VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Maurizio Jacobacci (60) ist Geschichte beim TSV 1860. Nach 282 Tagen beendete der Klub die Zusammenarbeit. Das große db24-Interview mit dem ehemaligen Löwen-Trainer, der am Donnerstagnachmittag München endgültig den Rücken kehrte.

db24: Herr Jacobacci, wie groß ist die Enttäuschung nach Ihrem Aus beim TSV 1860?

MAURIZIO JACOBACCI: Groß, sehr groß sogar! Ich fühle mich schon so, als wäre mir ein inneres Organ herausgerissen worden. Trainer-Entlassungen gehören zum Geschäft, darüber bin ich mir bewusst. Aber es tut einfach weh. Ich durfte meine Arbeit nicht zu Ende führen. Ich bin aber auch enttäuscht, weil ich meine Beurlaubung nicht aus erster Hand erfahren habe.

db24: Wie bitte?

Ich hatte mich an diesem ominösen Dienstag gerade fürs Training umgezogen, da habe ich eine Whatsapp-Nachricht von einem Freund erhalten, der mir schrieb: “Das ging aber jetzt schnell.” Ich wusste gar nicht, was er meint. Dann schickte er mir den Artikel der Bild-Zeitung…

db24: Wem machen Sie Vorwürfe?

Marc Pfeifer, der Geschäftsführer, kann nichts dafür. Er hat es mir zehn Minuten später in seinem Büro mitgeteilt. Ihn muss ich in Schutz nehmen. Dafür sind andere verantwortlich, die das in die Bild-Zeitung getragen haben. Und nochmal: Ich bin nach wie vor überzeugt, dass wir es zusammen geschafft hätten.

db24: Was macht Sie so sicher?

Die letzten Monate. Die Mannschaft hat sich kontinuierlich verbessert und gesteigert und gewisse Automatismen haben auch angefangen zu greifen. Eine neue Mannschaft - defensiv wie offensiv - aufzubauen, das erfordert leider auch Zeit.

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db24: In der Regel hat man bei 1860 aber keine Zeit, schon gleich nicht in der Dritten Liga…

Das ist genau das Problem! Wir hatten eine sehr schwierige und intensive Zeit mit der Transferperiode - und jeder weiß, dass ich damals eindringlich vor dem Abstiegskampf gewarnt hatte, wenn nicht etwas passiert.

db24: Und es ist lange nichts passiert. Eine konzentrierte und überlegte Saisonplanung bei einem Profiverein sieht definitiv anders aus.

Ich habe darauf mehrmals hingewiesen, mehr kann ich als Trainer nicht tun. Wir hatten anfangs 14 Spieler, wir hatten eine halbe Jugendmannschaft. Damit hatten wir die Vorbereitung begonnen - ohne Yannick Deichmann und Marius Wörl, die ich gerne behalten hätte. Das waren zwei Top-Spieler für 1860. Das wird immer wieder weggewischt. Ich hätte mich auch hinstellen und sagen können: “Es ist nicht meine Aufgabe, eine Mannschaft zu basteln. Das ist der Job des Sportchefs! Ich bin hier einzig und allein als Trainer angestellt! Ich kümmere mich nicht um die Transfers! Ich fordere diese Spieler!” Aber wem hätte das was gebracht? Wenn ich diese zusätzliche Arbeit nicht gemacht hätte, hätte es vermutlich keiner in die Hand genommen. Zu diesem Zeitpunkt es war anfangs Juni wurde ich am Meniskus operiert. Ich war an Krücken und hatte keinen Tag Urlaub. Wir im Verein, die noch da waren, waren sozusagen in der Pflicht, was zu tun, damit wir anständig in die Saison gehen können. Wir waren doch eh schon zu spät dran…

db24: Fühlen Sie sich als Bauernopfer?

