VON OLIVER GRISS UND GETTY IMAGES (FOTO)

Die Derby-Bilanz der Löwen in dieser Saison ist bislang negativ: der bittere 0:4-Auftritt in Regensburg sitzt noch immer tief. Jetzt aber können die Sechziger diese Statistik aufpolieren – mit einem Heimsieg über den Tabellenletzten FC Schweinfurt 05 (Samstag, 16.30 Uhr, db24-Ticker). In der bewegten Vereinsgeschichte des TSV gab es zwischen beiden Klubs ein Spiel, über das noch heute gesprochen wird: das legendäre 3:3 am 11. Mai 1990 vor 40.000 Fans im völlig überfüllten Grünwalder Stadion. db24 hat mit 1860-Legende Bernhard Winkler (59) gesprochen, der damals im Trikot der Schnüdel stürmte und zum zwischenzeitlichen 1:1 für die Gäste traf.

db24: Herr Winkler, 1860 gegen Schweinfurt – welche Gedanken gehen Ihnen bei dieser Partie durch den Kopf?

BERNHARD WINKLER: Klar, da kommen super Erinnerungen auf. Wir waren damals mit dem FC Schweinfurt 29 Spieltage lang Erster – und plötzlich hatte uns vor dem letzten Spieltag 1860 mit Karsten Wettberg fast eingeholt. Uns reichte ein Punkt, 1860 brauchte einen Sieg. Es ging um Alles oder Nichts. Dieses Spiel ist in die Geschichtsbücher eingegangen. Wenn ich daran denke, bekomme ich heute noch Gänsehaut. Das Stadion platzte damals aus allen Nähten; gefühlt wollte jeder dabei sein. Wir erreichten ein 3:3, wurden Bayernliga-Meister, qualifizierten uns für die Aufstiegsrunde und stiegen in die Zweite Liga auf. Diese Aufstiegsrunde hatte es in sich: sechs Spiele in 14 Tagen – da sind wir mit ein bisschen Glück durchgerutscht (lacht). Danach wechselte Werner Lorant zu Viktoria Aschaffenburg – und ich nach Kaiserslautern.

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db24: Nun kommt’s zur Neuauflage – der TSV 1860 geht als klarer Favorit ins Spiel. Kommen Sie auch?

Ich habe keine feste Karte. Der Vizepräsident Christian Dierl hat mir aber gesagt, dass ich jederzeit willkommen bin. Allein will ich jedoch nicht hingehen (lacht). Und ich weiß nicht, ob ich zwei Karten bekomme. Das Platzkontingent im Grünwalder ist ja überschaubar.
Natürlich ist 1860 der Favorit. Gut, dass die Mannschaft nach den letzten beiden Siegen wieder im Aufwind ist und ans obere Mittelfeld klopft. Ich hoffe, dass es weiter bergauf geht – aber ich hoffe auch, dass sich Schweinfurt nicht sang- und klanglos aus der Liga verabschiedet.

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db24: Nach der großen Anfangseuphorie rund um die Rückholaktionen von Kevin Volland und Florian Niederlechner ist wieder Ernüchterung eingekehrt. Haben Sie eine Erklärung, warum 1860 seit gefühlt 20 Jahren die Erwartungen nicht erfüllt?

Wenn ich den Kader sehe, ist er für die Dritte Liga unheimlich gut besetzt – vielleicht fehlen schnelle Außenbahnspieler. Und leider fällt mit Tunay Deniz ein Akteur aus, der den Unterschied machen kann. Ich würde über diese Mannschaft noch nicht den Stab brechen. Markus Kauczinski bringt als Trainer extrem viel Erfahrung mit. Man darf nicht glauben: Da kommt einer, legt die Hand drauf – und alles wird sofort gut.

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db24: Und Ihre Einschätzung zu Volland und Niederlechner?

Eines ändert sich im Fußball nie – das war in den 90ern genauso wie heute: Du brauchst Spieler, die die Torgefahr anschieben können. Ich kann nur von mir sprechen: Hätte ich damals nicht die Mitspieler gehabt, die mich mit Flanken oder Steilpässen eingesetzt haben, wären es sicher ein paar Tore weniger gewesen (lacht).

