VON OLIVER GRISS

"Hier geht es um Wettbewerb, hier geht es auch um Marktwirtschaft - dieses Geld hilft uns ganz extrem." Verteidigte DFB-Präsident Bernd Neuendorf am Rande des überzeugenden 2:0-Testsiegs der deutschen Nationalmannschaft beim EM-Topfavoriten Frankreich den Millionen-schweren NIKE-Deal ab 2027 und den Abschied des treuen Partners Adidas.

Neuendorfs weitere Begründung: “Wir hatten ein Angebot, das weit über dem von anderen Konkurrenten lag. Da ist uns die Entscheidung fast abgenommen worden. Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, weil bei uns geht es darum, den Verband nicht zu schädigen. Das hätten wir getan, wenn wir nicht darauf eingegangen wären.”

Es ist nur sehr schwer vorstellbar, dass die drei Kult-Streifen aus Herzogenaurach in drei Jahren nicht mehr auf dem DFB-Trikot zu sehen sind. 1988, als Merchandising in Deutschland noch vergleichsweise ein Fremdwort war, habe ich kurz vor der EM im eigenen Land mein erstes DFB-Trikot gekauft - wegen Lothar Matthäus. Und der “Copa Mundial” war über Jahrzehnte mein bevorzugter Adidias-Treter. Er war besser als jeder andere Fußball-Schuh.

Die Nationalmannschaft, Deutschland liebstes Kind, bald mit dem NIKE-Swoosh auf dem Trikot - irgendwie unvorstellbar, ein Kultbruch, aber auch ein Beweis dafür: Nicht die Tradition und der gemeinsam zurückliegende Weg entscheiden, sondern am Ende immer das liebe Geld. Die finanziellen Nöte beim DFB sind so groß, dass man Adidas aus wirtschaftlichen Gründen den Rücken kehren muss. Damit setzt der DFB aber auch ein Zeichen: Servus, heimische Industrie! Habidiehre Romantik! Tschüss Dankbarkeit!

Laut “Handelsblatt” macht NIKE rund 100 Millionen pro Jahr für den DFB locker - und damit doppelt so viel wie bislang Adidas. Auch die Autobauer von VW sind angeblich nicht länger bereit, dem DFB 40 Millionen Euro pro Jahr zu überweisen. Hier zeichnet sich eine Trennung ab. Fährt der DFB bald auf Tesla (USA), KIA (Südkorea) oder BAIC (China) ab? Die Möglichkeit wächst.

Doch die Diskussion um den Ausrüster-Wechsel zeigt vor allem eines auf: Die Scheinheiligkeit und Doppelmoral im deutschen Fußball. Einerseits nimmt der DFB gerne die NIKE-Millionen aus den USA in Empfang, andererseits wird die Bundesliga mit der Kapitalzufuhr durch 50+1 weiter limitiert. Geld hätten auch die Klubs dringend nötig, um im Konkurrenzkampf in Europa zu bestehen - oder zählen der Wettbewerb und die Marktwirtschaft in der Bundesliga gegenüber der Premier League oder der LaLiga nicht, Herr Neuendorf?