"Schmierentheater für die Öffentlichkeit": Der db24-Faktencheck nach dem BILD-Interview von Reisinger, Bay & Co.
- VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)
- 09.06.2024 12:03
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VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)
Das "BILD"-Interview von Reporterin Kristina Ellwanger mit dem Präsidenten Robert Reisinger sowie den beiden designierten Vizes Karl-Christian Bay und Norbert Steppe hat es in sich. Nein, eine Wahlempfehlung war das nicht für den aktuellen Kurs, der 1860 in der Dritten Liga fest zementiert. Nehmen Sie sich für die folgenden Zeilen viel Zeit! Wir machen den Faktencheck:Unser Kurs ist klar: Wirtschaftliche Vernunft und weitere Konsoldierung. Kurzfristig die Rückkehr in die Zweite Liga, langfristig zurück in die Bundesliga und die Wahrung von 50+1. Dafür stehen wir. Nach Jahresangaben müssen Sie nicht fragen. Aussage Reisinger.
Der db24-Faktencheck: Konsolidierung ist in der Dritten Liga nicht möglich, der TSV 1860 hat seit 2018 rund 25 (!) Millionen Euro allein für das Profiteam verschleudert - ohne irgendeinen Erfolg vorweisen zu können. Die Rückkehr in die Zweite Liga in einem umgebauten Grünwalder Stadion hatte Reisinger für 2024 versprochen - gesagt hat der Ober-Löwe dies 2019 in einem Interview mit der “Passauer Neuen Presse”. Außerdem: In der Bundesliga könnten die Löwen - Stand jetzt -gar nicht spielen. Die Löwen haben weiterhin keine DFL-taugliche Spielstätte.
Letzte Saison lag der Etat bei über sechs Millionen Euro - was kam raus? Wir mussten in der Winterpause reagieren. Mir gefällt der Weg der beiden Geschäftsführer und Agis Giannikis gut. Aussage Reisinger.
Der db24-Faktencheck: In der Winterpause hat Sport-Geschäftsführer Dr. Christian Werner vier Transfer getätigt: Max Reinthaler, Semih Güler, Abdenego Nankishi und Eliot Muteba. Die drei letztgenannten Profis waren eine Enttäuschung, Reinthaler kam aufgrund von Verletzung nur auf sieben Einsätze. Mittlerweile geht Werner einen anderen Weg bei der Kaderzusammenstellung. Werner hätte übrigens schon im Spätsommer als Sportdirektor eingestellt werden können - der e.V. lehnte ihn aber dreimal nachweislich als Sportdirektor ab. Die Bewertung war damals nicht sehr schmeichelhaft. Und Trainer Agis Giannikis erreichte einen Punkteschnitt von 1,37 pro Spiel - sein Vorgänger Maurizo Jacobacci kam saisonübergreifend auf 1,35 Punkte pro Spiel.
Ich bin seit zwölf Jahren in unterschiedlichsten Funktionen dabei, auch wenn ich lieber in die Zukunft blicke, muss doch jeder Fan erkennen: Herr Ismaik hat schon oft nach neuem Personal gefordert und es auch bekommen. Doch besser wurde dadurch nichts - im Gegenteil. Karl-Christian Bay.
Der db24-Faktencheck: Die bekannteste Personalie, die abgelehnt wurde, war Sven-Göran Eriksson, der frühere Nationaltrainer Englands. Stattdessen wurde krampfhaft der ehemalige Nachwuchstrainer Alex Schmidt als Cheftrainer eingesetzt. Richtig ist, dass Ismaik zur Winterpause 2016/2017, als der Verein in akuter Not war, mit aller Macht den Abstieg verhindern wollte: Er verpflichtete den portugiesischen Startrainer Vitor Pereira und Englands Manager des Jahres, Ian Ayre (zuvor FC Liverpool) - mit der Rückendeckung des Klubs. Der Klub rauschte nach dem verlorenen Relegationsspiel gegen Jahn Regensburg in die Regionalliga Bayern, weil sich beide Parteien nicht auf einen Konsens einigen konnten. Richtig ist auch, dass Noor Basha, Raed Gerges und Anthony Power kurzzeitig Geschäftsführer waren. Was man dabei beachten muss: Auch unter dem vom e.V. eingesetzten Personal auf Führungsebene wurde nichts besser. Prinzipiell sollte der Mutterverein das Knowhow liefern.
