VON OLIVER GRISS

Seit 1989 schreibe ich über die Löwen, seit 34 Jahren. Ein halbes Leben. Oft frage ich mich: Warum?

Ich leide. Der Spruch von Kult-Stadionsprecher Stefan Schneider passt wie die Faust aufs Auge: “Die einen gehen zur Domina, ich geh zu Sechzig München.” Er selbst geht kaum noch zu den Löwen, weil brüskiert aus den eigenen Reihen.

Noch nie kam mir der TSV 1860 fremder vor als nach dem Zwangsabstieg 2017. Nein, das ist kein Hetzen, kein Populismus, kein Verdrehen von Tatsachen, sondern die bittere Realität. Das Giesing-Oida-Phänomen, wenn man nach einem vierten Platz freudetrunken auf dem Dach des Löwenstüberls mit hunderten Fans feiert oder der jahrelange Blindflug in der Stadionfrage, sind nicht der Gefühlsbrecher, der mir Hoffnung auf Besserung gibt.

Und ich fühle mich dann einmal mehr bestätigt, wenn “BILD”-Schlagzeilen wie “Schnapsskandal bei den Löwen” aufploppen - sie beweisen: Der Verein wird nicht gut geführt, die Bosse führen ihre Angestellten nicht an der kurzen Leine, sondern geben ihnen Freiraum. Freiraum, der dem TSV 1860 jetzt auf die Füße fällt. Willkommen in der Giesinger Wohlfühloase! Hauptsache, lustig und gmiatlich ist es! Aber wenn man ehrlich ist: Der TSV ist von professionellen Strukturen so weit weg wie München von einem Wolkenkratzer im Dubai-Style.

2017 bis 2023: Welche Note gibst Du der wirtschaftlichen, sportlichen und infrastrukturellen Entwicklung des TSV 1860?

Umfrage endete am 04.05.2023 07:00 Uhr
Note 6
40% (3293)
Note 5
33% (2666)
Note 4
13% (1026)
Note 3
7% (545)
Note 1
4% (360)
Note 2
3% (269)

Teilnehmer: 8159

Sollte an der Grünwalder Straße 114 nicht schnell ein scharfes Umdenken stattfinden (eigentlich ist es dafür schon zu spät), wird der Weg gnadenlos zurück in den Amateurfußball führen. Stuttgarter Kickers, Alemannia Aachen oder Rot-Weiß Oberhausen sollten warnende Beispiele für den Meister von 1966 sein: Es kann schneller gehen, als manchem lieb ist. Nachdenkliche Grüße auch in die Hauptstadt, zu Hertha BSC Berlin mit ihrem Ultra-Präsidenten oder nach Gelsenkirchen.

Es ist kein Zufall, dass Ehemalige - wie zuletzt Aufstiegsheld und Ex-Trainer Peter Pacult - immer wieder den Finger in die Wunde legen und auf die peinlichen Mißstände in ihrem Giesinger Lieblingsklub hinweisen. Die Protagonisten? Sie maßregeln teilweise ihre Kritiker mit den Worten: “Sie sprechen mit den falschen Medien.” Das ist Sechzig im Jahr 2023. Blamabel, nicht kritikfähig und von Vereinsmeiern geführt. Anstatt sich selbst zu hinterfragen, sind immer die anderen schuld. Die Löwen sind seit vielen Jahren eine Spielwiese von Eitelkeiten und amateurhaftem Verhalten. Der sportliche Wert, um den es eigentlich gehen sollte, ist minimal.

Der Löwe leidet weiter.