Fußball ist auch Entwicklungssport
- VON OLIVER GRISS
- 26.09.2025 15:53
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VON OLIVER GRISS
Die letzten Tage habe ich mir auf Mallorca eine lang geplante kleine Auszeit vom Löwen-Wahnsinn gegönnt - und genau in diesen Momenten sieht man eigentlich, wie durchgeknallt dieser Klub eigentlich ist. Durchgeknallt im positiven Sinne: Die Menschen sprechen und diskutieren über den TSV 1860 München - und damit hat der Klub etwas, wofür ihn andere Vereine beneiden: Aufmerksamkeit.
Beim Durchforsten, was der Markt hergibt, bin ich gestern dann über einen Artikel gestolpert: “Hausgemachtes Chaos: Was ist nur bei 1860 München los?” Die Headline hat mich gefixt: Chaos? Hausgemacht? Schlagwörter, die neugierig machen.
Wer sich mit den Löwen befasst, wird feststellen: Von Chaos ist der TSV 1860 aktuell ganz weit entfernt. Bevor ich mir Texte reinziehe - und das mache ich immer so - will ich zunächst einmal wissen: Wer schreibt eigentlich? Okay, der Autor aus dem Ippen-Netzwerk heißt Christopher Michel. Ehrlich? Noch nie gehört. Google hat schnell geholfen: Michel befasst sich in seinem Tagesgeschäft mit der Frankfurter Eintracht - okay, schön für ihn.
Aber warum augerechnet jetzt ein Abstecher zu 1860, das eigentlich mit den beiden TZ-Reportern Uli Kellner und Marco Blanco Ucles überdurchschnittlich gut aufgestellt ist? Im Visier des Michel-Textes ist Geschäftsführer Dr. Christian Werner, der Patrick Glöckner einen Kader hingestellt hat, wie ihn sich Trainer vor ihm immer gewünscht hätten. Stark in der Spitze - gut in der Breite.
Michel schreibt: “Statt in einer solchen Situation zusammenzurücken und angesichts von einem (!) Zähler Rückstand auf den Relegationsplatz Ruhe zu bewahren, eröffnete Löwen-Manager Dr. Christian Werner die Trainer-Debatte.” Und weiter: “Werner steht dabei unter Druck, schließlich muss der von ihm auf ein System mit Dreierkette zusammengestellte Kader funktionieren. Warum bei der Planung nicht darauf geachtet wurde, dass Glöckner in seiner Karriere ein 4-2-3-1-System präferiert? Fragwürdig! Ob Werners dritter Trainer innerhalb von rund 20 Monaten besser passen würde?”
Zunächst muss gesagt werden, dass der Kader viele Optionen hergibt - auch in verschiedenen Systemen. Und wenn man es genau nimmt, hat Präsident Gernot Mang bereits beim Hacker-Pschorr-Fantalk die T-Frage eröffnet - mit deutlichen Worten: “Die Entwicklung ist rückwärts!” Und die Trainerdiskussion ist verständlich, wenn man die Entwicklung der letzten Wochen sieht. Es geht nicht darum, dass 1860 zweimal in Folge verloren hat, sondern um das WIE und die (fehlende) Spielphilosopie.
Fußball ist nicht nur Ergebnissport, wie es Glöckner immer wieder richtig formuliert, sondern auch Entwicklungssport. Dass es immer wieder zu Rückschlägen kommt, ist bei einer neuformierten Mannschaft Teil des Prozesses. Was aber alarmiert, ist dass die Löwen völlig unter ihrer Qualität performen. Nicht ein oder zwei Spieler, sondern die komplette Mannschaft.
Glöckner hat den besten Löwen-Kader seit acht Jahren zur Verfügung. Es ist seine Pflicht, aus dem guten Personal eine gut funktionierende Mannschaft zu formen. Dafür ist er angetreten, bei seiner Vertragsunterschrift wusste er, dass die Löwen kein 0815-Verein sind, sondern einer Klub mit großen Ambitionen. Ob Glöckner dieser Aufgabe gewachsen ist, wird sich am Samstag in Aue zeigen - und da ist es ganz egal, ob er die Löwen mit Dreierkette, Viererkette oder mit Schneekette aufs Spielfeld schickt.