VON OLIVER GRISS

Die Spatzen am wunderschönen Wörthersee pfeifen es schon von den Dächern: Der Deal mit Günther Gorenzel ist durch. Der Sport-Geschäftsführer des TSV 1860 wird in den nächsten Tagen die Farben wechseln und von den Blauen zu den Violetten übersiedeln. Die Aufgabe bei Austria Klagenfurt ist spannend, aber bestimmt viel entspannter als bei den Löwen. Gorenzel wechselt in ein geordnetes und ruhiges Umfeld, das Peter Pacult und Matthias Imhof, die beiden 1860-Aufstiegshelden von 1994, mit überschaubarem Budget aufgebaut haben. Das Duo hat den Fußball in Kärnten wieder salonfähig gemacht.

Ein Zustand, den die Mehrheit der Fans auch gerne wieder an der Grünwalder Straße 114 hätte: Allerdings ist 1860 von der Ersten Liga soweit weg wie vom Oktoberfest in Dubai. Gorenzel hat es als Teil der Geschäftsführung nicht geschafft, die Löwen nachhaltig zu entwickeln - und nein, der Aufstieg von der Regionalliga in die Dritte Liga ist für einen Klub wie 1860 nicht als großer Erfolg zu werten. Allein in den letzten drei Jahren hatten die Löwen rund 18 Millionen Euro investiert in die Mannschaft - sehr viel Geld.

Und leider wurden in dieser Phase auch viele strategische Fehler begangen: Erst hatte der Kader keine Breite (weil Spieler wie Richard Neudecker und Stephan Salger mit Mond-Verträgen ausgestattet wurden). Im vergangenen Sommer war die Mannschaft zum jetzigen Zeitpunkt mit guten Drittliga-Namen schon sehr gut und breit aufgestellt (das war ein Zusammenspiel zwischen Michael Köllner, Gorenzel und Anthony Power), doch der gewünschte (und dringend benötigte) Achter wurde auf den Winter verschoben. Als sich dann Torschützenkönig Marcel Bär schwer verletzte, sah man es nicht für notwendig an nachzurüsten. Das war naiv - wieder einmal. Als dann im Winter die Suche nach einem Signaltransfer begann, präsentierte Gorenzel nach langem Ringen den technisch versierten ehemaligen österreichischen Teamkicker Raphael Holzhauser. Zweifelsfrei hat er das Gefühl im Füßchen, wovon Erstliga-Profis träumen. Doch Drittliga-Fußball ist anders: Laufintensiv, körperbetont und viel Hauruck - was so gar nicht zu Holzhausers Profil passt. Das Leihgeschäft sorgte in der Kabine nicht für Beruhigung, auch weil Gorenzels Wunschtransfer neben einem sehr ordentlichen Gehalt auch Privilegien gehabt haben soll: Hotel und Auto.

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Doch die Trainer-Posse im Zuge der Köllner-Entlassung war dann zu viel: Weil Wunschkandidat Achim Beierlorzer zum einen keine Freigabe von RB Leipzig bekam und zum anderen mit dem vorhandenen Sport-Budget nicht finanzierbar war, setzte sich Gorenzel trotz anderer Möglichkeiten (Stefan Reisinger) selbst auf die Trainerbank. In dieser Zeit, so heißt es aus der Löwen-Kabine, sei sehr viel kaputt gegangen. Abzulesen war dies nicht nur an der Punkte-Ausbeute, sondern auch am schlechten Klima, das in den Trainingseinheiten nicht zu übersehen war. In dieser Zeit hatte Gorenzel übrigens das Mittelfeld-Juwel Marius Wörl nicht für den Kader berücksichtigt. Insgesamt dreimal. Vor dem vierten Spiel unter Gorenzels Regie entschied sich der Jugend-Nationalspieler, der U19 im Kampf um den Klassenerhalt zu helfen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte der Klub erkennen müssen, dass bei Gorenzel die Luft raus ist. Es wurde nicht reagiert (weil keine Fußball-Kompetenz in der Führungsebene?) - und so braucht man sich bei 1860 jetzt auch nicht zu wundern, dass Wörl und Yannick Deichmann zum Leidwesen von Trainer Maurizio Jacobacci und vor allem der Fans den Verein ablösefrei verlassen. Das Fingerspitzengefühl, um die beiden um den Finger zu wickeln und von 1860 zu überzeugen, fehlt Gorenzel. Seine Weggefährten sagen über ihn: “Günther kannst du in der Nacht anrufen und mit ihm über Fußball philosophieren, aber seine Empathie ist durchaus ausbaufähig.” Und ja, Werte (Transfererlöse) bei einem Ausbildungsverein zu schaffen, das war auch nicht Gorenzels größte Stärke.

Nein, das ist keine Abrechnung, denn Gorenzel hatte auch gute Seiten, solange er für den Fortschritt der Löwen kämpfte. Vor allem in seiner Anfangszeit nach dem Doppel-Abstieg 2017 war der Österreicher, der 2006 als Fitnesstrainer von Schoko Schachner das erste Mal bei den Löwen aufgeschlagen war, ein gutes Pendant zu Daniel Bierofka. Gemeinsam stiegen sie in die Dritte Liga auf. Gorenzels bester Transfer in seiner fünfjähriger Amtszeit war Ex-Trainer Köllner. Mit ihm war 1860 plötzlich nicht mehr der Chaotenklub und entwickelte sich zu einem Aufstiegskandidaten. Zum großen Wurf hat es allerdings nicht gereicht. Auch Gorenzels Rolle als Moderator zwischen DFB und den Klubs in der Corona-Krise war gut. Er kämpfte für die Fortsetzung der Runde.

Dass Gorenzel in den letzten Monaten zwischen den Fronten ausgelaugt wirkte, auch weil er vom Verein abgemahnt wurde, ist kein Wunder. In Klagenfurt wird’s anders. Bestimmt. Bei 1860 sind schon ganz andere gescheitert.

Servus, Günther! Mach’s gut!