Der Gastkommentar von Tobias Knössl: Ohne Fleiß kein Preis
- VON TOBIAS KNÖSSL
- 22.12.2025 12:59
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VON TOBIAS KNÖSSL
Ja, die Beurteilungen über die Hinrunde beim TSV 1860 fallen unterschiedlich aus: Geschäftsführer raus, Trainer raus, große Verletzungssorgen - und weiterhin große Strukturprobleme. In der Vorrunden-Tabelle belegen die Löwen Rang acht, der Kontakt zur Spitzengruppe ist aber weiterhin gegeben. Dr. Tobias Knössl (43) aus Ingolstadt hat uns nach dem 0:2 gegen Verl einen Gast-Kommentar geschickt.
Nein, ich gehöre definitiv nicht zu den Personen, die das berühmte Glas immer als halbleer ansehen. Stattdessen würde ich mich gerade in Bezug auf Münchens große Liebe als romantischen und unbelehrbaren Optimisten beschreiben. Und dennoch fällt es mir in diesen Tagen vor Weihnachten mal wieder schwer, an den ganz großen Erfolg am Ende der Saison zu glauben - den lang ersehnten Aufstieg in die zweite Fußball-Bundesliga.
Die reinen Zahlen können dieses Gefühl widerlegen. Nach dem 19. Spieltag sind es nur vier bzw. fünf Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz und Trainer Markus Kauczinski ist mit einem Punkteschnitt von aktuell 2,0 auf Aufstiegskurs. Alles eigentlich im Soll-Bereich. Und dennoch hat man nicht den Eindruck, als würde sich jeder im Verein diesem Ziel „Aufstieg“ jederzeit und bedingungslos unterordnen. Ohne Fleiß kein Preis - das hat mir schon mein Vater gepredigt. Ein Blick auf die wöchentlichen Trainingspläne aber zeigt, dass - subjektive Meinung - etwas zu viel Wert auf die in Mode gekommene Belastungssteuerung gelegt wird. Klar, der Auswärtserfolg am Samstag vor einer Woche in Ingolstadt hat Körner gekostet, aber braucht es danach - wie zu lesen war - wirklich bis Dienstagnachmittag frei, um wieder ins Training einzusteigen? Zu den Trainingsweltmeistern scheint 60 auch unter Kauczinski nicht zu zählen, obwohl in dieser Liga der langfristige Erfolg eng verknüpft ist mit den Attributen Fitness, Lauf- und Leistungsbereitschaft sowie Zielfokussierung, denn spielerisch sticht in dieser Saison (wie so oft) keine Mannschaft so wirklich heraus. Unabhängig von offiziellen Trainingseinheiten ist jeder Spieler natürlich auch selbst in der Verantwortung, sich persönlich in den besten Fitnesszustand zu bringen und auch Trainingspausen im Sinne eines maximalen Saisonerfolges zu gestalten. Ob dieser absolute Fokus auf den sportlichen Erfolg bei allen Spielern gegeben ist? Da kann man geteilter Meinung sein.
Nach dem 0:2 gegen Verl ist die Hinrunde vorbei: Welcher Neuzugang hat Sie am meisten überzeugt?
Und dann verwundert es auch nicht, wenn man zuhause gegen Verl - zugegebenermaßen die Mannschaft der Stunde - in den ersten 15 Minuten gefühlt kein einziges Mal in die gegnerische Hälfte vordringen kann. Wo war die Gier, noch vor der Winterpause auf Platz vier vorzuspringen? Wo war der unbedingte Wille, all diese unbeschreiblich tollen Löwen-Fans kurz vor Weihnachten noch weiter zu euphorisieren? Wo war das Selbstvertrauen aus zuletzt vier Siegen in Serie? Und wo war das Selbstverständnis, als bisherige Heimmacht mit entsprechend breiter Brust im Grünwalder Stadion ab der ersten Spielminute aufzutreten? Nichts von dem war in den ersten 30 Minuten spür- und erkennbar. Natürlich wog der Ausfall von vielen Stammkräften wie Verlaat, Volland, Haugen, Schifferl oder auch Voet schwer. Aber mit Verlaub: Nominell sollte auch die Anfangsformation gegen Verl ein gehobenes Drittliganiveau aufweisen. Aber wer ab der ersten Minute der Musik - geschlossen als Mannschaft - nur hinterherläuft, der darf sich nicht wundern, wenn am Ende nichts Zählbares herauskommt.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Löwen in der zweiten Halbzeit - selbst nach dem berechtigten Platzverweis gegen Thore Jacobsen - ein ganz anderes Gesicht gezeigt haben, nämlich kämpferisch und leidenschaftlich. Auch in den Spielen davor haben sich diese beiden Phasen - die lethargische und energievolle - im Spielverlauf jeweils munter abgewechselt. Vielleicht gibt es doch einen Zusammenhang zwischen der fehlenden Konstanz und dem aus meiner Sicht nicht ausreichenden Fitnesslevel vieler Spieler. Ohne Fleiß kein Preis - auf dieses Credo sollte bei der (kurzen) Vorbereitung auf die Rückrunde und grundsätzlich im weiteren Saisonverlauf verstärkt Wert gelegt werden. Und wer weiß, vielleicht reicht es am Ende ja doch noch für den Aufstieg. Und da war er wieder, der ewige Löwen-Optimist in mir. In diesem Sinne: Frohe und besinnliche Weihnachten an alle Löwen-Fans!
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