Es braucht eine klare Strategie und im Hintergrund. einen Geldgeber, der den handelnden Personen vertraut. Aussage Bay.
Der db24-Faktencheck: Bay sagt es selbst, es braucht eine klare Strategie. Auch er selbst hätte in den letzten 12 Jahren dafür sorgen können, den Masterplan für 1860 aufzulegen - sein Problem: Auch Bay, hochintelligent, kam immer wieder in gewisse Konflikte. Auch auf e.V.-Seite. Jetzt kandidert er als Vize-Präsident für Heinz Schmidt.
Es kam nie zu einem direkten Austausch. Und er möchte ihn auch nicht, wie er zuletzt wieder betonte. Wir haben eine klare Botschaft an ihn: Setzen Sie sich mit uns persönlich an einen Tisch. Wir finden zusammen Lösungen. Für jedes Problem. Sie können mit dem Verein Erfolg haben, aber nicht gegen ihn. Aussage Reisinger.
Der db24-Faktencheck: Reisinger hatte 2017 gesagt, es gebe keinen Gesprächsbedarf mit Ismaik. In der “AZ” sagte Reisinger am 14. Juni: “Ich habe gerade keinen Bedarf, mit ihm zu sprechen. Wissen Sie, das ist wie in einer guten Ehe. Mal streitet man sich, mal verträgt man sich wieder, und am besten ist ja ohnehin der Versöhungssex.” Es kam aber in den letzten sieben Jahren nicht mal zum Kuschel-Status. Reisinger sagte einmal, es sei sowieso besser über die Anwälte zu kommunizieren, da hätte man gleich alles schriftlich. Gegenüber dem “BR” sagte Reisinger bei seinem einzigen Auftritt bei “Blickpunkt Sport”: “Es läuft sehr vieles über Anwälte ab. Ich hätte auch die Telefonnummer, aber wenn ich anrufe, geht Herr Ismaik nicht immer ran. Ich mache es von Haus aus lieber schriftlich, denn das meiste brauchen wir sowieso schriftlich und dann brauche ich nicht telefonieren.” Reisingers zahlreiche Alleingänge und Umgang mit Mitarbeitern in den letzten Jahren (u.a. Bierofka, Köllner, Pfeifer) sollen in Abu Dhabi nicht für Entspannung gesorgt haben. Es gibt sogar eine eidesstattliche Versicherung von Heinz Schmidt und Hans Sitzberger, dass Reisinger im Zuge der Heldt-Diskussionen und der Ablehnung seiner Vizes eine Whatsapp geschrieben haben soll - mit dem Inhalt: “HAM wäre evtl. eher zum Verkauf bereit gewesen.”
Wir stottern heute noch die Schulden bei Rosenborg Trondheim für Christian Gytkjaer ab. In Klammern steht dabei, dass der Stürmer im Winter 2017 für 2,25 Millionen Euro verpflichtet wurde und zwei Tore in 18 Spielen erzielte. Aussage Reisinger.
Der db24-Faktencheck: Es ist richtig, dass 1860 die Ablöse für den Stürmer noch nicht vollständig überwiesen hat. Reisingers Antwort soll die Investitionen in der Abstiegssaison hinterfragen. Gytkjaer kam damals als Topstürmer in die Zweite Liga. Der äußerst sympathische Däne konnte sich bei 1860 aber nie so richtig einfinden. Aus seinem Umfeld erfuhr db24 vor längerer Zeit, dass er auch nie integriert wurde und es eine Gruppe bei 1860 gab, die den Neuen mit ablehnender Haltung gegenüber gestanden haben soll. Dass Gytkjaer ein Topstürmer ist, bewies er sofort wieder nach seiner Zeit bei 1860: Er wurde Torschützenkönig in Polen, spielte Nationalmannschaft und schoß zuletzt Monza und Venedig jeweils in die italienische Serie A. Am 2. Juni 2024 erzielte der Ex-Löwe bei Venedigs 1:0-Sieg über Cremonese das entscheidende Tor zum Aufstieg.