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**db24: Sie sind mit 65 Bundesliga-Toren der erfolgreichste noch lebende Torjäger des TSV 1860.

Wir hatten Spieler wie Thomas Häßler oder Davor Šuker. Wir mussten für sie laufen, damit sie noch besser aussahen – aber das hat der Mannschaft extrem gut getan. Sie hatten diese genialen, einmaligen Momente. Was ich sagen will: Die anderen müssen mehr für Volland oder Niederlechner arbeiten, sie füttern. Dann werden sich diese Verpflichtungen auszahlen – davon bin ich überzeugt.

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db24: Viele Löwen-Profis klagten zuletzt über den großen Erwartungsdruck. Können Sie das nachvollziehen?

Nein, überhaupt nicht! Wer sich das Löwen-Trikot überstreifen darf, muss wissen: 1860 ist ein großer Verein. Ich hatte damals auch Druck, weil Werner Lorant und ich uns bereits kannten. Aber bei 1860 sollte man nicht in den Jammer-Modus verfallen, sondern dem Gegner zeigen, dass es extrem schwer ist, im Grünwalder zu gewinnen. Und das sollte nicht nur in Heimspielen gelten. Der Impuls muss von der Mannschaft kommen. Mir fehlt da noch die letzte Hartnäckigkeit.

db24: Wie sehen Sie Markus Kauczinski?

Natürlich hätte ich mir einen Trainer gewünscht, der das Umfeld kennt. Manchmal ist es aber auch gut, wenn einer kommt, der unbelastet und wertfrei an die Aufgabe herangeht.
Und Kauczinski kommt aus dem Pott – dort wird Fußball gespielt, der zu 1860 passt (lacht). Ich glaube, die Mannschaft vertraut ihm.

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Ich glaube nicht, dass es die richtige Wahl ist, sich auf das Grünwalder zu fokussieren.

db24: Die Stadionfrage belastet 1860 seit rund 30 Jahren. Was ist Ihre Meinung?

Ich bin müde, mich dazu zu äußern. Ich habe meine eigene Meinung – und ich finde es nicht gut, wenn man sich als Verein ständig am Stadionthema aufreibt. Das Ergebnis kennen wir alle; es macht alle mürbe. Man sollte nicht zu lange an etwas festhalten, wenn kein Ziel in Sicht ist. Das stört mich. Ich glaube nicht, dass es die richtige Wahl ist, sich auf das Grünwalder zu fokussieren. Dieses Stadion gewinnt keine Meisterschaft – vielleicht mal ein Spiel. Die Mannschaft ist entscheidend. Für mich wäre ein Neubau das Vernünftigste. Der Verein steht unter Zugzwang und muss endlich die Weichen für eine positive Zukunft stellen.

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db24: Hatten Sie bereits persönlichen Kontakt zum Präsidium Mang?

Ja, wir haben uns mehrfach ausgetauscht. Das waren immer freundliche Begegnungen.
Ich will keinen Stress mit den Leuten – aber ich sage klar: Ich weiß nicht, ob es richtig ist, am Grünwalder festzuhalten, während andere Vereine rechts und links an dir vorbeiziehen.
1860 braucht Entscheidungen, die eine bessere Zukunft ermöglichen.

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Das klingt vielleicht überheblich, aber mit „Fall“ habe ich bei Sechzig nichts zu tun. Bei uns gab es nur „Rise“.

db24: Haben Sie die 1860-Doku „Rise & Fall“ gesehen?

Ich muss gestehen: Nein. Und ich kann damit auch nicht viel anfangen. Das klingt vielleicht überheblich, aber mit „Fall“ habe ich bei Sechzig nichts zu tun. Bei uns gab es nur „Rise“. Ich mag es nicht, wenn etwas schlechtgeredet wird, das man selbst bei diesem Klub positiv erlebt hat. Uns ist nichts zugeflogen – wir haben uns alles hart erarbeitet.