Nein, das nicht! Aber es sind nunmal die Fakten! Wir hatten Anfang Juli keine vernünftige Mannschaft - das ist auf Profiebene nicht Standard (lacht). Wir hatten zum Start der Vorbereitung zwei Millionen Euro weniger zur Verfügung als im Vorjahr - das war die Ausgangsposition. Wir hatten wirklich gute Spieler an der Hand, aber einige hatten wieder abgesagt, weil sie nicht so lange warten konnten bis wir ein Budget auf die Beine stellen. Einer davon steht beispielsweise bei einem gestandenen Zweitligisten regelmäßig in der Startelf. Es war einfach kein Geld da. Wir konnten ihm nichts anbieten - und so blieb er bei seinem Verein. Wir konnten leider keinen Druck aufbauen. Als wir dann handeln konnten, waren viele Spieler, die auf unserer A-Liste standen, schon wieder abgesprungen. Und so kamen neue Spieler tröpfchenweise, die alles andere als in einem guten physischen Zustand waren, was auch nicht der Sache diente.

db24: Trotz dieser desaströsen Planung gelang 1860 ein furioser Saisonauftakt in die Dritte Liga…

Nach einer nicht optimalen Vorbereitungsphase mit negativen Ergebnissen in Freundschaftsspielen und aufkommender Kritik waren die zwei Start-Siege über Mannheim und Duisburg mit sechs Punkten und 5:0-Toren im nachhinein Gift. Das hat ein zu euphorisches Bild über die Mannschaft abgegeben. Man hatte eine große Erwartungshaltung in diese Mannschaft, der sie nicht gerecht werden konnte. Viele sind nach diesen zwei Siegen schon wieder auf den Zug aufgesprungen: Ja, die Löwen spielen wieder um den Aufstieg! Ich habe mich dagegen gewehrt! Wir haben intern immer von einer Übergangssaison, von einem Aufbaujahr gesprochen. Das hat aber nicht existiert. Mehr war leider nicht möglich - auch wenn das vielleicht mit den generellen Ansprüchen von 1860 München nicht zu vereinbaren ist. Realität und Wunschdenken sind zwei paar Schuhe und ich als Trainer kann nicht träumen sondern musste hart am Konstrukt arbeiten, das heißt: Aufbauen, Festigen, Weiterentwickeln.

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db24: Worüber sind Sie am Ende neben der 0:3-Pleite in Dortmund gestolpert?

Wir haben uns in der ersten Halbzeit in Dortmund vor allem, aus all den Chancen, die wir uns herausgespielt haben, einfach nicht die Tore gemacht. Das zeigt, dass wir viel richtig umgesetzt haben - die Effizienz vor dem Tor hat einfach gefehlt. Meine Aufgabe als Trainer besteht darin, der Mannschaft das “Wie” zu Chancen zu kommen beizubringen, aber noch die Tore selber schießen, das kann ich leider nicht, das müssen die Spieler dann schon selber tun (lacht). Das liegt nicht in meiner Macht. Dass uns Joel Zwarts seit Wochen fehlte, konnte ich nicht beeinflußen. Es war der Stürmer, der uns in dieser wichtigen Phase leider abhanden gekommen ist und schlussendlich sehr gefehlt hat. Fynn Lakenmacher hat sich in dieser Zeit zwar sehr bemüht, kam aber nicht zu Chancen. Defensiv standen wir mit Ausnahme der zweiten Halbzeit in Dortmund eigentlich immer sehr gut, standen meist solide. Wir haben einfach, wofür wir gespielt und was wir geleistet haben, zu wenig Punkte geholt und uns nicht für den großen Aufwand belohnt. Und Spiele verloren, die du normalerweise nicht verlieren darfst. Ich erinnere an Lübeck, Aue, Ingolstadt, Regensburg, Unterhaching oder Köln. Unterm Strich waren das einfach zu viele Spiele.

db24: Ihre Transferpolitik war am Ende nicht unbedingt glücklich.