Ich war damals noch nicht im Amt. Aber es ist schlichtweg falsch, es wurde fiebrig nach Lösungen gesucht. Daran sieht man aber auch wieder: Es geht ihm immer nur um Schuldzuweisungen. Egal, welche Personen im Amt sind. Das ist seit 2011 in wechselnder Besetzung mit fünf Präsidenten und acht Geschäftsführern so. Aussage Reisinger zum schwarzen Freitag.
Der db24-Faktencheck: Reisinger war damals zwar nicht Präsident, aber als Stellvertreter von Markus Drees im mächtigen e.V.-Verwaltungsrat aktiv, der bei 1860 die Richtung vorgibt - und die Richtung, die am Tag des verlorenen Relegationsspiels gegen Regensburg eingeschlagen wurde, erklärte Verwaltungsrat Robert von Bennigsen gegenüber dem damaligen Präsidenten Peter Cassalette: “Peter, du kannst bleiben - aber ab sofort gegen Hasan.” Reisinger nennt die Zahl der Präsidenten und Geschäftsführer. Seit dem Zwangsabstieg 2017 hat der Verein mit Markus Fauser, Michael Scharold, Günther Gorenzel, Marc Pfeifer, Dr. Christian Werner und Oliver Mueller allein sechs Geschäftsführer eingesetzt - ohne, dass Ismaik Einfluss darauf gehabt hat. Einzig Gorenzel wurde von der HAM-Seite vorgeschlagen, weil Gorenzel zum damaligen Zeitpunkt gegenüber Daniel Bierofka sehr loyal war.
Einen Vertreter, des Hauptsponsors, der öffentlich sagt, dass er das Sponsoring-Engagement gefährdet sieht, sehe ich sehr kritisch. Bay-Aussage über Bündnis-Vertreter Martin Gräfer und die Bayerische.
Der db24-Faktencheck: Aufgrund der letzten Monate ist es prinzipiell völlig legitim, dass man sich über die weitere Zusammenarbeit als Sponsor tiefgründigere Gedanken über 1860 macht - der Klub ist zerstritten wie noch nie und die Außendarstellung hat auch negative Auswirkungen auf die jeweiligen Unternehmen, die die Löwen unterstützen. Und speziell auf Die Bayerische gemünzt: Gräfer hat immer wieder betont, dass die Versicherung ihren Vertrag bis 2027 erfüllen will, jedoch dabei auch klar gemacht, dass Dritte Liga nicht die Ebene ist, die Die Bayerische zu Luftsprüngen animiert.
Das Bündnis inszeniert sich als vermeintlicher Friedensstifter und Stimme der Vernunft und ruft alle Parteien zur Mäßigung auf. Dabei wirkt das Bündnis sehr abgesprochen mit Ismaik. Es ist ein Schmierentheater für die Öffentlichkeit. Die propagierte Phobie vor dem Verein, vor seinen Funktionären und vor seinen Mitgliedern, trägt für mich Züge einer Wahnvorstellung. Die Behauptung, es würden glänzende wirtschaftliche und sportliche Zeiten vor den Löwen liegen, sobald sie einer vermeintlichen Unterdrückung durch den Verein entkommen sind, ist eine ganz besondere Form des Zynismus. Reisinger über das Bündnis.
Der db24-Faktencheck: Zumindest hat das Bündnis innerhalb kürzester Zeit geschafft, mit Ismaik ein gewisses Vertrauensverhältnis aufzubauen. Und laut Klaus Lutz hat man Ismaik auch für diverse Dinge in der Kommunikation kritisiert. Dass ausgerechnet Reisinger dem Bündnis “Züge einer Wahnvorstellung” vorwirft, entbehrt nicht einer gewissen Komik, um im Duktus bekannter Einflüsterer zu bleiben. Außerdem war es Reisinger selbst, der vor kurzem bezüglich der Sponsoren-Akquise gesagt hat: “Sechzig München zu verkaufen, ist nicht so schwer.” Naja, die einen sagen so, die anderen so…
Wir Vereinsvertreter waren es, die im Sommer 2017 die Scherben zusammengekehrt haben und den TSV 1860 wieder zu einem Klub gemacht haben, den die Menschen lieben und der seine Würde wiedergefunden hat. Reisinger über seinen Eindruck von 1860.
