VON HELMUT SOVA UND CATHRIN MÜLLER (MIS)

Der Löwe weint…

Wieder wurde eine Drittliga-Saison mit Millionen-Investitionen in den Sand gesetzt, der Aufstieg ist mehr oder weniger nicht mehr erreichbar. Jetzt geht’s um den frühzeitigen Klassenerhalt. Die Fans sind bedient. Seit unserem Aufruf, die Gründe für das Scheitern aufzuschreiben, haben uns unzählige Emails erreicht. Eine davon stammt von Löwen-Mitglied Helmut Sova. Sein Statement:

Liebe db24, ich muss Euch widersprechen. Der Löwe weint schon lange nicht mehr, weil er keine Tränen mehr hat.

Ich habe als kleiner Junge das erste Mal 1970 nach dem Abstieg um meinen Herzensverein geweint. Dann wieder 1982 nach dem Zwangsabstieg in die Bayernliga. Erneut im Jahr 2004, als wir wieder einmal an unserer eigenen Unfähigkeit gescheitert waren. Das nächste Mal, als wir unsere Anteile an der Arena verkauft und damit alle Zukunftsperspektiven aus der Hand gegeben haben. Meine definitiv letzten Tränen habe ich 2017 vergeudet, als der Verein durch eine Posse der Gesellschafter vor die Wand gefahren wurde und dieser Untergang auch noch medienwirksam mit einem Grinsen vor laufenden Kameras verkündet wurde.
Damals habe ich meine Dauerkartenreservierung aufgekündigt und war kurz davor, auch meine Mitgliedschaft zu kündigen. Ein guter Freund und Löwenanhänger hat mich schlussendlich davon abgehalten.

1860 steigt wieder nicht in die Zweite Liga auf: Ist der Reisinger-Weg bei 1860 noch der richtige?

Umfrage endete am 19.03.2023 00:00 Uhr
Nein!
86% (11493)
Ja!
14% (1923)

Teilnehmer: 13416

Ich war von 1966 bis weit in die 80er Jahre ein Fan, der von der Westkurve oder Nordkurve aus, seinen Verein bei jedem Spiel lautstark unterstützt hat. Aber ich war kein Pyromane oder Hooligan, der seinem Verein regelmäßig geschadet hat. Später bin ich dann in die Sitzplatzbereiche gewechselt. Heute stelle ich fest, dass sich der Fußball radikal verändert hat. Der Sport rückt in den Hintergrund und wird vom Kommerz verdrängt. Eine Identifizierung mit Spielern und Trainern ist nicht mehr möglich, weil diese stets nur dem besseren Angebot hinterherlaufen.

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Auch die Identifizierung der Fans mit dem eigenen Verein ist bestenfalls noch eine Fata Morgana. Wir sind früher nach einer Niederlage mit hängenden Köpfen nach Hause geschlichen. Heute feiert sich die sogenannte Fan-Kultur selbst nach einer deftigen Klatsche überschwänglich. Die Ultras weigern sich, die Vereinsfarben zu tragen und stehen in schwarzen Klamotten in der Kurve. Der Rest lässt sich von diesen Pseudofans, denen es ausschließlich um Politik und Ideologien geht, auf der Nase herumtrampeln.

Den Glauben, dass sich bei 1860 noch etwas zum Besseren ändern könnte, habe ich aufgegeben. Für eine Veränderung wären demokratische Strukturen erforderlich, welche die Vereinsführung aber gezielt verweigert. Ich bin überzeugt, dass von unseren 25.000 Mitgliedern maximal 10 Prozent den Kurs der Vereinsführung unterstützen. Aber diese Mehrheit wird systematisch ausgeschlossen, weil ausschließlich eine Stimmabgabe auf der Mitgliederversammlung möglich ist. Wer schon einmal da war weiß, dass man dort eine andere Meinung nur unter Inkaufnahme von körperlichen Repressalien formulieren kann. Dies geschieht auch noch mit Duldung des Präsidenten, dem die Versammlungsleitung obliegt.

Die demokratischen Strukturen beim TSV 1860 sind mit denen Chinas und Russlands vergleichbar. Es sind genau diese Strukturen, die es verhindern, dass sich ehemalige Profis mit Herzblut für die Löwen engagieren. Wenn ich vergangenes Wochenende lese, dass sich Dynamo Dresden die Dienste eines Dynamo Urgesteins namens Ulf Kirsten sichert, dann frage ich mich, warum geht dies bei Sechzig nicht mit einem Benny Lauth oder Bernhard Winkler?

Da ich keinen Lösungsansatz erkennen kann, auch nicht bei einem Fall der 50-Plus 1-Regel, habe ich eine große Distanz zu meinem Herzensklub aufgebaut und fahre damit gut. Ich freue mich, wenn wir gewinnen, aber ich leide nicht mehr, wenn wir verlieren. Nie hätte ich gedacht, dass es einmal so weit kommt, aber tatsächlich geht es mir mittlerweile sehr gut damit.

Deshalb weint der Löwe auch nicht mehr.

Helmut Sova ist 66 Jahre alt und sah sein erstes Löwenspiel 1965 gegen den 1. FC Köln. Mitglied ist er seit 1992.

Wenn Sie auch Ihre Meinung loswerden wollen, schreiben Sie uns eine Email unter dem Titel “Der Löwe weint” an redaktion@dieblaue24.de