Was heißt nicht unbedingt glücklich? Mir ist heute bewusst, dass der ein oder andere Transfer, den wir getätigt haben, nicht das gebracht hat, was wir uns alle vorgestellt und gewünscht haben. Ich weiß natürlich auch, was ich damals an einer PK gesagt hatte: “Jeder Transfer muss sitzen!” Nicht jeder Schuß hat gesessen - das muss ich mir eingestehen, vor allem mit dieser finanziellen Situation bei 1860. Zwei oder drei Transfers waren nicht optimal. Ich hätte bei der ein oder anderen Verpflichtung genauer hinschauen müssen und mir mehr Zeit nehmen sollen, statt Transfers schnell abzuwickeln, nur um den Kader zu komplettieren, da die Meisterschaft immer näher kam.

db24: Mit einem Sportchef an der Seite wäre dies möglicherweise nicht passiert.

Gut, dass Sie das ansprechen: Ich habe mich nie gegen einen Sportdirektor gesträubt oder gewehrt - das stimmt einfach nicht. Hier wurden Dinge bewusst gestreut, um einen Schuldigen zu suchen. Zum Zeitpunkt, als der Name Horst Heldt aufploppte, hatten wir schon 90 Prozent unserer Mannschaft zusammen. Liegt das jetzt an mir? Ich denke nicht!

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db24: Haben Sie die Dritte Liga möglicherweise unterschätzt?

Nein, wer mich kennt weiß, dass ich die Liga, wie auch jeden Gegner immer mit Respekt begegnet bin und nie jemanden unterschätzen würde. Wenn ich aber jetzt lesen muss, dass ein Reporter, der nie ein Training von uns besucht und gesehen hat, sich hinstellt und über mich argumentiert und spottet, dass ich ein vermeintlicher und selbsternannter Taktikfuchs sei, dann hat das nichts mehr mit seriösem Sport-Journalismus zu tun. Um sich ein echtes Bild zu machen, sollte man die Arbeit als Ganzes in Betracht ziehen und nicht oberflächlich richten. Ich glaube schon, dass ich ein Taktikfuchs bin - dies habe ich der Mannschaft tagtäglich versucht über verschiedene Trainingsinhalte beizubringen und weiterzuentwickeln. Das Offensivspiel anzukurbeln, hinten rauszuspielen, Laufwege zu verinnerlichen, wie auch die Defensivarbeit als Team, wie gegen den Ball zu arbeiten,in welcher Zone was umzusetzen etc. Ich glaube schon, dass die Mannschaft hier große Fortschritte erzielt hat. Spieler wie Jesper Verlaat, David Richter, aber auch Fabian Greilinger, um nur Drei zu nennen, konnten von meiner Arbeit sicher profitieren und Jesper wie auch David haben sich bei mir nachträglich auch bedankt. Das hat mich gefreut, denn als ich zu 1860 kam, war Jesper am Boden. Heute ist er Kapitän und spielt eine solide und sehr gute Meisterschaft. Gefreut hat mich auch, dass Jesper mir noch klar und deutlich mitteilte, dass sich der Mannschaftsrat wie auch das Team nicht gegen mich ausgesprochen hätte, das hat mich doch gefreut dies zu hören. Als Richter zu uns gekommen ist, war er nicht in dieser heutigen Verfassung, kam er doch aus einer Verletzung am Sprunggelenk und einer längeren Pause zu uns. Ich bin sehr froh, ich habe mich mit großem Einsatz für ihn stark gemacht. Heute glaube ich, ist er überglücklich, dass ich ihn zu 1860 geholt habe und er hat es mir und uns mit Leistung zurück gezahlt.