Der db24-Faktencheck: Wie soll man das verstehen: Reisinger hat seine eigenen Scherben zusammengekehrt? Reisinger saß 2016/2017 im mächtigen e.V.-Gremium, dem Verwaltungsrat. Er war sogar stellvertretender Verwaltungsratsboss - er hätte also durchaus Einfluss nehmen können auf die Entscheidungen und Investitionen in der Abstiegssaison. Ebenso Heinz Schmidt, Robert von Bennigsen und Markus Drees. Peter Cassalette sagte einmal gegenüber db24: “Alle haben abgenickt und immer gesagt: Solange Ismaik zahlt, ist uns das egal.” Jetzt die Verantwortung zu 100 Prozent auf Ismaik abzuschieben, ist großer Sport. Und ob die Fans 1860 mehr lieben als früher, das hat Reisinger wieder einmal sehr exklusiv.
Jeder will aufsteigen. So schnell wie möglich. Nur ist das weniger eine Frage des Geldes - wie die Beispiele Ulm und Münster zeigen. Es braucht ein intelligentes sportliches Konzept und passende sportliche Charaktere. Beides hatten wir letzte Saison definitiv nicht. Für die neue Saison bin ich zuversichtlich. Steppe über Konzepte.
Der db24-Faktencheck: Seit sieben Jahren ist der Mutterverein allein-verantwortlich für Erfolge und Misserfolge der Profiabteilung. Dass mit Maurizio Jacobacci im Sommer 2023 verlängert wurde, dafür brauchte die KGaA auch die Zustimmung des e.V.-Präsidiums. Dass Robert Reisinger erst im Juli mit Horst Heldt über ein Engagement als Sportdirektor sprach, sagt auch aus, dass die Funktionäre bis heute offenbar nicht wissen, dass eine Saisonplanung eigentlich schon spätestens in der Winterpause beginnen sollte. Und große Vorarbeit war 2023 nicht geleistet…
Es sind die vermeintlichen Heilsbringer und die Glücksritter, die dem TSV 1860 München die Perspektive rauben. Ismaik sorgt bewusst für die maximale Eskalation im Umgang mit dem Verein und seinen Unterstützern. Systematisch wurde von der Ismaik-Seite in den vergangenen Jahren versucht, den Verein handlungsunfähig erscheinen zu lassen. Bei den Fans und Mitgliedern sollte ein Gefühl der Ohnmacht und der Hoffnungslosigkeit erzeugt werden. Das ist klubpolitisch verantwortungslos. Reisinger über die Ismaik-Unterstützer.
Der db24-Faktencheck: Geht noch mehr Polemik? Reisinger hat den Kurs seit sieben Jahren zu verantworten. Zum Vergleich: Ex-Präsident Karl-Heinz Wildmoser führte den TSV unter keineswegs besseren Bedingungen von der Bayernliga bis in den Europapokal - genau in dieser Zeit.
Ich gebe nicht auf. Ich schlucke die Anfeindungen herunter. Wenn wir jetzt loslassen, ist der Verein kaputt. Der Verwaltungsrat kann heißen wie er will - es wird immer zu den gleichen Problemen kommen. Und vielleicht sollte er überlegen, ob es nicht für sein Vorhaben sinnvoller wäre, seinen Wunschkandidaten im Aufsichtsrat zu installieren. Reisinger über Heiland Reisinger und eine Empfehlung.
Der db24-Faktencheck: Reisinger sieht sich offenbar unentbehrlich - er glaubt womöglich, dass der aktuelle Kurs die beste Lösung für den Traditionsverein ist. Darüber sollte sich jeder Fan und jedes Mitglied selbst Gedanken machen, ob Drittliga-Dino und die aktuelle Wahrnehmung ein Erfolg ist. Und mit Saki Stimoniaris hat Ismaik übrigens seinen Wunschkandidaten im Aufsichtsrat. Der frühere VW-Aufsichtsrat ist seit sieben Jahren eine der ganz wenigen Konstanten auf der HAM-Seite.