaat wird extrem wichtig. Für die Dritte Liga ist er richtig gut.

db24: Noch einmal zurück zu Volland & Niederlechner: Hätten Sie gedacht, dass beide solche Anlaufschwierigkeiten haben?
Schwer zu sagen. Die Dritte Liga ist anders. Es wird weniger Fußball gespielt, dafür mehr gekämpft. Das ist oft nicht schön anzuschauen. Viele Spieler haben technische Defizite. Und man darf nicht vergessen: Je schwächer die Mitspieler, desto schwieriger wird es. Ein Beispiel: Würde Harry Kane in der Dritten Liga spielen, glaube ich auch nicht, dass er 40 Tore schießen würde. Es kommt immer darauf an, wie du angespielt wirst. 1860 muss eine klare A-Formation im Angriff finden. Volland und Niederlechner kommen aus der Bundesliga, aber Hobsch und Haugen sind jünger. Konkurrenzkampf schadet niemandem – auch nicht bei 1860.
db24: Ein brisantes Thema haben wir noch: das Grünwalder Stadion…
(lacht): Muss das sein? Das ist ein leidiges Thema, das für mich allein schon aus infrastrukturellen Gründen ausscheidet. Wenn du langfristig denken willst, funktioniert das nicht. Ich frage mich immer: Alle Vereine bekommen das mit dem Stadion hin – warum Sechzig nicht? Nehmen wir Freiburg: Die waren mit dem Dreisamstadion verwurzelt, bauen aber neu, um allen Fans gerecht zu werden. Warum geht das bei uns nicht? Wenn du deinem Verein langfristig etwas Gutes tun willst, musst du in anderen Kategorien denken. Außer du sagst: Für immer Dritte Liga – dann brauchst du kein großes Stadion. Schauen wir nach Schalke: Letzte Saison waren sie tot, jetzt haben sie jedes Heimspiel über 60.000 Zuschauer. Wahnsinn. Auch Sechzig ist ein Zuschauermagnet, ein schlafender Riese. Wenn man ihn weckt, würde es rappeln – aber man muss es auch wollen. Würde unsere Mannschaft von damals heute in der Allianz Arena spielen, wäre jedes Spiel ausverkauft. Je größer die Wucht des Klubs, desto besser die Verhandlungsposition gegenüber Investoren und Sponsoren. So aber wird es schwierig.

db24: Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik will lieber heute als morgen seine 60 Prozent an der KGaA verkaufen…
Wer soll diese Anteile kaufen? Ich kann Ismaik verstehen. Er sieht, dass er mit dem Verein nichts erreicht. Er muss immer wieder Geld für Drittliga-Fußball nachschießen – das kann es auf Dauer nicht sein. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass sich ein Nachfolger findet. Und man muss auch fragen: Wäre der e.V. überhaupt bereit, mit einem anderen Investor zu kooperieren? Ich glaube, da traut sich keiner ran. Wer will sich schon mit der 50+1-Regel die Finger verbrennen?






