VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Der TSV 1860 hat sportlich in den letzten 20 Jahren nicht wirklich was erreicht, was die Funktionäre aber zweifelsfrei konnten an der Grünwalder Straße 114: immer wieder wurde die Vereinssatzung über all die Jahre überarbeitet. Deswegen nennt man die Strategen hinter dem Werk hinter vorgehaltener Hand auch "die Satzungskönige vom Grünspitz". Dachte man zumindest bis vor kurzem.

Worum geht’s? Obwohl die Vorbereitung der abstiegsbedrohten Drittliga-Mannschaft längst läuft, haben die Löwen immer noch keinen Sportlichen Leiter und auch keinen Trainer - geschweige denn Verstärkungen für den offensiv-schwachen Kader.

Der e.V. wollte am 22. Dezember den unerfahrenen Dr. Christian Werner (zuletzt Chefscout beim SV Waldhof Mannheim) als Geschäftsführer einsetzen. Doch die virtuelle Beiratssitzung war kurzfristig ausgefallen, weil ein HAM-Vertreter krank geworden ist. Damit war die virtuelle Sitzung laut Satzung nicht beschlussfähig. Es handelt sich hier um die Satzung des Beirats, nicht zu verwechseln mit der Vereinssatzung des TSV. Sie wurde sowohl vom e.V. als auch von der HAM-Seite unterzeichnet.

Jetzt schreibt die “SZ”: Vereinspräsident Robert Reisinger hatte als ‘Sitzungsvorsitzende” daraufhin “Beschlussfassng per E-Mail bestimmt”. Am 27. Dezember folgte dann die Antwort von Ismaiks Anwalt Frank Koch, der mitteilte, dass die Veranstaltung ohnehin nichtig gewesen sei. Die Investorenseite bestreitet nämlich mittlerweile, dass Reisinger überhaupt Beiratsvorsitzender ist und mithin, dass er zu Beiratssitzungen einladen darf.” Und jetzt sind wir zurück bei der Satzung des Beirats: Hat Reisinger unter einem Titel agiert, den er offiziell gar nicht hat? Nach db24-Informationen muss der Beiratsvorsitzende normalerweise bestimmt (gewählt) werden - und das soll die letzte Jahre nicht passiert sein. Im e.V. wird man sich jetzt fragen: Wie konnte das passieren?

Die “SZ” zitiert aus einer Email von Ismaik-Anwalt Koch: “Herr Reisinger berühmt sich der Rechte des Beiratsvorsitzenden.” Gemäß der Geschäftsordnung werde “der Vorsitzende von den Beiratsmitgliedern für die Dauer des Geschäftsjahres bestimmt.” Im Laufe des Geschäftsjahres habe es aber “bisher keine Sitzung des Beirats” gegeben, in der der Vorsitzende und der Stellvertreter von den Mitgliedern bestimmt worden wären”. Er verweist darauf, “dass Herr Reisinger als einfaches Beiratsmitglied als Nichtberechtiger zur Beiratssitzung (…) geladen hat, so dass sämtliche Entscheidungen nichtig sind.” Eine durchaus nachvollziehbare Argumentation.

Am 28. Dezember schaltete sich dann e.V.-Anwalt Guido Kambli ein: “Seit Einführung des Beirats im Jahr 2011 wie auch seit Verabschiedung der Geschäftsordnung für den Beirat im Jahr 2014 ist es praktische und juristische Handhabung (…), dass der Beiratsvorsitzende so lange im Amt bleibt und alle ihm zustehenden Befugnisse behält, bis Neuwahlen stattgefunden haben.”

Die eigene Satzung ist offenbar nicht wasserdicht - und so könnte es noch einige Wochen dauern, bis der e.V. seinen Wunschkandidaten Dr. Werner, der zuvor dreimals als Sportdirektor abgelehnt wurde, installieren kann.

Die “SZ” zitiert Nicolai Walch, Beirat und Anwalt, in einer Email vom 2. Januar: “Um dieses kleinkarierte Thema abzuschließen und weitere Winkelzüge und Verzögerungen zu vermeiden, erlaube ich mir hiermit, die Bestimmung des Vorsitzenden durch die Beiratsmitglieder förmlich nochmals zu initieren.” Der Regensburger forderte die Mitglieder des Beirats auf mitzuteilen, für wen sie als Vorsitzenden stimmen - mit dem Zusatz: “Frist: 05.01.2024, 12.30 Uhr (MEZ) - ich stimme für Robert Reisinger.”

Die Antwort von Andrew Livingston, neben Saki Stimoniaris der zweite HAM-Vertreter im Beirat, folgte postwendend: “Die Horst-Heldt-Affäre ist nur das jüngste Beispiel dafür, dass Herr Reisinger die für die Mitgliedschaft in diesem Gremium erforderlichen Standards nicht erreicht. Jeder, der versucht (…), dass nicht die besten Kandidaten den zuständigen Gremien vorgeschlagen werden, sei “für eine Mitarbeit im Beirat ungeeignet, ganz zu schweigen von der Position des Vorsitzenden.” Reisinger konterte: “Ich wiederhole nochmals es gab und gibt keine Scheinkandidaten.” Die “Sport Bild” berichtete gestern allerdings, dass Reisinger gegenüber einem Sponsor die Geschichte mit den Schein-Kandidaten erzählt habe. Der würde dies auch bezeugen. Die Kandidaten “würden auch jetzt noch für das Amt zur Verfügung stehen”, teilte Reisinger mit: “Also nehmen Sie Kontakt mit diesen Herren auf und ich fordere Sie auf, diese Unterstellungen und Lügen nicht zu wiederholen. Um auf die Mail von Hr. Walch zu antworten: Ich stimme für mich als Vorsitzenden.”

Und Stimoniaris schrieb kurz und knapp: “Sehr geehrte Herren, ich stimme gegen Herrn Reisinger als Vorsitzenden. Mit freundlichen Grüßen, Saki.”

Walch antwortete: “Unter Zugrundelegung der streitigen Rechtsansicht (…) hat der Beirat auch weiterhin keinen Vorsitzenden. Somit wäre der Beirat derzeit handlungsunfähig.”

Der e.V. könnte aber Geschäftsführer Marc Pfeifer sofort anweisen, Dr. Werner als Sportdirektor einzustellen, der dann sofort den so wichtigen Trainer verpflichten könnte. Warum dies der Mutterverein angesichts des Zeitdrucks nicht macht und die Löwen so handlungsunfähig macht, ist fraglich.