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db24: Es gibt auch noch einen anderen Kritikpunkt. Ihnen wurde von Fans und Presse vorgeworfen, dass Sie nach Ihrer Entscheidung im Torwart-Duell pro David Richter nicht mehr glaubwürdig gewesen seien, nachdem Sie Wochen zuvor noch Marco Hiller das Vertrauen ausgesprochen hatten…

Mir will man meine Worte im Mund umdrehen. Meine Werte wie Vertrauen, Respekt, Loyalität etc. zählen auch heute noch. Ich wollte Hiller die Möglichkeit geben, sich aufgrund seiner vorherigen Leistungen nach seiner Genesung wieder als Nummer 1 zu bewähren, da er sich bis vor der Verletzung gut präsentiert hatte. Er verdiente wieder im Tor zu stehen. Nach einer Woche Training kam das Spiel in Saarbrücken für ihn noch zu früh. Also glaube ich, dass ich das Richtige entschieden hatte mit Richter im Tor. Die Idee war, dem Marco Hiller nach zwei Wochen Training die Möglichkeit zu geben, gegen Pipinsried im Tor zu stehen, um sich wieder an den Spielbetrieb heranzutasten, dies gegen einen Gegner, was eine Pflichtaufgabe sein sollte, diesen zu bezwingen, wie auch immer. Von Platzgarantie war aber nie die Rede, das wusste der Marco. Aber ich habe ihm das Vertrauen ausgesprochen. Ich habe ihm gesagt: “Du spielst gegen Pipinsried - und danach auch gegen Unterhaching! Aber du musst natürlich deine Leistung bringen!” Und die Leistung ist immer eine Grundvoraussetzung: Es ging nicht darum, dass er eine große Mitschuld am Gegentor hatte, sondern es ging um etwas ganz anderes, viel Wichtigeres.

db24: Jetzt wird es spannend: Worum?

Hiller war Kapitän in diesem Spiel. Für mich hätte er spätestens in der Halbzeit Verantwortung, den Lead übernehmen und die Mannschaft wachrütteln sollen. Er hätte das Wort ergreifen sollen, die Wände hätten beben müssen. Nicht der Trainer, sondern er! Es kam aber nichts. Das hat mich enorm enttäuscht. Hiller hat sich aus der Verantwortung gestohlen. Meine Entscheidung danach habe ich mir nicht leicht gemacht. Dies habe ich mit Marc Pfeifer intensiv auch während der darauffolgenden Woche besprochen und seine Antwort war; “Was auch immer du entscheidest, ich unterstütze dich!” Mit dem Trainerstab habe ich die Pro und Contra abgewogen und ALLE standen hinter dieser, meiner Entscheidung, und um so wenig Wirbel um die Sache zu machen haben wir im Trainerstab entschieden, dies beiden Torhütern nach dem letzten Training mitzuteilen. Es geht nie um den Einzelnen, sondern allein um das Team. Deswegen finde ich es nicht in korrekt von Sascha Mölders, dass er sagt, ich hätte beide Torhüter verloren. Das ist ein Witz. Er soll den David Richter fragen, ob ich ihn verloren habe, als ich ihm die Botschaft mitgeteilt habe, dass er und nicht Marco im Tor stehen würde gegen Unterhaching. Sein Inneres hat vor Freude gejauchzt, seine Augen waren glänzend und freudestrahlend. Er konnte es nicht glauben, und ich soll David oder die Kabine verloren haben? Das muss Mölders mir und allen Fans erklären. Das Leistungsprinzip sollte eher motivierend und reizvoll für alle sein.

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db24: Kurz nach der Verbannung auf die Bank hatte Hiller via “BILD”-Zeitung mitgeteilt, dass er sich über seine Zukunft Gedanken machen müsse. Kurz zuvor hatte er noch gesagt, er könne sich weitere zehn Jahre bei 1860 vorstellen…

Das abgegebene Interview danach hat den Charakter und das Ego von Marco wiedergegeben und gezeigt, dass nicht 1860 für ihn das Wichtigste ist, sondern er selbst an erster Stelle stehen will. Aber kein Spieler hat das Recht über dem Team zu stehen. Das Pipinsried-Spiel und Marco Hiller haben mich gezwungen, meine Prinzipien über den Haufen zu werfen und die ganze Sache zu überdenken und das umzusetzen, was ich dann mit Unterstützung aller Beteiligten dann auch gemacht habe. Das wurde intern hinterher auch angesprochen. Er hat das dann auch eingesehen. Aber diese Geschichte hat dem Innenleben und mir schlussendlich nicht geholfen. Marco Hiller sollte auch nicht vergessen - Er hat sich auch durch mich weiterentwickelt. Heute spielt er besser hinten raus.

db24: Sie hatten es von Anfang an nicht einfach, weil Sie von einer Seite sofort als HAM-Trainer abgestempelt wurden…

Richtig ist, dass ich mich selbst beworben habe und Günther Gorenzel offenbar von mir überzeugt war. Ich bin davon ausgegangen, dass ich von 1860 München eingestellt wurde und nicht von irgendeiner Seite. Diese Gedankengänge sind mir fremd. Ich wollte für 1860 das Bestmögliche erreichen und seriöse, ziel-und resultatsorientierte Arbeit liefern. Das war mein einziges Ziel. Ich habe immer versucht, 1860 im Blick zu haben und nicht rechts oder links. Ich habe bis zuletzt mit großer Freude und Begeisterung für die Löwen gearbeitet. Mein Fehler war, dass ich bei meiner Einstellung nicht einen eigenen Co-Trainer gefordert habe.

db24: Hand aufs Herz: Wie schwierig ist es wirklich, Löwen-Trainer zu sein?

Es ist sicher schwierig, gewisse Dinge auszublenden, um sich auf die Arbeit, auf das Wesentliche zu konzentrieren - das ist der Fußball , das ist die Mannschaft. Es gab zu viele Nebenschauplätze. Das kannst du einfach nicht immer ausblenden. Es verfolgt dich immer wieder! Es war sehr intensiv und aufreibend, weil ich immer wieder aufpassen musste, was ich sage, wie ich es sage und vor allem, wem und wo ich es sage. Soviele Vertraute hatte ich auch nicht, im Prinzip war ich fast alleine unterwegs. Ich hatte ja keinen eigenen Assistenten. Die Aufgabe bei 1860 war nicht leicht und einfach, aber sehr spannend und intensiv, aber ich habe viel dazu gelernt. Ich bin auch heute noch überzeugt, dass die Mannschaft nichts mit dem Abstieg zu tun haben wird. Die Mannschaft hat Charakter, das hat sie mehrmals gezeigt - mit den Siegen wie gegen Verl, in Halle oder in Saarbrücken, als uns das Wasser bis zum Hals stand.

db24: Haben Sie von allen im Klub Rückhalt gespürt?

Rückhalt ist ein großes Wort. Ich möchte mich aber da dazu nicht äußern, da ich noch unter Vertrag stehe. Das Hauptproblem bei 1860 ist, es gibt nur Top oder Flop, aber kein dazwischen.

db24: Wie war Ihr Verhältnis zu Präsident Robert Reisinger?

Mit dem Präsidenten hatte ich in der vergangenen Saison mehr Kontakt als ab Ende der letzten Saison. Da kam er ja meistens nach dem Spiel auf den Platz, begrüßten uns und hatten gewisse Wortwechsel auch auf italienisch. Seit Ende Saison 22/23 bis zum Wiesn-Auftritt war Funkstille. Auf der Wiesn ergab sich die Gelegenheit uns die letzten zehn Minuten zu unterhalten im Beisein meiner Lebenspartnerin Ilona. Da unterhielten wir uns nicht über Fußball, sondern eher über private Dinge. Das war dann eigentlich alles… leider! Ich hatte eigentlich keine Berührungsängste da ich ein offener, umgänglicher Zeitgenosse bin, hatte auch kein Problem mit ihm, aber es sollte einfach nicht sein und das was man mir in der Transferperiode unterstellte, verstehe ich heute noch nicht. Ich muss ehrlich zugestehen: Das kannte ich von meinen anderen Stationen nicht. Da wollte der Präsident immer wissen, was mit der Mannschaft so geht: Wer ist verletzt? Wer spielt? Wie sieht es in Zukunft aus? Das war bei 1860 nicht der Fall.

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db24: Sie hatten vorhin schon über Sascha Mölders gesprochen. Der Ex-Kapitän, der mittlerweile Spielertrainer beim Bayernligisten TSV Landsberg ist, wünscht sich für 1860 einen Trainer, der nicht wie Sie im Anzug, sondern im Trainingsanzug draußen steht und auf der Seitenlinie rumturnt…

Darüber habe ich lachen müssen. Wenn Mölders möchte, dass ich mit der Wiesn-Tracht dirigiere, nur um zu zeigen, dass ich ein Münchner bin und zur Belustigung der Fans da bin, dann sieht er die Aufgaben eines Trainers nicht im richtigen Licht. Ich glaube nicht, dass ich zu wenig Emotionen eingebracht habe, die Mannschaft nicht motivieren oder erreichen konnte. Soll er die Spieler fragen! Die Spieler mussten mich ab und an auch bremsen. Da habe ich mich auch ein wenig zurücknehmen müssen, was auch richtig war. Das beweist genau das Gegenteil, was Mölders sagt. Wenn er dann die Vorbildsfunktion noch in Erwägung zieht: Ich war der Erste auf dem Trainingsgelände und einer der Letzten, der ging und dies über all die Monate. Wie kann sich Mölders anmaßen, so etwas zu sagen?

db24: Die Atmosphäre im Grünwalder Stadion hat auch nicht unbedingt dazu beigetragen, dass der Mannschaft geholfen ist.

An mein erstes Spiel gegen Viktoria Köln denke ich nicht gerne zurück. Wie die Fans mit der Mannschaft am Ende des Spiels umgegangen sind, das war unter der Gürtellinie und wünsche es niemandem, vor allem keinem Spieler. Ich war froh, dass wir dann sportlich die Kurve gekriegt haben. Die verschiedenen Fan-Gruppierungen sind einfach nicht förderlich für eine Einheit. 1860 sollte für Team, Einheit und Gemeinsam stehen und solange das nicht so ist…Das ist schade für diesen großen Verein. Deswegen auch mein Gedanke mit dem T-Shirt: Gemeinsam!

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db24: Wie laden Sie jetzt Ihre Akkus wieder auf?

Die Akkus sind nicht leer. Ich hätte mir die letzten drei Spiele gegen Essen, Bielefeld und Mannheim noch gewünscht. Wir hätten die Kurve bekommen. Ich muss das aber jetzt akzeptieren. Über die Weihnachtszeit werde ich zwei Besuche abstatten, meine Eltern in Italien und danach meine groß gewachsenen Kinder und Enkelkinder in der Schweiz. Diese Zeit werde ich genießen - aber natürlich mit der Hoffnung, dass ich ab Januar wieder meiner Arbeit, was meine Leidenschaft ist nachgehen kann und wieder an der Seitenlinie stehe - und dann mit Trainingsanzug (lacht).

db24: An die Rente denken Sie noch nicht?

Keineswegs! Ich wünsche mir noch viele Jahre als Trainer. Das hält mich jung. Ich kann mir absolut vorstellen, wieder in Deutschland zu arbeiten. Diese Mentalität und Tugenden entsprechen meiner Art und das Interesse des Deutschen Volkes zum Fußball und zum Sport generell ist grandios. Die Dritte Liga ist sehr spannend, auch wenn sie natürlich nichts mit der ersten oder zweiten Bundesliga zu tun hat, wie zuletzt im Umfeld von 1860 behauptet wurde. Aber die Dritte Liga ist mit Vereinen wie 1860, Dynamo Dresden, Waldhof Mannheim, Duisburg, Saarbrücken, Bielefeld, Erzgebirge Aue, Rot-Weiss Essen, Münster, Sandhausen, Regensburg, Ingolstadt etc. gut bestückt. Jedes Spiel ist auf Messers Schneide - und es ist erst Schluß, wenn der Schiedsrichter pfeift, das hat diese Meisterschaft zur Genüge schon gezeigt und wir können von dem ein Liedchen singen.